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Warum Esther Schweins nie die Märchen-Prinzessin sein wollte

Warum Esther Schweins nie die Märchen-Prinzessin sein wollte

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Phoenix zeigt den Zweiteiler "Die Frauen der Wikinger". Im ersten Teil "Sigruns Flucht nach Island" sind Sigrun (Esther Schweins) und Ulf (Luca Maric) im ehelichen Zwist - sie will die Scheidung. Foto: GBF/NDR/dpa
Sie war Comedienne, sie ist Schauspielerin. Derzeit ist die gebürtige Oberhausenerin in gleich zwei Produktionen zu sehen: in dem Film „Die Frauen der Wikinger“ und in einer Pilcher-Produktion. Im Interview spricht Esther Schweins über ihre Ängste nach dem Tsunami, Selbstkritiik – und rote Haare.

Palma de Mallorca. 

Esther Schweins (44) begann mit Comedy. Heutzutage ist die gebürtige Oberhausenerin zumeist als Schauspielerin zu sehen – etwa in „Die Frauen der Wikinger“ (Samstag, Arte, 20.15 Uhr) und in „Rosamunde Pilcher: Anwälte küsst man nicht“ (Sonntag, 22. September, ZDF). Mit der Künstlerin sprach Jürgen Overkott.

Sie haben mit „Samstag Nacht“ Fernsehgeschichte geschrieben. Doch mit Comedy hatten Sie zuletzt gar nichts mehr zu tun. Ist Ihnen der Spaß vergangen?

Esther Schweins: Nee, das war nicht gesteuert. Wenn man ein Format wie „Samstag Nacht“ gemacht hat, ist es schwer, etwas Neues zu machen und zu glauben, dass es noch mal so toll werden würde. Und noch etwas kommt dazu: Ich bin kein natural funny bone (ein Naturtalent für Körperkomik), und ich bin kein Stand-Up-Comedian.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Ihre alten Aufnahmen sehen?

Schweins: Ich sehe sie mir nicht an. Aber ich habe kürzlich gehört, dass Tele 5 die alten Folgen wiederholt; da muss ich mal reinschauen.

Sehen Sie sich überhaupt Ihre Produktionen an, wenn sie fertig sind?

Schweins: Nein! Oder: in den seltensten Fällen.

„Ich setze mich nur noch konstruktiver Kritik aus“

Warum?

Schweins:…weil ich nichts mehr ändern kann. Beim Ansehen der fertigen Bilder will ich am liebsten wieder von vorne anfangen.

Sind Sie sehr selbstkritisch?

Schweins: Hm, ja, glaube schon. Obwohl das mit den Jahren besser geworden ist, weil ich mich nur noch konstruktiver Kritik aussetze. Ich habe kein Problem damit, Aufnahmen von mir während des Arbeitsprozesses anzusehen. Also: Wenn ich direkt nach einer Szene in einer Aufnahme sehe, was der Regisseur sieht, dann sorgt das meist für besseres Verständnis. Manche Kollegen lehnen das ab, aber ich arbeite gern so. Aber: Die Unumkehrbarkeit einer Aufnahme hinzunehmen fällt mir schwer. Ich arbeite gern mit Regisseuren zusammen, die mir genau sagen, was sie gern haben wollen. Und genau das war bei Michael Keusch der Fall, mit dem ich den Pilcher-Film „Anwälte küsst man nicht“ gemacht habe.

„Der Liebe offenen Auges zu begegnen ist mir lieber“

Pilcher-Filme gelten als Märchen für Erwachsene. Wollten Sie früher Prinzessin werden?

Schweins: Nie! Prinzessinnen waren mir schon in den Märchen suspekt (lacht). Prinzessin? Nö. Ich bin ausgestiegen bei „Schneewittchen“, und das war eines der ersten Märchen, mit denen ich in Berührung kam. Schneewittchen liegt da bewusstlos, und dann kommt ein Wildfremder, (betont) ein Wildfremder und küsst sie aus dem gläsernen Sarg, setzt sie auf sein eigenes Pferd und reitet mit ihr zu seinem Schloss, und da lebten sie glücklich bis zum Ende ihrer Tage. Da habe ich schon zu meiner Mutter gesagt: Die kennen sich doch gar nicht! Also: Der Liebe offenen Auges zu begegnen ist mir bedeutend lieber.

