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„Du musst es einfach nur tun“

„Du musst es einfach nur tun“

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Foto: ZDF/Christian Charisius
Er kocht bei Lanz, er moderiert die Küchenschlacht im ZDF und er geht nun mit einer eigenen Show auf Tour: Alexander Herrmann (41), Sternekoch aus dem fränkischen Wirsberg, spricht im Interview über die Popularität des Kochens, über die Wiederentdeckung des deutschen Abendbrots, über die Zubereitung von Fleisch – und über Stinkerkäse.

Zurzeit hat man das Gefühl, dass jeder Sender bis auf Eurosport und Astro TV mindestens eine Kochsendung hat? Ist das nicht überdreht?

Alexander Herrmann: Wann ist denn eigentlich eine Kochsendung eine Kochsendung? Wenn jemand ruft: Hilfe, meine Küche funktioniert nicht! Oder: Mein Koch ist Mist. Und dann rücken sogleich einige Köche an – ist das dann eine Kochsendung? Na ja, es ist fast schon eher Lebenshilfe. Während man im Sport unterscheidet zwischen Fußball, Tennis, Segeln und Skilaufen, wird im Bereich Kochen leider alles in einen Topf geworfen.

Warum ist Kochen so populär?

Alexander Herrmann: Wir müssen uns zunächst fragen, wo wir her kommen: Wenn vor 50 Jahren der Papa nach Hause kam, musste die Familie brav am Tisch sitzen. Und wenn der Bub nicht aufgegessen hat, gab’s eine Kopfnuss. Einer ganzen Generation wurde Kochen und Genuss so verleidet. Essen war eine Qual. Inzwischen hat sich gesellschaftlich sehr viel verändert. Heutzutage müssen beide Elternteile Vollzeit arbeiten, damit sie die Ansprüche ihrer zwei Kinder, die zwei Autos, das kleine Häuschen und den Urlaub finanzieren können. So ist ein kleines Kochvakuum entstanden. Und an dieser Stelle kommt das Phänomen hinzu, dass die Menschen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sich rückbesinnen. Plötzlich erinnert man sich wieder an die heile Welt und an Omas Braten. Kochen ist etwas sehr Ehrliches und Interessantes. Eine Gegenbewegung zur Globalisierung und eine Hinwendung zum Regionalen.

Ist die Küche, also unsere ganz normale Küche in den deutschen Haushalten, besser geworden?

Alexander Herrmann: Noch in den 80er Jahren war ein Brot eher spießig und provinziell, man hat lieber Baguette gegessen. Später kam dann das Ciabatta und wir entdeckten Olivenöl und mediterrane Kräuter. Aber irgendwann haben wir bemerkt, dass die Welt uns um unsere Wurst beneidet. Und unser Brot ist eine Mischung aus Kulturerbe und Großartigkeit.

. . . die Wiederentdeckung der Regionalküche und des deutschen Abendbrots?

Alexander Herrmann: Du kannst heute Freunde einladen und sagen, ich habe einen Wurstsalat gemacht. Wenn du dann noch ein tolles Bauernbrot anbietest, finden die das super und fragen: Wo hast du das Brot her?

Sie gehen im Januar mit Ihrer Show „Sterneküche – durchgedreht“ auf Tournee. Wie schaffen Sie es, Ihr Publikum drei Stunden am Herd zu halten?

Alexander Herrmann: Das Besondere an meiner Show ist, dass es zwei in einer sind: eine Kochshow und eine Latenight-Show. Wenn ich nur kochen würde, würdest du spätestens nach einer Stunde sagen: Jetzt reicht’s mir. – Ich mache sechs verschiedene Gerichte. Dazwischen kommt die zweite Show zum Tragen. Es ist eine Band dabei und in den Unterhaltungsblöcken gibt es Standup-Comedy, Pleiten, Pech und Pannen aus dem Fernsehen und ich beziehe auch das Publikum stark mit ein. Alle fünf bis zehn Minuten hat die Show einen neuen Rhythmus. Mal langsam, mal schnell.

Was ist mit Ihrem Restaurant in dieser Zeit?

Alexander Herrmann: Es gibt den Satz von Paul Bocuse, der einmal gefragt wurde, wer kocht denn eigentlich, wenn Sie nicht da sind. Und dann hat er gesagt: Na die, die auch kochen, wenn ich da bin. So ist es auch bei uns.

Die offensichtliche Kochleidenschaft der Deutschen steht ein bisschen im Widerspruch zu dem, was man im Supermarktregal sieht. Was halten Sie von Bratkartoffeln in Tüten?

