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Konkurrenz der Ketten – Die Krise der Traditions-Cafés

Konkurrenz der Ketten – Die Krise der Traditions-Cafés

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Café Overbeck auf der Kettwiger Straße Foto: Joachim Kleine-Büning / Funke Foto Services
Nach Weihnachten schließt die Essener Institution Café Overbeck. Die großen Ketten machen den Konditorei-Familienbetrieben schwer zu schaffen.

Essen. 

Leckere Kuchen und Torten stehen hinter einer Glasscheibe, sie sind mit Obst belegt oder mit Marzipan und Sahnehaube überzogen. Drei ältere Paare haben sich bereits für das passende Stück entschieden und sitzen nun bei einer Tasse Kaffee im Konditorei-Café Kötter an der Rüttenscheider Straße in Essen. Es ist 14.30 Uhr an einem Freitag. Viel ist nicht los. „Reich wird man mit einem Konditorei-Café nicht. Ich liebe meinen Beruf, aber nicht jeder hat diese ideelle Einstellung“, erklärt Susanne Kötter. Ihre Eltern eröffneten das Café 1959.

Klassische Familien-Konditoreien haben es nicht leicht. Die Ketten der industriell belieferten Großkonkurrenz werden immer länger. Dass Tradition nicht vor Pleiten schützt, wird dieser Tage im Herzen der Stadt sichtbar: Das Café Overbeck, die bekannteste Essener Konditorei-Adresse, verkauft vor Weihnachten seine letzten Torten. Zum Jahresende schließt diese Institution des Konditor-Handwerks.

Jede Stadt hat ihr Traditions-Café, aber auch immer mehr Filialen der großen Ketten wie Starbucks, Extrablatt und Co.. „Die Amerikanisierung merken wir auch. Teilweise kommen Besucher in Cafés und bestellen an der Theke“, sagt Gerhard Schenk, Präsident des Deutschen Konditorenbundes. Der Servicegedanke breche weg. Gerade deshalb blieben die „Oma-Cafés“ aber die einzige Alternative zu Starbucks & Co..

Konditoren haben Nachwuchssorgen

„Wir können uns mit Ketten wie Starbucks nicht messen, es steckt mehr Kapital dahinter und die Filialen haben oft die bessere Lage“, sagt Anja Dobbelstein. Sie betreibt das Café Dobbelstein mit drei Filialen in Duisburg. Die Ketten benötigten weniger Platz, weil sie ihre Waren nicht frisch backen. Und die gesparten Quadratmeter schlagen sich in der Miete nieder.

Der Abwärtstrend von Konditorei-Cafés zeichnet sich nicht nur im Ruhrgebiet ab, sagt Schenk. „In den letzten Jahren gibt es immer weniger mittelständische Betriebe im Lebensmittelhandwerk“, erklärt Verbands-Chef Schenk. Dabei sei auch das Nachfolgeproblem nicht außer Acht zu lassen. Es sei nicht einfach, für ein Café einen Käufer zu finden, der über die nötigen Mittel verfüge.

Zurzeit gibt es etwa 2900 Konditoreien in Deutschland, 581 davon in NRW. Die Zahl sank stetig seit 1998. Damals waren es noch 813. Auch der Umsatz der NRW-Konditoreien sinkt – auf zuletzt noch 358 Millionen Euro (2013).

Traditionelle Cafés verschwinden aus dem Stadtbild

„Unter der Woche ist der Großteil unsere Besucher im Rentenalter. Am Wochenende haben wir auch viele junge Familien, die bei uns einen Kaffee trinken“, sagt Susanne Kötter. Einerseits, weil viele unter der Woche arbeiten müssen. Auf der anderen Seite könne es sich nicht jeder leisten, fünf bis sieben Euro pro Tag für Kuchen auszugeben. Auch Anja Dobbelstein bestätigt das. Sie und ihre Schwester haben das Café in fünfter Generation übernommen. Dort sitzen bei gutem Wetter viele junge Menschen während ihrer Mittagspause. Denn es reiche längst nicht mehr, nur Kaffee und Kuchen anzubieten. „Wir müssen auch einen kleinen Mittagstisch bereitstellen. Damit machen wir fast die Hälfte unseres Umsatzes.“

Traditionelle Konditorei-Cafés verschwinden langsam aus dem Stadtbild, doch zuweilen eröffnen auch neue. Das Café Wiaker aus Herne hat es geschafft: Es eröffnete in diesem Jahr eine neue Filiale im Bochumer Modehaus Baltz. Die Besucher standen Schlange. Wiacker-Filialen gibt es auch in Gartencentern von Blumen Risse.

Konditoreien überleben, wenn sie Nischen finden, neue Wege gehen – und natürlich, indem sie sich mit ihrer Qualität von den Ketten absetzen. Anja Dobbelstein weiß das: „Wenn wir uns halten wollen, müssen wir mit der Zeit gehen.“