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Meredith Michaels-Beerbaum im Mutterglück

Meredith Michaels-Beerbaum im Mutterglück

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Foto: WAZ FotoPool

Thedinghausen. 

Das Leben der Springreiterin Meredith Michaels Beerbaum hat sich seit der Geburt ihrer Tochter Brianne Victoria stark verändert. Auch beim CHIO in Aachen ist der Nachwuchs an Bord.

Ein mächtiges eisernes Tor öffnet sich und rastet nach der Durchfahrt sofort ins Schloss. Es ist still. Links der langen, schmalen Allee sind Stallungen, rechts Wohnungen. Am Ende des Weges steht ein Landhaus mit Reetdach. Der Blick führt in einen parkgroßen Garten samt eingezäuntem See und ­quietschrotem Planschbecken. Im kleinen Thedinghausener Ortsteil Holtorf in der Nähe von Bremen liegt das 32 Hektar große Anwesen einer prominenten Reiterfamilie. Hier leben Meredith Michaels-Beerbaum und Markus Beerbaum – seit kurzem nicht mehr allein.

Brianne Victoria liegt in ihrer Wiege. Mutter Meredith kniet davor und spielt mit der Kleinen. In ihrer Hand hält sie Stofftier Daisy, ein Pferd. Natürlich.

„Brianne hat viele Pferde. Schaukelpferde, Stoffpferde, schwarze, braune, weiße. Überall Pferde“, sagt Meredith und lacht. „Können wir erst Fotos machen?“, fragt die 40-Jährige. „Später ist Brianne müde. Ihre Zeit.“ Gerne. „Fotoshooting“, ruft sie der kleinen Erdenbürgerin zu, sie nimmt sie auf den Arm und tänzelt mit ihr durch die Küche.

Beste Springreiterin aller Zeiten

Das soll die Frau mit den Nerven aus Drahtseilen sein? Die Frau, die stets ans Limit geht? Die Frau, die im Parcours zu kämpfen versteht? Mutterglück muss etwas Herrliches sein.

Meredith Michaels-Beerbaum gilt als die beste Springreiterin aller Zeiten, ihre Erfolge sind legendär. Doch wahres Glück kennt sie erst seit ein paar Monaten.

Es ist der 27. Februar 2010, ein Samstag, 15.51 Uhr, als Tochter Brianne zur Welt kommt und die Gefühlswelt der Hochleistungssportlerin auf den Kopf stellt. „Ich bin eine sehr stolze Mama“, betont die gebürtige US-Amerikanerin mit ihrem charmanten Akzent.

Ihren Sport, ihren Beruf, ihre Leidenschaft – nein, das alles gibt sie nicht auf. Warum auch? Wo Meredith Michaels-Beerbaum geht, steht oder eben reitet – ihr „kleiner Sonnenschein“ ist dabei. Auch in dieser Woche, beim CHIO in Aachen, beim bekanntesten Turnier der Welt. Estoril in Portugal, Valencia in Spanien, Monte Carlo – Brianne hat in den ersten vier Monaten ihres Lebens schon viel gesehen.

„Shutterfly hat es gewusst. Vor allen anderen“, erzählt sie. „Immer wieder hat er vor meinen Bauch gestupst, sich angekuschelt. Ich wusste, dass etwas anders ist. Er ist so sensibel. Und so vorsichtig, wenn Brianne in seiner Nähe ist.“

Unbändiger Ehrgeiz

Es klingt, als wolle sie sich dafür entschuldigen, dass ihr Erfolgspferd nun nicht mehr die Nummer eins in ihrem Leben ist. „Ich möchte eine gute Mutter sein, meine Kleine so wenig wie möglich abgeben“, sagt sie. Nur im Parcours, nur für die paar Minuten, ist Meredith Michaels-Beerbaum noch Profireiterin. Ertönt die Glocke, erlaubt ihr unbändiger Ehrgeiz keinen Gedanken ans Kind. Eine Woche nach der Geburt stieg sie aufs Pferd, sieben Wochen später gewann sie den Großen Preis beim Turnier in Hagen.

Für einen Moment wirkt die gut gelaunte Kalifornierin mit deutscher Staatsangehörigkeit in sich gekehrt. Auf die Frage, ob sie als verantwortungsvolle Mutter mit mehr Vorsicht in den Sattel steigt, antwortet sie: „Absolut nicht. Leider.“

Brianne ist müde. Die Babysitterin legt sie in den Kinderwagen und spaziert mit ihr über das idyllische Gelände. „Sie schläft sofort“, sagt die Mutter.

Prioritäten haben sich verschoben

Ehemann Markus Beerbaum ist selbst erfolgreicher Springreiter. Doch auch für ihn haben sich die Prioritäten verschoben. „Ein toller Vater“, sagt Meredith, „wir verbringen viel Zeit mit Brianne.“ Ob Planschen in der Wanne, das gemeinsame Abendessen oder das Blättern in Bilderbüchern vor dem Gute-Nacht-Kuss. Seit gut vier Monaten gibt es Gewohnheiten, die es zuvor nicht gab.

Brianne soll zwei Sprachen lernen. „Ich lese ihr englische, Markus deutsche Bücher vor“, erzählt die Mutter. „Dabei schläft sie ein.“ Und während Brianne schläft, ertappen sich zwei Berufsreiter dabei, dass Pferde und Erfolge nicht mehr so wichtig sind. Es sind die ganz normalen Sorgen oder Freuden um ein neues Familienmitglied, die die Eltern abends beschäftigen.

Ob auch der Nachwuchs einmal hoch zu Ross in die Weltspitze soll? Die Namen Michaels und Beerbaum könnten Verpflichtung sein. Die Reiterin sagt: „Vielleicht. Unter Druck setzen werden wir die Kleine aber sicher nicht.“ Die Mutter hingegen meint: „Wir haben Brianne genauso lieb, wenn sie es nicht möchte. Wahrscheinlich wäre es sogar besser.“