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Prozess um Leiche ohne Kopf – Angeklagter schildert Streit

Prozess um Leiche ohne Kopf – Angeklagter schildert Streit

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Vladimir K. soll seine Ehefrau getötet haben. Deshalb muss sich der 49-Jährige seit Dienstag vor dem Landgericht Münster verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die Leiche seiner Frau zerstückelt und versteckt zu haben. Bis heute sind nicht alle Teile des Torsos gefunden worden.

Münster. 

Vladimir K. (49) wird vorgeworfen, seine Frau Anna (58) am Abend des 21. April 2012 in Freckenhorst mit mehreren Messerstichen in Herz, Lunge und in den Hals getötet zu haben. Anschließend trennte er Kopf und Gliedmaßnahmen vom Rumpf der Toten ab und entsorgte die Einzelteile der Leiche – verpackt in eine blau-grün karierte Sporttasche, einen blauen Reisekoffer und mehrere gelbe Müllsäcke – in der Bauerschaft Überwasser, einem kleinen Örtchen zwischen Ostbevern und Münster. So steht es sinngemäß in der Anklageschrift, die Staatsanwältin Bettina Werner gestern bei der Prozesseröffnung vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster verlas.

Vladimir K., der sein Gesicht zu Beginn des Prozesses vor dem Blitzlichtgewitter der Fotografen durch die Kapuze eines Parkas schützte, war nicht bereit, direkt vor Gericht zu diesem Tatvorwurf auszusagen. Der Angeklagte verwies über seinen Verteidiger Andreas Tinkl darauf, dass Dr. Norbert Leygrafe, Sachverständiger von der Uni Essen, stattdessen die Aussagen wiedergeben soll, die er als Proband bei der Exploration gemacht hat.

In der Schule gehört Vladimir zu den guten Schülern und macht Abitur

Danach erblickte Vladimir K. am 2. April 1963 als zweites Kind einer Putzfrau und eines Lokführers im Südural das Licht der Welt. Seine Kindheit verläuft unbeschwert – bis auf den übermäßigen Alkoholkonsum seines Vaters und die folgenden Wutausbrüche, die er dann an seiner Frau auslässt.

Mit fünf Jahren stürzt Vladimir in eine tiefe Grube. Weil er anschließend von einer Heilerin nur mit Wasser und Kerzenlicht behandelt wird, bleibt sein linkes Auge fast blind, er schielt und stottert etwas. In der Schule gehört Vladimir trotzdem zu den guten Schülern, macht das russische Abitur, beginnt mit dem Studium der Landwirtschaft. Weil er Mitstudenten bestiehlt und „zuviel säuft“, muss er die Uni verlassen. Er geht zum Militär, wird dort gedrillt und hat seit dem – nach eigenen Aussagen – Erektionsprobleme.

Im April 1995 zieht Vladimir mit seiner Frau nach Deutschland

Darum ist es ihm auch ganz angenehm, dass die Frau Anna, die er 1988 kennenlernt, zehn Jahre älter ist als er selbst: „Ältere Frauen sind nicht so fordernd.“ 1989 heiraten die Geschichtslehrerin und Vladimir, der mal als Militärwissenschaftler, als Erdkundelehrer oder auch als Lkw-Fahrer arbeitet. Weil das Ehepaar in Russland der Perestroika nicht richtig „auf die Beine kommt“, zieht es im April 1995 nach Deutschland. Hier wohnen die Eltern von Anna in Warendorf. Vladimir und Anna finden Arbeit in einer nahen Molkerei.

Wegen immer wieder auftretender Alkoholprobleme verliert Vladimir 2002 seinen Job. Von jetzt an verdient Anna allein das Geld. Vladimir handelt über das Internet mit Orden und Antiquitäten, putzt, kocht und wäscht: „Aber ich war immer noch der Chef.“ Der zunehmende Alkoholmissbrauch ihres Mannes geht Anna auf die Nerven.

