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Das Filmen gab Schauspieler André Hennicke neue Kraft

Das Filmen gab Schauspieler André Hennicke neue Kraft

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ddp images - dapd-05460281-HighRes.jpg Foto: ddp images/Dominique Ecken
André Hennicke ist einer der gefragtesten Chrakterdarsteller Deutschlands. Seine Stärke bezieht er aus persönlichen Schicksalschlägen.

Berlin. 

Mit André Hennicke über den Tod zu reden, das ist nach ungefähr fünfzehn Minuten mit ihm schon nicht mehr ganz so ungewöhnlich. In dieser ersten Viertelstunde hat er mehrfach den Tod seiner Mutter erwähnt, und wie sehr ihn das beeinflusst habe. Als sie vor rund zwei Jahren starb, war das für ihn eine tiefe Zäsur. Eine der Folgen: „Ich wollte aufhören mit dem Schauspielen“, sagt er und meint das sichtlich ernst. „Ich dachte, ich werde Sterbebegleiter.“

André Hennicke ist schließlich zum Schauspielern zurückgekehrt, jenem Beruf, den er Anfang der 80er-Jahre an der Konrad-Wolf-Schule in Potsdam gelernt hat. Seine ersten großen Rollen spielte er noch für die DDR-Filme der DEFA, unter anderem mit Corinna Harfouch. Damals hatte er ganz glatte Wangen, aber in den Rollen der vergangenen zehn bis 15 Jahre sieht er fast immer kränklich aus, egal ob als Kommissar („Zimmer 205“) oder Nazi („Die Fälscher“) oder zuletzt als fieser Gangsterboss in „Victoria“. Immer die tiefe, ernste Stimme, als ob er gleich loshusten könnte. Das passt besonders zu seinem aktuellen Kinofilm: In „Jonathan“ spielt er den todkranken Burkhard, der nach Jahren unerwartet seine Jugendliebe wiedertrifft.

Tiefe Bindung zur Mutter

Für André Hennicke war diese Rolle eine besondere Herausforderung. „Beim Tod meiner Mutter“, sagt er, „habe ich schließlich gerade erst hautnah miterlebt, wie ein Mensch stirbt.“ Er hat das Aufbäumen des Lebens gesehen, die Schwäche des Körpers, die Angst. Er habe die letzten Wochen ihres Lebens jeden Tag an ihrem Bett gesessen, seine drei Schwestern und mehrere Pfleger halfen außerdem. Der Vater war früh gestorben. „Jonathan“ war für ihn eine ganz besondere Form der Trauerarbeit. „Als der Film fertig war, konnte ich wieder lachen.“

Die Krise, die den Schauspieler vorher einholte, war auch ein Zweifeln am Beruf. Zu viele Filme waren Low Budget, erinnert er sich, als Schauspieler noch ein Auskommen zu finden, sei nicht so einfach. Hennicke hat außerdem einen Science-Fiction-Roman geschrieben: „Der Zugriff“. Auch hatte er Drehbucherfahrung und überlegte immer wieder, hinter die Kamera zu wechseln. Es gab viele Möglichkeiten. „Zu viel von allem“, sagt er. Er meint auch: Alkohol und Drogen. Wer ganz genau hinschaut, im Film „Alter Affe Angst“, der sieht, dass Hennicke den Drogenkonsum auf der Leinwand nicht nur gespielt hat. „Ich wollte vor allem schöne Gefühle entstehen lassen“, sagt er heute über die Zeit. Inzwischen hat er das aus seinem Leben verbannt. „Schließlich sterben pro Jahr fast 80.000 Deutsche an den Folgen.“

Sohn verliebt sich in Pflegerin des Vaters

Als er den „Jonathan“-Regisseur Piotr Lewandowski in einem Café traf, war für Hennicke klar, dass er die Rolle bekommt. Doch der polnisch-deutsche Regisseur wollte noch andere Schauspieler sehen. Es war schließlich sein erster Kinofilm, es musste alles passen. „Dabei sah ich damals aus wie der wandelnde Tod“, sagt Hennicke. Er hatte sich nach der Beerdigung schlecht ernährt, nicht auf sich geachtet.

In „Jonathan“ geht es dann aber nicht nur um den Tod von Burkhard. Vielmehr bringt die Krankheit des Vaters ein Familiengeheimnis an die Oberfläche: Es geht um Betrug, um jahrelanges Schweigen. Burkhards Sohn Jonathan muss nicht nur mit all diesen Problemen fertig werden, sondern verliebt sich ausgerechnet in die Pflegerin des Vaters. Am Ende des Films legt sich jemand zu dem sterbenden Burkhard ins Bett. Das ist anrührend und todtraurig zugleich.

André Hennicke denkt wieder an das Ende seiner Mutter. „Sie war eine toughe Frau“, sagt er, „sie hatte nie Depressionen, hatte nie negative Gedanken.“ Er, der einzige Sohn, habe das Gemüt geerbt, schlechte Laune habe er selten. Stolz sei sie gewesen, auf den Schauspielersohn. Das hat ihn überzeugt, weiter zu machen. Er ist kein Sterbehelfer, er ist kein Schriftsteller, er ist Schauspieler. Nur manchmal, wenn ihm etwas besonders Gutes passiert, dann schaut er nach oben und lächelt.