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Türkischer Eheratgeber empfiehlt, Frauen zu schlagen

Türkischer Eheratgeber empfiehlt, Frauen zu schlagen

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Dieser Eheratgeber mit frauenverachtenden Empfehlungen wird in einer Stadt an frischverheiratete Paare verteilt: Fatma Kaplan Hürriyet empörte sich im Parlament. Foto: Screenshot FMG
Er empfiehlt Schläge für Frauen, warnt vor Reden beim Sex und wird an Paare verschenkt: Ein Eheratgeber macht viele Türken fassungslos.

Ankara. 

Viele Türken schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. Eine 200.000 Einwohner-Stadt verschenkt einen Eheratgeber, der wie Satire oder aus einem anderen Jahrhundert wirkt. Das Geschenk für Frischverheiratete erklärt die Frau mehr oder weniger zum Sklaven des Mannes.

Absurd aber fast noch harmlos wirkt eine Warnung unter Berufung auf den Propheten: Wenn das Paar beim Sex spricht, wird das Kind stottern. Andere Ratschläge zeigen, dass der Autor wenig Achtung vor Frauen hat: Männer sollen sich nicht von zickigen Frauen trennen. Das würde ja andere Männer der Gefahr dieser Frauen auszusetzen. Sie sollen lieber eine zweite Frau heiraten, die der ersten richtiges Verhalten beibringt. Um ungehorsame Frauen zu bändigen, empfiehlt das Buch aber auch Schläge: „Manchmal sind ein, zwei Schläge hilfreich, das wirkt wie Medizin.“

32-jährige Abgeordnete empörte sich

Bräute in Kütaya bekommen mit dem Buch „Evlilik ve Aile Hayatı“ („Ehe und Familienleben“) auch die Empfehlung, dass sie doch gefälligst nicht arbeiten sollen. Das alles war zu viel für Fatma Kaplan Hürriyet. Die Juristin, 32 Jahre alt, offenes, langes Haar, sitzt seit dem vergangenen Jahr im türkischen Parlament und hat den Skandalratgeber dort zum Thema gemacht. Sie gehört der oppositionellen CHP an, der von Kemal Atatürk gegründeten ältesten türkischen Partei. Atatürk hat in der Türkei in den 20-er- und 30-er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Gleichberechtigung und Frauenwahlrecht gebracht.

Solche Errungenschaften sehen viele der Oppositionspolitiker in der Türkei in Gefahr, weil die AKP von Recep Tayyip Erdoğan das Land islamisiere. Die Verteilung des Buches durch den AKP-Bürgermeister in der Stadt Kütaya ist für die Abgeordnete ein Alarmsignal, wohin die Politik führt.

Deutsche Türken gehen auf Distanz

Einige Türken in Deutschland verbreiten den ersten Artikel von „Spiegel Online“ zu dem Thema, um sich zu distanzieren. „Das ist nicht türkisch ,sondern eine AKP-Broschüre“, schreibt ein Mann auf Facebook. Eine türkische Frau schreibt: „Vielleicht sollte man doch einige Frauen schlagen, um das Aufwachen zu beschleunigen.“ Eine andere schreibt: „Herzlichen Glückwunsch, AKP-Wähler. Wir haben den Titel ,Idioten des Jahrhunderts´so gut wie in der Tasche.“

Das Buch ist aus der Feder eines früheren Mitarbeiters des Religionsministeriums, wie türkische Medien berichten. Vom Verlag wird das 396 Seiten starke und 25 türkische Lira (etwa 8 Euro) teure Buch weiterhin als schönes Hochzeitsgeschenk empfohlen. Es stammt bereits aus dem Jahr 2000 und ist nach Angaben türkischer Medien bisher wenig beachtet worden.