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Ägypten-Tourismus – Pionierarbeit im Land der Pharaonen

Ägypten-Tourismus – Pionierarbeit im Land der Pharaonen

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Foto: CF
Barbara Bordiehn (46) ist gebürtige Moerserin. Doch mit ihrem Mann Thomas (55) lebt sie seit 22 Jahren in Hurghada. Gemeinsam bilden sie Servicekräfte für Hotels und Restaurants im Touristenzentrum am Roten Meer aus. Nun, nach der Revolution, sind sie gespannt, wie es weitergeht.

Hurghada. 

„Die Wüste hält vom Schlechten fern“ lautet ein Sprichwort der Beduinen, und es liegt eine Menge Wüste zwischen dem ägyptischen Touristenort Hurghada und Großstädten wie Kairo, Alexandria oder Port Said. Vielleicht ist es so zu erklären, dass Ägypten in den Schlagzeilen gleichbedeutend ist mit dem Chaos der Straßenschlachten und Demonstrationen, während es gleichzeitig am „New Marina Bulevard“ träge und elegant anmutet. Jachten schaukeln im Wind, die Weingläser auf den langen Tischen des Restaurants „B’s at Marina“ funkeln, und natürlich speist man hier auch im März bereits draußen, es sind nahezu 30 Grad.

Muss es mehr Gründe geben, seine Heimat vom nasskalten Niederrhein ans Rote Meer zu verlegen? „Wir waren jung, wir hatten noch keine Kinder, das Abenteuer lockte“, sagt die gebürtige Moerserin Barbara Bordiehn (46), die seit 22 Jahren mit ihrem Mann Thomas (55) in Hurghada lebt. Das Paar aus Deutschland hat Pionierarbeit im Land der Pharaonen geleistet und junge Ägypter für Aufgaben im Tourismus ausgebildet. Nebenher führen sie eines der besten Restaurants der Region.

Die Anweisungen, die Barbara Bordiehn den Kellnern gibt, sind kurz, knapp und freundlich: „More water please, one more glas of wine“. Der Service ist prompt und perfekt, die Servicekräfte ausschließlich männlich. Gelernt haben sie im Bordiehnschen Ausbildungsrestaurant „Villa Kunterbunt“, nun arbeiten sie in einem der Restaurants oder Hotels vor Ort. „Um die 6000 Servicekräfte haben wir in all den Jahren so fit gemacht“, schätzt Barbara Bordiehn. „Die schwirren heute im ganzen Land herum!“

Kamelsteak mit Chilischokoladensoße

Nur Frauen haben sie nicht locken können. Die meisten würden von der Schule weg verheiratet. Dabei haben die deutschen Auswanderer vor Ort schon mit so mancher Tradition gebrochen. Heute gibt es Kamel-Lendensteak mit Chilischokoladensoße. Eigentlich, so wird überliefert, sei Kamelfleisch so zäh, dass man „hundert Jahre braucht, um es zu zerkauen“. Dabei ist es zartrosa und köstlich.

1991, kurz nach dem Golfkrieg, hatte das frisch verheiratete Paar sich aufgemacht. Was für ein Wagnis für die Niederrheinerin, die mal Duisburger Kinderkarnevalsprinzessin war, die in Rheinkamp auf dem Gymnasium Abi gemacht hat, die im Steigenberger in Duisburg Hotelfachfrau gelernt hat. Dort lernte sie ihren Mann kennen, einen renommierten Küchenmeister aus Mannheim, und ging mit ihm in die Wüste.

Viel zu viel Theorie

Viel mehr war Hurghada damals noch nicht. Zunächst waren die Bordiehns im Auftrag der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit unterwegs, sozusagen als Entwicklungshelfer für den ägyptischen Tourismus. Doch bald machten die Bordiehns ihr eigenes Ding, unabhängig von deutschen „Vorgaben mit viel zu viel Theorie“: „Wir hatte es hier mit Wüstenjungs zu tun, die oft kaum lesen oder schreiben konnten. Das geht nur über die Praxis!“.

Hilfe bekamen sie von ägyptischen Hoteliers, die das Potenzial Hurghadas erkannten. Es ist nicht zuletzt den Bordiehns zu verdanken, dass heutzutage viel weniger Rote-Meer-Urlauber mangels Küchenhygiene Kontakt mit „Pharaos Rache“ – sprich Durchfallerkrankungen – machen.

