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Mädchen mit Voodoo zur Prostitution gezwungen

Mädchen mit Voodoo zur Prostitution gezwungen

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Foto: ddp

Frankfurt/Herne. 

Weil sie Mädchen zur Prostitution gezwungen haben soll, muss sich eine Nigerianerin vor dem Frankfurter Landgericht verantworten: Laut Anklage lockte sie die Mädchen aus Nigeria her und ließ sie in Bordellen für sie anschaffen. Zu fliehen trauten sich ihre Opfer nicht – aus Angst vor einem Voodoo-Fluch.

Tracy war etwa 17 Jahre alt, als ihr eine ältere Frau in ihrer nigerianischen Heimatstadt Lagos eine rosige Zukunft in Deutschland versprach. Um Transport und Verpflegung werde sie sich kümmern, Tracy müsse zuvor nur vor einem Voodoo-Priester schwören, sich an alle Forderungen zu halten. Wenige Tage nach dem Ritual erfuhr das Mädchen, dass sie in Deutschland als Prostituierte arbeiten sollte. Ein Zurück gab es für sie da aber nicht mehr. Zu groß war ihre Angst, den Voodoo-Schwur zu brechen. Die Strippenzieherin des Ganzen muss sich seit Mittwoch vor dem Frankfurter Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft der aus Nigeria stammenden Queen Boye G. Menschenhandel und ausbeuterische Zuhälterei vor.

Tracy bekam hohe Stiefel, Unterwäsche und lernte einige Vokabeln

Neben Tracy soll die im westfälischen Herne lebende 32-Jährige mindestens drei weitere junge Frauen mit großen Versprechungen nach Deutschland gelockt haben. Laut Anklage wurden sie allesamt in Nigeria mit einem Voodoo-Ritual gefügig gemacht, mit falschen Papieren nach Düsseldorf geschleust und schließlich zur Prostitution gezwungen. G., die selbst eine Vergangenheit als Prostituierte hat, gab ihnen hohe Stiefel und Unterwäsche und brachte ihnen die wichtigsten Vokabeln für ihre Arbeit in Bordellen bei.

Die Einnahmen der Mädchen kassierte die Frau, die sich auch «Charity» nannte. Von drei ihrer Opfer bekam sie zwischen 2006 und 2009 insgesamt rund 113 000 Euro. Die von der vierten jungen Frau eingeforderten 65 000 Euro konnte sie wegen ihrer Verhaftung im September vergangenen Jahres nicht mehr entgegennehmen. Die jungen Afrikanerinnen arbeiteten in verschiedenen Bordellen deutschlandweit, unter anderem in Frankfurt, Wiesbaden, Karlsruhe, Göttingen und Hamburg.

Die Mutter der Angeklagten lockte weitere Mädchen an

Eine wichtige Rolle in dem Geschäft nahm die in Nigeria lebende Mutter der Angeklagten ein. «Patience» hatte die Aufgabe, Mädchen anzusprechen, ihnen zu schmeicheln und von einem schönen Leben in Deutschland vorzuschwärmen. Stimmten die jungen Frauen einer Reise nach Europa zu, mussten sie sich dem Voodoo-Ritual unterziehen und vor einem Priester schwören, für alle entstehenden Kosten aufzukommen, nicht wegzulaufen und allen Anweisungen zu folgen. Falls sie nicht gehorchten, drohe ihnen der Tod.

Eine mit den vier Fällen betraute Ermittlerin des Bundeskriminalamts (BKA) erklärte vor Gericht, wie bedeutsam in Nigeria der Glaube an Voodoo-Zauber sei. Die Priester stellten sich kleine Päckchen aus Fingernägeln, Haaren, Schamhaaren oder Unterwäsche ihrer Anhänger zusammen. «Wer diese Päckchen besitzt, hat eine unglaubliche Macht und kann immer wieder neue Flüche heraufbeschwören», sagte die Kriminalbeamtin. Tracy, die im August vergangenen Jahres in einem Bordell aufgegriffen wurde, habe noch heute Angst vor den Flüchen.

Musste auch die Angeklagte einen Voodoo-Schwur leisten?

Die Angeklagte erzählte unter Tränen ihre Version der Geschichte. Sie habe vor etwa sieben Jahren einen Weg gesucht, Nigeria zu verlassen. Hilfe angeboten habe ihr ein Mann namens «Ernest», der ihr gefälschte Papiere beschaffte und den Flug nach Europa zahlte. Dafür habe er verlangt, dass sie für den Zeitraum von fünf Jahren junge Frauen aus Nigeria nach Deutschland hole und sie als Prostituierte für sich arbeiten lasse, schilderte G. Auch sie habe zuvor in einem Voodoo-Ritual schwören müssen, sich an die Abmachungen zu halten. «Sonst hätte ich sterben müssen.»

Pro Frau habe sie monatlich mindestens 2000 Euro an «Ernest» zahlen müssen, schilderte die Angeklagte. Für sie selbst sei nichts übrig geblieben. Den Ermittlungen des BKA zufolge entspricht diese Aussage nicht der Wahrheit: Als Tracy ihre 58 000 Euro Schulden längst abbezahlt hatte, habe sie G. erklärt, nicht mehr länger für sie arbeiten zu wollen. Diese habe daraufhin nur milde gelächelt, das Mädchen dann aber beschimpft und mit einem Fluch gedroht. Tracy machte weiter.

«Das alles zeigt, wie streng, wie geldgierig die Beschuldigte war», sagte die Polizistin. «Tracy sollte rund um die Uhr arbeiten.» G. habe dem Mädchen befohlen, mit jedem Mann zu schlafen und dabei immer ein freundliches Gesicht zu machen. Von ihrem erarbeiteten Geld habe sie nichts behalten dürfen, lediglich ein paar Euro für Essen und Trinken standen ihr zur Verfügung, schilderte die Ermittlerin.In dem Prozess sind noch zwei weitere Verhandlungstage anberaumt. Ein Urteil soll Mitte Februar fallen. (ddp)