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Brandenburg erklärt offiziell: Chemtrails gibt es hier nicht

Brandenburg erklärt offiziell: Chemtrails gibt es hier nicht

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imago67939022h~e7fef4a0-9364-468b-92f6-2d81f093fb30.jpg Foto: imago/Lindenthaler
Gibt es Chemtrails? Die Landesregierung von Brandenburg hat die Frage ernsthaft beantwortet. Über Anhänger der Theorie schweigt sie.

Potsdam. 

“Die“ sprühen „geheim“ Chemikalien in die Luft, um uns alle zu manipulieren: Es gibt Menschen, die das glauben, und es gibt viele Menschen, die darüber nur den Kopf schütteln: Verschwörungstheorien. Die Landesregierung von Brandenburg hat es sich nach einer Anfrage nicht so einfach gemacht und präsentiert auch einen Beleg, weshalb es keine Chemtrails geben kann.

Die Linken-Abgeordnete Andrea Johlige hatte eine kleine Anfrage zu den Phänomenen am Himmel gestellt. Wenn „Chemmies“, die Anhänger der Chemtrail-Theorie, manche Kondensstreifen sehen, sind das für sie ernsthaft Belege für die planmäßige Vergiftung der Bevölkerung mit Chemikalien aus Flugzeugen.

Von ihrer Theorie werden sie sich wohl auch nicht von der schlüssig wirkenden Antwort des brandenburgischen Innenministeriums abbringen lassen: Die Landesregierung habe „ keine Hinweise über Flugzeugemissionen, die nicht auf die ausschließliche Verbrennung von Kerosin zurückzuführen sind“. Als Beleg dafür führt das Ministerium das Luftgütemessnetz des Landes Brandenburg und die Messnetze anderer Bundesländer oder europäischer Nachbarländer an: „Es finden sich keine Hinweise auf das Ausbringen von technischen Sprühgasen, Nanopartikeln oder sonstiger in diversen lnternetforen erwähnter Substanzen zum Zweck des Geo-Engineerings.“

Somit bestehe auch keine Gefahr durch „zielgerichtete Ausbringung gesundheits- oder umweltschädlicher Substanzen durch Flugzeuge“. Das Ministerium räumt auch ein, dass der Himmel häufiger mit Kondensstreifen und Zirren bedeckt ist – allerdings nicht verwunderlich bei der Zunahme des Flugverkehrs.

Landesregierung ohne Erkenntnisse über Verschwörung

Die Antwort dürfte Johlige nicht überrascht haben. Sie hatte bereits die Reichsbürger-Bewegung mit einer Anfrage vorgeführt. Beim Thema Chemtrail lässt das Land aber viele ihrer Fragen offen. Antworten zur Größe der Szene, Überschneidungen mit der extremen Rechten und zu einer Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung blieb das Land schuldig. Begründung: „Der Landesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über die Chemtrails-Verschwörungstheorie vor.“ Eine Zivilkammer des Berliner Landgerichts hatte aber 2012 entschieden, dass Wettermoderator Jörg Kachelmann die Anhänger der Giftwolken-Theorie ungestraft „Neonazis und Verrückte“ nennen darf.

Jörg Lorenz aus Berlin, Autor des „Chemtrailhandbuchs – Was sich wirklich über unseren Köpfen abspielt“, mag die Größe der Szene nicht schätzen. Der harte aktive Kern, der sich in Foren und Facebook-Gruppen einbringe, sei nicht groß, „da liest man immer wieder die gleichen Namen und auch Mehrfachaccounts“. „Schlimmer ist es bei den stillen Glaubenden – das müssen sehr viele sein.“ Das seien auch oft nicht diejenigen, die man als „Spinner“ bezeichnen würde, darunter seien auch Akademiker, die einen vernünftigen Eindruck machen. „Hier hat man dann die Spannbreite von Leuten, die wirklich höllisch Panik bei Wettererscheinungen haben bis zu Leuten, die nach dem Motto vorgehen: Was soll’s, die Streifen sind halt Chemtrails, können wir eh nicht ändern.“

Verkehrsminister hatten sich geäußert

In der Szene gebe es auch eine neue Strategie, den Begriff aufzuweiten. Statt „Chemtrails“ werde von Geoengineering gesprochen. Und das gibt es auch wirklich: Forschung, ob sich das Wetter kleinräumig oder das Klima im großen Maßstab verändern lässt durch Chemikalien, die in die Atmosphäre eingebracht werden. Die letzte Chemtrail-Demo habe deshalb auch den Namen „March against Geoengineering“ getragen und nicht mehr „gegen Chemtrails“. Schwefelsäure oder Aluminium gegen die Erderwärmung, Silberjodid gegen Hagel – das ist in der Wissenschaft wegen Risiken umstritten oder gilt sogar als Humbug. In China gibt es aber auch ein Amt für Wetterbeeinflussung. Das hatte allerdings 2008 noch keinen Erfolg damit, zur Eröffnung der Olympischen Spiele 2008 den Regen wegzufegen.

Anfragen zu Chemtrails an Politiker gibt es immer wieder, auf der Seite Abgeordnetenwatch findet sich eine lange Liste. Sowohl der amtierende Verkehrsminister Alexander Dobrindt hatte vor seiner Amtszeit auf eine Bürgerfrage geantwortet wie auch sein Vorgänger Peter Ramsauer. Tenor: Behauptungen, dass es Chemtrails gibt, sind völlig unwissenschaftlich.

Doch die Antworten erreichen die „Chemmies“ nicht, stellt Lorenz fest. In deren Weltbild „gehören Regierungen, NGOs und Institutionen alle zum System. Die müssen so antworten.“