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Der skrupellose PIP-Gründer Jean-Claude Mas

Der skrupellose PIP-Gründer Jean-Claude Mas

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Jean-Claude Mas (72) ist der Gründer der Firma Poly Implante Prothèse (PIP), die mehr als 500.000 Silikonkissen in die ganze Welt verkauft hat. Ein zwielichtiger Mann, der sich vom Vertreter zum Multimillionär hocharbeitete – weil er skrupellos genug war, seine Brustimplantate mit Industriesilikon zu füllen.

Paris. 

Sie träumten von einer schönen Figur und legten sich für die Brust-OP gutgläubig unters Messer. Nun erleben sie einen Albtraum. Hunderttausende Frauen quält der lähmende Gedanke, tickende Zeitbomben im Körper zu tragen: undichte Brustimplantate, aus denen womöglich gesundheitsschädliches Gel austritt. Ihre Wut richtet sich besonders gegen einen Mann: den Franzosen Jean-Claude Mas (72), den zwielichtigen Gründer der Firma Poly Implante Prothèse (PIP), die über 500.000 Silikonkissen in die ganze Welt verkauft hat.

Es war die Rolle, in der sich Jean-Claude Mas stets am meisten gefiel: die des genialen Tüftlers und Geschäftsmannes, der Frauen zu schönen Rundungen verhilft und sich selbst zu einem beeindruckenden Millionenvermögen. Nun, da immer mehr schmutzige Details seines Geschäftsgebarens in die Öffentlichkeit dringen, entsteht ein ganz anderes Bild. Jean-Claude Mas, der Trickser und Betrüger, der Schurke und Scharlatan, angetrieben von unersättlicher Geldgier und beseelt von beängstigender Skrupellosigkeit.

Ehemals leitende PIP-Mitarbeiter berichten der Illustrierten „Paris Match“ jetzt, dass ihr Boss in den letzten Jahren immer mehr der Trunksucht verfiel und zuletzt Alkoholiker war. Meistens habe er schon nach dem Mittagessen begonnen sich abzufüllen, erzählen sie. Ein Technischer Direktor schildert, wie er seinen sturzbesoffenen „Patron“ eines Tages aus einer Bar abholen musste. Andere beschreiben Mas als kühl und unnahbar. Ein Mann, der nur umgänglich war, wenn der Alkohol seine Wirkung entfaltete.

Systematischer Betrug mit billigem Industriesilikon

Wer ist Jean-Claude Mas? Aufgewachsen in Tarbes am Fuße der Pyrenäen sucht er nach dem Militärdienst in Algerien sein Glück in Paris. Hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, um nach einem Jahr wieder in seine Heimat zurückzukehren. Zwischen Pau und Toulouse rennt er von Tür zu Tür, verscherbelt Versicherungspolicen – und erkennt sein großes Verkaufstalent. Egal, ob es sich um Medikamente, Cognac, Wein oder Reinigungsgeräte für Zahnarztpraxen handelt. 1982 schließlich lernt er die Geschäftsführerin Dominique Lucciardi kennen, die mit dem Schönheitschirurgen Dr. Arion zusammenarbeitet. Letzterer wird Mas’ Partner bei PIP, erstere seine Lebensgefährtin und Mutter seiner beiden Kinder.

Dass dem Raffgierigen das eigene Portemonnaie stets wichtiger war als die Gesundheit der Frauen, bringen die Polizeiverhöre mit Mas und seinen Ex-Mitarbeitern zutage. Es sind Dokumente voller Zynismus. Die Tricksereien fingen demnach schon 1993 an, der systematische Betrug mit billigerem Industriesilikon lässt sich auf das Jahr 2001 datieren. Dieses kostete nur fünf Euro pro Liter, während das vorgeschriebene US-Gel sieben Mal teurer war. Immer wenn Kontrolleure des TÜV Rheinland nach La-Seyne-sur-Mer bei Toulon kamen, mussten verdächtige Firmenunterlagen vorübergehend versteckt werden.

Ehe der Schwindel auffliegt, hat Jean-Claude Mas fast eine halbe Million minderwertige Silikonkissen in die ganze Welt verkauft: von Paris bis Buenos Aires, von Berlin bis London. Schon vor fünf Jahren schlagen die ersten Schönheitschirurgen Alarm. Erst als immer mehr Brustimplantate reißen oder so porös werden, dass Gel ins Gewebe austritt, wird PIP 2010 dichtgemacht.

Er lässt die Vorwürfe kühl an sich abprallen

Weil der Verdacht aufkam, dass die Silikonkissen auch Krebs verursachen könnten (obwohl einer solcher Zusammenhang bislang nicht belegt ist), sollen sich 30 000 Französinnen die PIP-Kissen wieder herausoperieren lassen.

Jean-Claude Mas lässt die Vorwürfe kühl an sich abprallen. „Ich habe nie bestritten, dass das Gel nicht zugelassen war“, sagte er dem TV-Sender M6. Zugleich streitet er ab, dass das Gel gesundheitsgefährdend oder gar krebserregend ist. Mas, der Größenwahnsinnige, bleibt sich treu: „Mein Gel war einfach besser als das der anderen.“