Als Lehrer muss man Kompromisse schließen. Es dauerte, bis die einheimischen Mitarbeiter akzeptierten, dass guter Service nichts mit Sklavenarbeit zu tun habe: „Das merken sie dann, wenn sie plötzlich mehr verdienen als ein einheimischer Arzt“. Wenn man 30 Weine im Angebot habe, muss man verlangen, dass die Bedienung weiß, welche Unterschiede es gebe, sagt Barbara Bordiehn. Also müssen sie die unterschiedlichen Sorten kosten, können aber natürlich als Muslime den Wein wieder ausspucken.

Unsicherheit hat Einzug gehalten 

Doch die kulturellen Hürden seien nichts im Vergleich zur Unsicherheit, die Einzug gehalten hat nach dem Arabischen Frühling 2011, der zum Sturz des Diktators Hosni Mubarak führte. Die Revolution in Hurghada hat Thomas Bordiehn auf seiner Webseite festgehalten: Zwei Autos fahren mit ägyptischen Flaggen die Hauptstraße entlang. Viel mehr war auch nicht. Trotzdem blieben wegen der Reisewarnungen zunächst mal vier Monate lang die meisten Gäste weg, fatal für eine Stadt, deren Menschen zu 95 Prozent vom Tourismus leben.

Nun sind 85 Prozent der Urlauber wieder da, das Ostergeschäft verspricht gut zu werden, aber stabil ist die wirtschaftliche Lage noch lange nicht. „Es wäre schön, wenn wir endlich wüssten, wie es weitergeht“, sagt Barbara Bordiehn mit Hinblick auf die Wahlen, die Ende April beginnen sollen. „Kommen die Islamisten? Gibt es einen Militärputsch? Im Moment bewegt sich hier ja nichts!“ Bis jetzt haben die meisten Hoteliers in der Umgebung keine Leute entlassen, Anbieter wie der Duisburger Reiseveranstalter Alltours haben ihre Bettenzahl sogar aufgestockt.

Altertümer, tolle Landschaft und viel Meer

Sie bauen auf Ägyptens Reichtum an Altertümern, toller Landschaft und Meer, der im Widerspruch steht zur Armut im Lande, zu chaotischen politischen und wirtschaftlichen Zuständen. Auch in Hurghada ist der Investitionsstau allgegenwärtig. Handwerker sitzen an den Straßen und warten auf Aufträge, alle hundert Meter steht eine Bauruine aus der Mubarak-Ära, für die korrupte Geschäftsleute sich Fördergelder in die eigene Tasche steckten.

Der gestürzte Staatspräsident Hosni Mubarak, der das Land 30 Jahre mit harter Hand regierte, war auch bei den Bordiehns zu Gast. „Da hat er gesessen und drei starke Espresso getrunken. Und ich hatte Angst, dass er ausgerechnet hier einen Herzfinfarkt bekommt“, sagt Barbara Bordiehn. Ein Foto Mubaraks wurde im Gastraum aufgehängt. Nach der Revolution nahm sie das Bild von Mubarak wieder ab und schrieb in drei Sprachen an die Wand: „Hier ist der Platz, an dem das Bild von Mubarak hing.“ Diese Stelle wurde die meist-fotografierte.

Der regierende Moslembruder Mohammed Mursi würde sich bei den Bordiehns „nicht wohlfühlen“, glaubt die Gastgeberin. Den Islamisten hält sie für einen „Wolf im Schafsfell“, darin seien sie sich mit ihren ägyptischen Freunden einig. „Der hat sich bei der Kanzlerin Merkel in Berlin auch nicht wohl gefühlt. Und seine Frau habe ich noch nie in der Öffentlichkeit gesehen!“.

Und doch – in 22 Jahren ist Ägypten zur Heimat der Bordiehns geworden, hier haben sie ihre beiden Kinder großgezogen, die jetzt in London studieren, hier haben sie eine Aufgabe, ihre Freunde, eine Kirchengemeinde, es gibt sogar einen klassischen Chor. Wenn überhaupt, dann hat die musikalische Barbara Bordiehn anfangs ihr Klavier vermisst. Einen Container mit persönlichen Sachen, den sie sich haben nachschicken lassen, haben sie bisher nicht mal ausgepackt. (Infos: www.bordiehn.com)