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Studenten sollen auch am Samstag in die Uni

Studenten sollen samstags und abends in die Uni

Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen wollen ihre Stundenpläne erheblich ausweiten und zum Teil neue Lernzeiten einführen. Studiert werden könnte dann auch samstags und spät abends. Grund ist die erwartete Studentenschwemme ab 2013.

Essen. 

Dienstag, Mittwoch und Donnerstag sind klas­sische Studiertage. Dann gibt es an den Unis die meisten Veranstaltungen, bevorzugt zwischen 10 und 18 Uhr. Davor und danach sind die Räume vergleichsweise leer, samstags geht keiner zur Uni. Noch.

Denn in zwei Jahren dürfte es an den Hochschulen so eng werden, dass jede Sitzreihe ­jederzeit gefüllt werden könnte. Neue Dozenten werden ­benötigt, wenn die Studentenschwemme kommt, und natürlich jeder freie Stuhl und jeder Raum. Das Geld, das die Hochschulen für die zusätz­lichen Studenten bekommen, stammt aus dem sogenannten Hochschulpakt. Doch Experten sind sich sicher: Erstens ist viel zu wenig Geld in diesem Topf, und zweitens werden diese knappen Mittel in den seltensten Fällen in den Bau neuer Uni-Gebäude fließen.

Rüge vom Landesrechnungshof

Ein Ausweg sind neue Stundenpläne. Die Ruhr-Uni Bochum denkt über neue Uhrzeiten nach und setzt zudem verstärkt auf das „E-Learning“, das Studieren am PC zu Hause. „Selbstverständlich werden wir flexibel sein, erst recht ab 2013“. sagt Uni-Sprecher Josef König. Früh morgens, spät abends, auch an Samstagen sei Lehre denkbar. Die Bochumer wollen auch zusätz­liche Gebäude anmieten, um des Ansturms Herr zu werden. Aus der TU Dortmund heißt es: „Wir werden unser Hörsaalmanagement weiter optimieren, insbesondere sollen auch Randzeiten, an Abenden etwa, für den Lehrbetrieb genutzt werden. Veranstaltungen an Samstagen sind derzeit nicht geplant.“

Die Uni Duisburg-Essen ­bietet ihren Lehramtsstudenten schon ab dem Wintersemester 2011/12 ein „Zeitfenstermodell“ an. „Studiert wird dann montags bis freitags zwischen acht und 20 Uhr“, sagt Hochschul-Entwicklungsplanerin Carina Dickschus. Das Modell funktioniere schon an Unis in Hamburg, Würzburg und Mainz. Erdacht hat es ein Hamburger Mathe-Professor. Die Vorteile: Lehramtsstudenten können weitgehend „überschneidungsfrei“ verschie­dene Fächer studieren und Raumnot wird vermieden.

Dass an den Unis gerade montags und freitags so wenig los ist, hatte kürzlich der Landesrechnungshof beanstandet. Angesichts des zu erwartenden Ansturms auf die Hochschulen müsse die Lehre anders organisiert werden.

Kein Dach überm Kopf

Auch Christian Berthold vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hält es für „sehr wahrscheinlich“, dass die Hochschulen künftig zu ungewöhnlichen Zeiten lehren werden. Das löse aber nur einen kleinen Teil der Probleme, die sich ankündigen. Berthold glaubt: „Der Hochschulpakt muss nachgebessert werden!“ Das CHE sagt voraus, dass sich zwischen 2011 und 2015 nicht, wie im Hochschulpakt berechnet, 325 000 zusätzliche Studenten an den deutschen Hochschulen einschreiben werden, sondern 500 000. Mögliche Folge: Überall noch mehr Zulassungshürden (NC). In Berlin und Baden-Württemberg seien heute schon 70 bis 80 Prozent der Studiengänge zulassungsbeschränkt, so Berthold.

Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, hält den aktuellen Hochschulpakt des ­Bundes und der Länder gar für eine rein symbolische Maßnahme. „Die Politik hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Die Summen, die zugesagt wurden, entsprechen nicht der Realität“, sagte Kempen dieser Zeitung. Gegen flexible Arbeitszeiten, auch abends und samstags, hat der Verband der Wissenschaftler im Prinzip keine Einwände. Aber, so Kempen: „Wer soll denn dann lehren? Die Unis sind doch heute schon mit Personal völlig unterversorgt, auf einen Professor kommen 60 Studierende. Damit liegen wir international hinterm Mond.“

Das Deutsche Studentenwerk erinnert daran, dass Akademiker nicht nur lernen, sondern auch wohnen und essen müssen. „Wenn der Studentenberg kommt, muss nicht nur in Studienplätze, sondern dringend auch in die soziale Infrastruktur investiert werden. Studierende brauchen ein Dach über dem Kopf und gastronomische Angebote. Der Hochschulpakt berücksichtigt das nicht“, warnt Achim ­Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Studentenwerks.

Den Siegener Asta-Vorsitzenden Julian Hopmann graust es schon, wenn er an die Zeit ab 2013 an den Unis denkt. „Besser wird es wohl nicht. Schon heute sind die ­Seminare überfüllt. Viele können die Regelstudienzeit nicht einhalten.“ Die Uni Siegen nutze schon längst die Werktage voll aus und biete Veranstaltungen am späten Abend an. Doch neue Stundenpläne lösten nicht alle Probleme.