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Doppelt gefoltert, weil Handyvideo misslang

Doppelt gefoltert, weil Handyvideo misslang

Düsseldorf. 

In den Verhandlungspausen stehen sie beide vor dem Landgericht, zehn, 20 Meter voneinander entfernt und rauchen ihre Zigarette: Samira M., einzige weibliche Angeklagte in dem Prozess um einen brutalen Menschenraub und vermutlich die große Liebe von Marko M. Er ist das Opfer jenes brutalen Gewaltexzesses vom vergangenen Oktober.

Blicke wechseln sie nicht. Die Schmerzen wären zu groß. Die körperlichen Spuren von damals, sagt er, sind weg, aber Konzentrations- und Schlafstörungen hat Marko M. bis heute: In dieser Woche hat der Krankenhaustechniker erstmals wieder gearbeitet, zwei Stunden am Tag, langsame Wiedereingliederung in etwas, was wieder ein normales Leben werden soll.

Ein Leben, das vielleicht etwas zu normal war, ehe Samira ihm exotischen Charme verlieh. Vor allem aber war die 33-Jährige offenbar die einzige Bezugsperson des Mannes, dessen kurzes Resthaar ergraut ist. Und in dessen normalem Leben seit Oktober eine Wunde klafft. Doch der Gewaltexzess endet mit der Rückkehr von Marko M. zu Samira.

„Wo hätte ich denn sonst hingehen sollen, ohne Handy ohne Geld?“ fragt er hilflos, als die Vorsitzende Richterin mit gehobenen Augenbrauen nachfragt, warum um alles in der Welt er dort hingeht, wo nicht nur sie, sondern auch ihre Brüder Ali und Harun zu erwarten waren. Und Harun wird von ihm als einer der brutalsten Folterer beschrieben.

Begonnen hat sein Martyrium, als Marko M. zur Einweihung seiner Wohnung lädt. Kommen sollten Samira und ihr jüngerer Bruder Ali. Doch es kommen auch Harun und Kevin W., den er als Motor des brutalen Geschehens beschreibt: Der habe bald bohrende Fragen gestellt: Was er berufliche mache? Wie viel er verdiene? Ersparnisse?

Bald folgen die ersten Faustschläge ins Gesicht, vor allem von Harun, unter dem Vorwand, Marko habe seine Schwester Samira geschlagen. So erpressen die Männer EC-Karte samt Geheimnummer und einen Kaufvertrag für sein Auto. „Den sollte ich schreiben, aber das konnte ich schon nicht mehr“, schildert er die Folgen der Prügel. Er muss zusehen, wie die Bande seine Wertsachen in noch herumstehenden Umzugskartons packt. Dann wird er bewusstlos.

Zwei Tage dämmert er vor sich hin, wacht in einer fremden Wohnung auf, die Kevin W. gehört. Der fürchtet, dass Marko das Sofa vollblutet, also wird er in die Küche getreten. Wieder zwei Tage später will Harun mit ihm ein Foltervideo drehen: Mit Teleskopschlagstöcken, Elektroschocker und Teppichmesser gehen drei Männer auf ihn los.

Als die Aufnahme beim ersten Versuch nichts wird, schleppen ihn die Männer unter die Dusche. Er darf sich säubern, danach wiederholen sie die Tortur für den zweiten Videodreh und versuchen seine mit Paraffin übergossene rechte Hand anzuzünden. Quasi als kleinen Vorgeschmack. „Du wirst angezündet auf einem Feldweg enden“, habe Kevin W. ihm gedroht. Aber er lässt Marko M. wider Erwarten gehen. Und der kehrt zurück zu Samira.