Extasy geschluckt, um die Autofahrt nach Russland zu überstehen

Vladimir wird von Langeweile gequält. Er will zurück nach Russland. Zwei Mal im Jahr besucht er seine Freunde für mindestens drei Monate in der alten Heimat. Um die weiten Reisen mit dem Auto zu überstehen, schluckt er haufenweise Extasy und Amphetamine: „Da bleibst du ohne Schwierigkeiten 48 Stunden wach.“

Im Dezember 2010 lernt der 49-Jährige über das Internet eine Frau in Russland kennen. Im Januar 2011 besucht er sie. Es kommt zu „sexuellen Kontakten“. Im Februar 2011 erfährt Anna von der Affäre. Sie stellt Vladimir zur Rede. Der reist mit 30.000 Euro, die er aus „Annas Sparschachtel“ nimmt, nach Russland. Hier kauft er für sich und seine „neue Frau“ von dem Geld eine Eigentumswohnung. Anna willigt in diesen Kauf ein.

Die neue Frau setzt ihn auf die Straße, die alte will ihn nicht zurück 

Im März 2012 setzt die „neue Frau“ Vladimir auf die Straße. Er fährt mit dem Auto zurück zu Anna nach Freckenhorst. Doch Anna kann mit dem „versoffenen, impotenten Mann“ nichts mehr anfangen. Vladimir trinkt inzwischen eine Flasche Likör oder Wodka am Tag. Sie schmeißt den Säufer raus. Der fährt – wieder mit Amphetamin und Extasy im Blut – am 19. April 2012 nach Russland. „Weil mit dem Auto was nicht stimmt“, wird er an der Grenze abgewiesen.

Also schmeißt Vladimir noch einmal Amphetamine und Extasy ein und fährt 40 Stunden lang zurück zu Anna. In Freckenhorst angekommen, trinkt er eine Flasche Likör. Angewidert verlässt Anna wortlos die Wohnung. Sie geht zu ihrer Schwester. „Hätte sie das nicht getan, würde sie heute noch leben“, meint Vladimir rückblickend.

Vladimir wacht auf, als Anna mit ihm schimpft

Weil Anna gegangen ist, trinkt der 49-Jährige noch mehr, drei, vier Flaschen Schnaps. Dann schläft er vor dem laufenden Fernseher auf dem Sofa ein. Er kommt erst wieder zu sich, als Anna vor ihm im Raum steht und laut die Balkontür öffnet. Sie schimpft.

Vladimir kann das nicht ertragen, greift zum Messer in der Obstschale und sticht es Anna in den Hals. Anna sackt zusammen. Vladimir kümmert das nicht. Er sieht weiter fern. Geraume Zeit später sieht er überall Blut. Vladimir will den Puls von Anna fühlen. Doch Anna, so seine Schilderung, ist tot. Er schleppt die tote Frau in die Badewanne. Hier trennt er der Leiche den Kopf ab. Dann versucht er den Torso zu verkleinern, „durch mehrere Stiche in die Brust“. Der Versuch misslingt. Vladimir bricht die Gliedmaßen seiner Frau, trennt sie an den Bruchstellen mit „einem glatten Messer“ ab. Die Einzelteile packt er in eine Tasche, einen Koffer und mehrere Müllsäcke. So verschnürt, trägt er den verpackten Leichnam zum Auto, reinigt Flur und Wohnung, fährt dann ziellos durch die Gegend. In der Bauerschaft Überwasser entledigt er sich Stück für Stück seiner grausigen Fracht: „Wo genau, weiß ich nicht mehr.“

Spaziergänger finden Teile des Torsos im Straßengraben

Bereits am Sonntag, 22. April 2012, finden Spaziergänger die Tasche mit einem Arm und einem Bein im Straßengraben. Am 23. April 2012 entdeckt ein Angler den Koffer mit dem Torso in dem Flüsschen Bever. Am 26. April 2012 pflügt ein Bauer das zweite Bein aus einem Acker – 30 Meter vom ersten Fundort entfernt.

Weil Vladimir seine Frau inzwischen bei der Polizei als vermisst gemeldet hat, kommen ihm die Kriminalisten schnell auf die Spur. Der 49-Jährige ist geständig, hilft sogar bei der Suche nach dem Kopf und dem rechten Arm. Ergebnislos. Diese Leichenteile sind bis heute verschwunden. Der Prozess wird am kommenden Dienstag, 23. April, 9 Uhr, vor dem Landgericht Münster fortgesetzt.