Okay, Pilcher und Märchen sehen Sie nicht in einem Zusammenhang. Wie sind Sie an den Stoff herangegangen?

Schweins: Das war gar nicht schwer. Michael Keusch hat das Drehbuch geschrieben, und er hat gesagt: Wir wollen einen Pilcher, der anders ist als die anderen Pilcher. Natürlich muss man sich bei Pilcher – und das ist vielleicht das Märchenhafte – keine Sorgen um den Ausgang der Geschichte machen, aber wir haben es mit zwei starken Persönlichkeiten zu tun.

Ein „Korn“ Wahrheit in Schottland 

Wurden Sie für Pilcher auch wegen Ihrer rotblonden Haare gecastet?

Schweins: In diesem Fall nicht. Bei einem anderen Pilcher-Stoff, nämlich einem epischen, mag das so gewesen sein.

Viele glauben, dass es in England außergewöhnlich viele Rothaarige gibt.

Schweins: Da wir in Schottland gedreht haben, kann ich nicht umhin, das nachzuvollziehen.

An dem Klischee ist ein Körnchen Wahrheit.

Schweins: Eher ein Korn.

Bei Ihrer Rolle in der Produktion „Die Frauen der Wikinger“ wird Ihre Haarfarbe auch kein Hindernis gewesen sein. Was mich aber interessiert: Sie haben am Meer gedreht, und ich habe gelesen, dass Sie vor Jahren bei einem Tsunami beinahe ums Leben gekommen sind.

Schweins: Oh, das ist ein weites Feld. Tja, danach fühlte sich das Leben an wie zurückgesetzt auf null. Ganz pragmatisch: Wenn ich am Wasser bin, habe ich immer den Horizont im Blick. Ich suche mir einen Fixpunkt auf dem Meer, etwa ein Schiff.

„Mir gefällt die Vorstellung von Freiheit als Geburtsrecht“

Ich kann mir vorstellen, dass die Erfahrung Ängste ausgelöst hat, wieder zum Meer zu gehen.

Schweins: Als ich wieder auf zwei Beinen stehen konnte, bin ich wieder zurück, weil es keinen besseren Ort gab, zurück zu den Menschen, denen das gleiche wiederfahren war wie mir und ihnen zu helfen. Auf der anderen Seite war es auch eine Selbsttherapie. Obwohl der Tod unser täglicher Begleiter war, war es dort leichter zu leben.

Aber zurück zu den Wikinger-Frauen. Könnten Sie sich vorstellen, in dieser Ära zu leben?

Schweins: Nein! Und schon gar nicht als Geraubte wie die Sigrun, die ich spiele. Als nicht Geraubte könnte ich darüber nachdenken, als freie Frau, das steckt ja schon in dem Namen der Göttin Freya. Mir gefällt die Vorstellung von Freiheit als Geburtsrecht. Die Freiheit endet oder beginnt für mich nicht an der Haustür oder an einem Zelt.

Sie selbst leben auf Mallorca. Wollten Sie dem grauen Deutschland entfliehen?

Schweins: Och, das hat sich so ergeben. Ich habe meinen Mann hier kennengelernt; er ist Mallorquiner. Wir haben letztes Jahr entschieden, dass die Kinder hier eingeschult werden. Denn die Kinder können hier so wahnsinnig naturverbunden aufwachsen.

Vaterland und Muttersprache

Wachsen Sie zweisprachig auf?

Schweins: Viersprachig! Deutsch, Castillan, Catalan und Englisch.

Mehr geht nicht.

Schweins: Na ja, es heißt, dass Kinder fremde Sprachen wie Schwämme aufsaugen – für meine Kinder gilt das nicht.

Welche Sprache ist ihnen die liebste?

Schweins: Deutsch.

Die Mutter-Sprache.

Schweins: Wobei: Bis jetzt waren die Kinder bei allen Produktionen dabei, die ich gemacht habe, beispielsweise bei Pilcher in England.

Sie selbst sehen Deutschland mit Abstand, zeitlich wie räumlich. Das gilt auch für das Ruhrgebiet, aus dem sie stammen. Was fällt ihnen dort auf?

Schweins: Das Ruhrgebiet ist viel grüner geworden. Grau ist grün gewichen. Es stimmen nur noch die ersten beiden Buchstaben.