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Flüchtlinge protestieren in Essen gegen ihre Verlegung

Flüchtlinge protestieren in Essen gegen ihre Verlegung

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Foto: FUNKE Foto Services
Die Stadt Essen hat Flüchtlingsfamilien aus einem Zeltdorf in Heidhausen in andere Einrichtungen verlegt. Betroffene protestierten. Auch der Runde Tisch fühlt sich übergangen.

Essen. 

Die Nachricht kam nicht nur für die Betroffenen überraschend: Die Stadtverwaltung hat zum Wochenende Flüchtlinge aus dem Zeltdorf Am Volkswald in Heidhausen in anderen Asyleinrichtungen untergebracht; verlegt wurden alle Familien und Frauen. Bereits nach der ersten Nacht in ihren neuen Unterkünften zog es rund 40 der ehemaligen Bewohner wieder zurück zum Volkswald, wo sie friedlich vor dem Dorf gegen die Verlegung protestierten.

Die Flüchtlinge seien erst am Vorabend darüber informiert worden, dass sie umziehen müssten. „Auch unser Runder Tisch wurde vor vollendete Tatsachen gestellt“, kritisieren ehrenamtliche Helfer, die ihre Bemühungen, den Menschen dabei zu helfen Fuß zu fassen, konterkariert sehen.

In die Zelte auf der ehemaligen Sportanlage im Essener Süden zogen dafür alleinstehende Männer ein. „Ungefähr die Hälfte der rund 190 Menschen dort sind ,neu’“, heißt es in einer Stellungnahme des Runden Tischs Volkswald und der Initiative „Werden hilft“.

Sozialdezernent machte sich auf den Weg nach Heidhausen

Sozialdezernent Peter Renzel hatte jüngst vor Pressevertretern angekündigt, dass alleinreisende Flüchtlinge verlegt werden sollen. Renzel nannte das Zeltdorf in Karnap, wo rund 650 Menschen leben. Dort sollen ausschließlich Familien untergebracht werden – auch um zu vermeiden, dass es zu Konflikten zwischen Bewohnern kommt. Es sei das Ziel in allen sieben Zeltdörfern homogene Belegungen mit Familien zu erreichen, so Renzel. Nur gebe es dafür zu viele alleinreisende Männer.

Am Samstag machte sich Renzel auf den Weg nach Heidhausen, um Flüchtlingen und Helfern Rede und Antwort zu stehen. Mit Hilfe eines Dolmetschers gab er zu verstehen, dass die Stadt ihre Entscheidung nicht rückgängig machen werde.

Dass sie ihre Koffer packen mussten, war den Flüchtlingen laut Renzel 48 Stunden zuvor mitgeteilt worden. Engagierte Bürger, die sich seit der Ankunft um die Flüchtlinge kümmern, fühlen sich überrumpelt. Es sei zum wiederholten Male passiert, dass mit den ehrenamtlichen Helfern nicht ausreichend kommuniziert wurde und Entscheidungen über die Köpfe hinweg getroffen wurden, kritisiert Stefan Dohrmann, Vorsitzender von „Werden hilft“. Renzel entschuldigt sich für die späte Kommunikation, sie sei der Überlastung geschuldet.

Ehrenamtliche Helfer sind enttäuscht

Den Helfern und Ehrenamtlichen geht es um mehr. Viele Flüchtlinge aus Kriegsgebieten seien traumatisiert. Nun, da sie sich in Sicherheit fühlen könnten, wollten sie zur Ruhe kommen, so schildert die Patin Ulla Lötzer die Situation ihrer Schützlinge. „Nun werden sie herumgereicht wie ein Paket.“

In fließendem Englisch schildert die 22-jährige Nur Al Hariri ihren Gefühlszustand: „Wir haben uns hier so wohl gefühlt. Es sind Freundschaften zwischen den Flüchtlingen aber auch zwischen den Paten entstanden. Ich kann das alles nicht verstehen“, so die junge Frau aus Syrien, den Tränen nahe.

Auch sie musste das Zeltdorf unverrichteter Dinge verlassen. Enttäuscht sind auch die ehrenamtlichen Helfer. Ihre Arbeit wollen sie in jedem Fall fortsetzen, Patenschaften sollen bestehen bleiben, sagt Christiane Gregor, die die Patenschaften mitorganisiert. Angebote für Frauen und Kinder sind zwar nun am Volkswald nicht mehr erforderlich, sollen aber weiterhin stattfinden – an anderen Orten. Zudem wolle man sich selbstverständlich auch um die jungen, alleinreisenden Männer kümmern.

Initiative kritisiert Verhalten der Polizei

Aus Sicht von „Werden hilft“ ist es enorm wichtig, mit der Integrationsarbeit bereits im Zeltdorf zu beginnen, um den Menschen zu helfen und Konflikte im Stadtteil zu vermeiden: „Daher sollte es unbedingt vermieden werden, erfolgreich laufende Integrationsprojekte wie dieses durch Verwaltungsmaßnahmen zu behindern.“

Kritik äußerte die Initiative am Verhalten der Polizei. Diese sei am Samstag durch „unangemessenes harsches Vorgehen“ aufgefallen. Eine Polizei-Sprecherin erklärte auf Anfrage der Redaktion, die Beamten seien vom Sicherheitsdienst der Flüchtlingseinrichtung gerufen worden. Bewohner würden randalieren. „Beim Eintreffen der Kräfte war aber alles ruhig.“

Schon am Vorabend war die Polizei vor Ort, bei der Ankunft der neuen Bewohnern. Auch sie waren nicht begeistert, denn die Männer hatten offensichtlich nicht erwartet, dass sie erneut in Zelte einquartiert werden würden.