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Magdalena Neuner wird wohl nicht wieder zurückkommen

Magdalena Neuner wird wohl nicht zurückkommen

Bernhard Kröll, Trainer von Magdalena Neuner, glaubt vor deren Abschluss-Weltmeisterschaft nicht an ein späteres Comeback von ihr. Im DerWesten-Interview verrät er außerdem, warum er Vergleiche mit der im Moment weltbesten Biathletin für unfair hält.

Ruhpolding. 

Er ist einer der erfolgreichsten Biathlon-Trainer der Welt, aber sein Name ist nur den Experten ein Begriff. Bernhard Kröll leitet den Stützpunkt im Werdenfelser Land und hat Magdalena Neuner zu zwei Olympiasiegen und zehn Weltmeister-Titeln, Miriam Gössner zur olympischen Silbermedaille und zum WM-Gold geführt. Kröll legt als Heimtrainer die Grundlage, den Feinschliff machen die Bundestrainer. Für Magdalena Neuner ist er Trainer und Vertrauter. Vor der WM spricht er über Neuners besondere Qualitäten, über deren kleine Schwester Anna, die er ebenfalls zu einer erfolgreichen Sportlerin machen will, und über seine Frau, die für ihn beim Zahnarzt eine außergewöhnlich begabte Biathletin entdeckt hat.

Herr Kröll, erinnern Sie sich noch an die erste Begegnung mit Magdalena?

Bernhard Kröll: Wann ich Magdalena genau das erste Mal gesehen habe, ist schwer zu sagen. Aber ich erinnere mich gut, wie ich sie dann richtig kennen gelernt habe. Das ist auch schon 14 Jahre her, sie war elf. Die ersten Male ist sie von ihren Eltern zum Training gebracht worden. Dann sind wir jahrelang zusammen gefahren. Ich komme aus Krün, Magdalena aus Wallgau. Da liegt nur ein Kilometer dazwischen.

Wann haben Sie bemerkt, die hat etwas, was die anderen nicht haben?

Kröll: Mit 14 habe ich gesehen, dass sie unheimlich talentiert für das Laufen ist, dass sie ein ganz stark ausgeprägtes Gefühl für den Ski hat. Und die Magdalena konnte sich schon in jungen Jahren total auspowern. Sie hat sich bis zur vollständigen Erschöpfung quälen können.

Wenn Sie jetzt an die WM denken, haben Sie dann nicht neben der Vorfreude auf die Titelkämpfe auch Wehmut, dass die Magdalena bald aufhört?

Kröll: Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich empfinde keine Wehmut. Schließlich beendet die beste Sportlerin meiner Trainingsgruppe ihre Karriere. Ich respektiere ihre Entscheidung voll und ganz. Ich sehe es aus verschiedenen Blickwinkeln. Aus menschlicher Sicht ist es nachvollziehbar, dass sie jetzt etwas anderes mit ihrem Leben anfangen will. Sportlich ist ihr Rücktritt ein großer Verlust. Nicht nur für das deutsche Team, sondern für den gesamten Biathlon-Zirkus.

Haben Sie versucht, Magdalena umzustimmen?

Kröll: Nein. Ich kenne die Magdalena so lange, dass ich weiß, Überreden macht bei ihr keinen Sinn. Sie hat sich den Entschluss lange überlegt.

Haben Sie die Entscheidung kommen sehen oder waren Sie geschockt?

Kröll: Geschockt würde ich es nicht nennen, weil sie mir frühzeitig gesagt hat, sie überlege, wie lange sie noch weiter Biathlon machen wolle. Sie ist trotz ihres jungen Alters in der günstigen Situation, alles erreicht zu haben, was es im Biathlon zu gewinnen gibt. Magdalena hat immer gesagt, der Sport sei nicht alles für sie im Leben. Es gibt noch so viele Dinge, die sie machen will.

Erleben wir im Moment die beste Magdalena Neuner?

Kröll: Ja sicher. Einen so starken Saisonverlauf hat sie noch nie gehabt. Seit ihrer früh veröffentlichten Entscheidung zum Rücktritt läuft sie wie befreit auf. Jetzt muss sie nur noch bei der WM ihre Leistung abrufen. Aber das wird sie schon schaffen.