Alexander Herrmann: Da tu ich mich schon etwas schwer. Die Nachfrage nach Convenience-Food ist stark gestiegen. Da muss man sich fragen: warum? Zum einen ist das Angebot breiter geworden, zum anderen die Qualität auch besser, wobei man über das Wort Qualität immer streiten kann. Der Erfolg von Convenience überrascht mich aber nicht: Wenn man sieben Tage in der Woche die Kinder versorgen, viele Probleme lösen und dann noch den Job erledigen muss, dann kommst du abends nicht nach Hause mit einen Bündel Möhren unter dem Arm und sagst: Schatzi, jetzt machen wir uns noch ein paar Vichy-Karotten.

Was raten Sie Familien, die noch zu oft zum Fertiggericht greifen?

Alexander Herrmann: Alles, was du vorgefertigt kaufst, wird nie hundertprozentig gut für deinen Körper sein und es ist auch teurer. Wenn du selbst kochst, hast du eine höhere Sicherheit und es wird sicherlich auch besser schmecken. Wenn man nicht jeden Tag Biogemüse essen kann, ist es wichtig, überhaupt frisches Gemüse zu essen. Man braucht keine große Kochkunst, du musst es einfach nur tun. Und vor allem Kinder mögen das Kochen. Eine Umfrage des Bundesfamilienministeriums hat ergeben, dass sich Kinder im Alter zwischen 9 und 14 Jahren mehr Zeit mit ihren Vätern wünschen. Auf Platz eins für die gemeinsame Zeit ist spielen, Platz zwei zusammen kochen und Platz drei Sport treiben. Es ist schon erstaunlich, wie Kochen nach einer Generation in den Fokus geraten ist. Wenn ich vor 30 Jahren zu meinen Kumpels beim Cowboy- und Indianer-Spiel gesagt hätte, ich geh’ jetzt nach Hause, ich will mit meinem Papa kochen, dann wäre ich die Squaw geworden.

Haben Sie ein paar Koch-Tipps, wenn es mal schnell gehen muss?

Alexander Herrmann: Das zeige ich auf meiner Tour. Zum Beispiel: Wie gare ich perfekt Fleisch? Den meisten gelingt es deswegen nicht, weil es in der Zubereitungskette ein paar Details gibt, die entweder aus Unwissenheit falsch gemacht werden oder weil es früher falsch erklärt wurde. Auch ich habe früher gedacht, Fleisch habe irgendwelche Poren, die geschlossen werden müssen. Aber Fleisch hat keine Poren, sondern Fasern. Der Fußballer hat ja auch keinen Muskelporenriss. Das erkläre ich alles auf der Bühne.

Nun die Glaubensfrage: das Steak vor dem Braten salzen oder nicht?

Alexander Herrmann: Ich würze es vorher – etwa mit einem schönen Fleur de Sel und einem guten Pfeffer. Wenn nämlich gar kein Salz dran ist, fehlt in der Mitte so eine Art Grundgeschmack. Es heißt zwar, man solle vorher nicht salzen, weil das Fleisch Wasser zieht und sich dann nicht braten lässt, das ist aber totaler Quatsch. Der Fehler passiert nicht beim Salzen, der passiert in der Pfanne.

Sollte man das Fleisch vorher rauslegen?

Alexander Herrmann: Die Logik sagt mir: ja, wenn du es bei Zimmertemperatur brätst, ist es etwas entspannter. Der Fehler liegt aber nicht in der Temperatur des Fleischs, sondern wieder im Zusammenspiel zwischen Pfanne, Fett, Hitze und Anbraten. Stellen Sie sich ein Steakhaus mit 100 Sitzplätzen vor. Dort gibt es zehn verschieden Fleischsorten auf der Karte. Von jeder Sorte werden 90 Stück rausgelegt und nach drei Stunden wieder rein. Das machen die genau ein Mal, denn am nächsten Tag steht mit Blaulicht die Hygiene vor der Tür.

Was würden Sie niemals kochen?

Alexander Herrmann: Stinkerkäse. Ich mag nämlich nur Käsesorten, die rein und wohlriechend sind. Ein Mozzarella zum Beispiel: Der ist zart, der ist fein, da seh’ ich noch das Zwinkern der Kuh…

. . . aber der schmeckt nach fast nichts . . .

Alexander Herrmann: Der schmeckt toll! Aber im Ernst: Ich mag es nicht, wenn ein Käse stinkt oder blauschimmelig ist. Und dann gibt es einige Dinge, die ich aus ethischen Gründen nicht kochen würde wie Haifischflossensuppe, das ist ein Verbrechen an der Natur.