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Massenkarambolage auf A57 – steckt ein Serien-Brandstifter dahinter?

Crash auf A57 – steckt ein Serienbrandstifter dahinter?

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Nach der Massenkarambolage mit einem Toten auf das A 57 bei Dormagen bleibt die betroffene Autobahnbrücke noch bis mindestens Ende kommender Woche gesperrt. (dapd)
Die Massenkarambolage auf der A57 bei Dormagen, bei der ein 29-jähriger Autofahrer starb, könnte Folge von Serien-Brandstiftungen sein. In der Gegend sind seit Monaten Brandstiftungen zu beobachten. Zuletzt brannte vor wenigen Tagen ein Hochsitz – unweit der jetztigen Unfallstelle.

Dormagen. 

Es muss wie eine Nebelwand gewesen sein, allerdings eine in massivem Schwarz und mit beißendem Gestank: Ein Toter und 13 überwiegend schwer verletzte Menschen sind die bisherige Bilanz der Massenkarambolage auf der A57 bei Dormagen in der Nacht von Dienstag. Sieben Lastzüge und 15 Autos waren ineinander gerast. Gegen 0:08 Uhr liefen plötzlich in der Feuerwehr-Kreisleitstelle in Neuss die Drähte heiß, binnen weniger Minuten gingen ein Dutzend Anrufe ein, die meisten meldeten die Unfall-Reihe auf der Autobahn. Parallel dazu gab es einen Anruf, der „Rauchentwicklung auf einem Feldweg“ meldete. Erst etwas später, vielleicht eine Minute, war in der Leitstelle klar, dass beide Ereignisse zusammen hingen.

Zwei Tage später steht fest: Der dichte Rauch kann nur Ursache von Brandstiftung sein. So teilt es die Düsseldorfer Polizei am Mittwoch mit. Kräftige Plastikrohre – Leer-Rohre für Telekommunikationsleitungen – die an der Autobahn verlegt werden sollten und unter der Brücke gelagert waren, waren in Flammen aufgegangen. Die Polizei ermittelt fieberhaft auf der Suche nach einem oder mehreren bisher unbekannten Brandstiftern. Die Tat-Vorwürfe: fahrlässige Tötung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und Sachbeschädigung durch Brandlegung.

Zwei Brandserien im Kreis Neuss

Dabei könnte es sich um das bisher schwerste Ereignis einer Serie von Brandstiftungen in und um Dormagen handeln. Offen darüber reden mag niemand: „Warum es brennt, ist für uns eher zweitrangig“, sagt Sabine Voss, Leiterin der Dormagener Feuerwehr. Brennende Mülleimer, Altpapiercontainer, Unrat – „sind unser tägliches Geschäft“. Ein Sprecher der Kreispolizei Neuss mag nur die grobe Auskunft geben, aber er bestätigt, dass man sich im Rhein-Kreis Neuss seit dem vergangenen Jahr mit verschiedenen Brand-Serien herumschlage. So gebe es im Bereich Meerbusch seit Monaten eine Serie von Autobränden – 35 Fahrzeuge sollen es mittlerweile sein. Die Täter sind unbekannt. Im Raum Dormagen seien in den vergangene Monaten mindestens zwei Dutzend Fälle von Brandstiftungen gemeldet worden. Ein Zusammenhang mit dem Brand unter der A57? „Darüber wollen wir nicht spekulieren“, sagt der Sprecher.

Zuletzt ging am 7. Februar nur wenige Hundert Meter von der Brandstelle an der A57 ein Hochsitz in Flammen auf. Die Polizeimeldungen berichten desweitern von einer wahrscheinlich angezündeten Gartenlaube in Dormagen-Ückerath und einem brennenden Stromkasten im Ortsteil St. Peter. Das war im vergangenen November. Wenige Tage davor war ein in einem Wohngebiet geparkter Seat Ibiza in Flammen aufgegangen – laut Polizeimeldung „vermutlich Brandstiftung“. Zwei Monate davor wurden zwei brennende Fahrzeuge im Ortsteil Nievenheim gemeldet. „Von Brandstiftung“, heißt es in der damaligen Polizei-Mitteilung, „ist auszugehen“. Gesucht wurden in diesem Zusammenhang „zwei etwa 14 bis 15 Jahre alte Mädchen“.

„Solche ein Massencrash lässt sich nicht vermeiden“

Wie heftig es in der Nacht von Dienstag unter der A57 gebrannt haben muss, ist auch zwei Tage später noch zu erahnen: Von den offenbar mannshoch gestapelten Plastikrohren – Wandstärke 1 Zentimeter, Durchmesser wohl zehn Zentimeter – ist bis auf ein paar Reste nur ein schwarzer Fleck am Boden auszumachen. Weite Bereiche der Brücke darüber sind rußgeschwärzt, an einige Stellen ist Beton über dem Brandort abgeplatzt.

„Die Hitze muss enorm gewesen sein“, sagt Dormagens Feuerwehrchefin Voss – 600 bis 800 Grad Celsius, schätzt sie. Laut Landesbetrieb Straßen.nrw waren die Rohre schwer entflammbar; „etwas leicht Entflammbares würden wir nicht unter einer Brücke lagern lassen“, erklärt Sprecher Bernd Löchter. Mit Streichholz oder Feuerzeug allein hätten die Rohre jedenfalls nicht in Brand gesetzt werden können, sagt man bei der Feuerwehr: „Da hat es vermutlich schon Benzin oder etwas anderes gebraucht“. Dass sich das Feuer derart heftig entwickeln konnte, dürfte nach Feuerwehr-Einschätzung auch am „Kamin-Effekt“ unter der Brücke gelegen haben.

Aus Sicht von Stauforscher Prof. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen war der Massencrash auf der A57 jedenfalls nicht zu vermeiden: „Wie man sich bei plötzlicher Sichtbeeinträchtigung verhält, das lernt man als Autofahrer nicht“. Nachdenken, sagt Schreckenberg, „kann man in einer solchen Situation nicht“. Die meisten Autofahrer „treten auf die Bremse“. Bei 100 Stundenkilometer Geschwindigkeit brauche ein Auto alleine 50 Meter, um bei einer Vollbremsung zum Stillstand zu kommen – weitere 50 Meter vergehen für die Reaktionszeit des Fahrers.

Plötzliche Sichtbehinderungen sorgen immer wieder für schreckliche Unfälle: Bei einer durch einen Sandsturm ausgelösten Massenkarambolage auf der A19 in der Nähe von Schwerin, im April 2011, waren 80 Autos und Lastwagen ineinander gerast. Acht Menschen starben, 131 wurden zum Teil schwer verletzt. Und erst vor knapp drei Monaten sorgte eine Nebelwand im Kreis Borken für einen Massenunfall auf der A31, bei der drei Menschen gestorben und 35 verletzt worden waren.

Informationen über die Umleitungs-Empfehlungen zur A57-Sperrung bei Dormagen finden Sie hier.