Eigentlich kann man von ihr nur Titel erwarten. Ist das schon wieder zu viel Druck?

Kröll: Nein. Das ist nicht neu für sie. Von einer Magdalena Neuner erwartet man schon seit einiger Zeit Siege. Und es ist kein Geheimnis, dass sie selbst Weltmeisterin im eigenen Land werden will. Aber die Konkurrenz ist groß.

Halten Sie ein Comeback für möglich? Vielleicht, wenn sie geheiratet hat und sich ihren Kinderwunsch erfüllt hat?

Kröll: Das kann ich mir absolut nicht vorstellen. Das wäre völlig untypisch für Magdalena. Was sie entscheidet, hat sie sich gründlich überlegt. Dann gibt es kein Zurück. Und wenn sie irgendwann Mutter wird, startet sie bestimmt kein Comeback, weil sie sich um ihr Kind kümmern wird.

Wenn es schon kein Comeback von Magdalena Neuner geben wird, könnte denn eine neue Neuner in die Fußstapfen treten? Sie trainieren ja auch Magdalenas 18-jährige Schwester Anna. Zu was ist sie fähig?

Kröll: Zunächst mal: Magdalena Neuner ist eine Ausnahme-Biathletin. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Deshalb halte ich nichts von solchen Vergleichen. Mich hat schon früher gestört, wenn Magdalena als neue Uschi Disl bezeichnet wurde. Anna Neuner trainiert bei mir. Sie ist ehrgeizig, sie ist fleißig. Wie weit sie kommen kann, wird man sehen. Anna ist begabt, aber für jedes Talent ist es schwer, in Magdalenas Fußstapfen zu treten.

Vielleicht kommen Sie auch durch Ihre Frau an ein neues Talent. Das hat schon einmal sehr gut geklappt.

Kröll: Sie meinen die Geschichte mit Miriam Gössner. Meine Frau, damals noch meine Freundin, arbeitet bei einem Zahnarzt. Die Miri war damals alpine Rennläuferin und hatte sich beim Slalomtraining einen Zahn ausgeschlagen. Bei der Behandlung hat meine Frau zu ihr gesagt, Mädel, es wäre besser, wenn du einen weniger gefährlichen Sport wählen würdest. Mein Freund ist Biathlon-Trainer. Dann hat sich Miri unser Training mal angeschaut und ist dabei geblieben.

Inzwischen hat sie nicht nur Olympia-Silber 2010 mit der Langlauf-Staffel gewonnen, sondern zählte auch 2011 zum deutschen Biathlon-Weltmeister-Quartett. In dieser Saison hatte sie einige Schwierigkeiten mit dem Schießen. Was trauen Sie Miriam Gössner bei der WM in Ruhpolding zu?

Kröll: Die Erwartungen von außen und auch von ihr selbst waren ein wenig zu hoch. Damit hatte sie Probleme. Zuletzt hat sie sich gefangen. Wenn sie einen guten Tag erwischt, kann Miri bei der WM um eine Medaille kämpfen.

Gibt es weitere Talente in ihrer Gruppe?

Kröll: Matthias Bischl hat mit Magdalena schon zweimal den City-Biathlon in Garmisch-Partenkirchen gewonnen und ist zuletzt Staffel-Europameister geworden. Nadine Horchler hat schon einige Weltcup-Einsätze gehabt und für die Zeit nach Olympia 2014 in Sotschi haben wir mit Laura Dahlmeier ein großes Talent.

Bleibt Magdalena Neuner Ihrer Gruppe erhalten, weil sie ohnehin abtrainieren muss? Zuletzt gab es sogar Meldungen, Magdalena könnte Ihnen assistieren.

Kröll: Magdalena kann jederzeit bei uns trainieren. Sie ist ohnehin nicht der Typ, der sagt, so ab jetzt mache ich keinen Sport mehr. Sie hat bereits ihre Trainer-C-Lizenz erworben. Aber es ist nicht so, dass sie ab Mai bei uns als Jugendtrainerin anfangen wird. Vielleicht später. Für unseren Nachwuchs wäre es eine Supersache. Magdalena und ich, wir werden uns mit Sicherheit weiterhin regelmäßig sehen. Wir kennen uns so lange und wir wohnen ja auch nah beieinander.