Die USA sind ein Land von riesigen Ausmaßen – nicht nur in seiner Geografie. So gibt es hier nicht einen Einrichtungsstil, sondern viele. Dem europäischen Auge erscheinen die meisten amerikanischen Wohnungen überladen mit Schnickschnack. Doch es gibt auch andere Trends jenseits des Atlantiks.
Berlin.
Das Übertreiben liegt den Amis im Blut – auch beim Einrichten ihrer Wohnungen und Häuser. „Im Vergleich zu den Europäern halten sich die US-Amerikaner in Sachen Dekoration nicht gerade zurück“, sagt Sylvia Leydecker, Vizepräsidentin des Bundes Deutscher Innenarchitekten in Berlin.
Von üppigen Vorhängen, Kissen, Quilts, schweren Teppichen, Tischleuchten und Kronleuchtern kann es nie genug geben. Und für Textilien und Tapeten gilt: Egal, ob gestreift oder mit Blumenmuster – sie müssen gemustert sein. „Solche plüschigen, überladenen Formen sind vor allem in traditionellen, konservativen Haushalten zu finden“, erklärt die Innenarchitektin.
Kissen in Traktor-Form von John Deere
„Die Amerikaner dekorieren mit Vorliebe“, bestätigt Sabine Ryan, die für den Einrichter American Heritage über die US-amerikanische Lebensart bloggt. Allerdings fällt das Einrichten regional sehr unterschiedlich aus. Als Hauptrichtungen nennt sie den maritimen Neu-England-Stil, den ländlichen Farmhouse-Stil und den texanischen Ranch-Stil. Der Neu-England-Stil im Nordosten ist durch die Nähe zum Atlantik geprägt. „Maritime Stilelemente sind in den Küstenregionen beliebt: Muscheln oder Seesterne auf Vorhängen und Kissen; Möbel und Deko in Weiß und Blau; gestreifte Stoffe und Tapeten, Mini-Segelboote – eben alles was an Strand und Meer erinnert“, zählt Sabine Ryan auf. An der Veranda hängen weiße Schaukeln, die Vorlage für die deutsche Hollywood-Schaukel. Typisch sind auch „Beadboards“, weiß lackierte Holzverkleidungen, die ursprünglich als Wandschutz gedacht waren und heute für Landhaus-Atmosphäre sorgen.
Im mittleren Westen sieht es etwas anders aus. Der Farmhouse-Stil vereint Elemente aus der Landwirtschaft: Das alte Kutscherrad hinter dem Haus oder der ausrangierte, mit Blumen überwachsene Kornschredder zieren das Grundstück. Für die Inneneinrichtung hat der Landmaschinen-Hersteller John Deere zum Beispiel sogar eine Kollektion herausgebracht: Kissen in Traktor-Form, mit Treckern bedruckte Vorhänge oder Wanduhren mit dem Markenlogo. Farblich sind überwiegend erdige Töne zu finden.
Industrie-Chic trifft Handwerkskunst
Texas ist natürlich die Heimat der Cowboys. Sabine Ryan: „Der rustikale Ranch- oder Blockhausstil liebt Materialien wie Holz, altes Eisen oder Leder.“ Sättel, Felle und Hufeisen werden zur Zierde an Türen und Wände gehängt. Zur Küche geht es durch eine Saloontür, und abends versammelt man sich vor dem offenen Kamin wie am Lagerfeuer. Charakteristisch sind Kamine und Wände aus Stein, dazu gehören in den Wohnräumen indianische Muster. Der Einfluss aus Mexiko macht sich in den kräftigen Farben bemerkbar: Gelb, Orange, Rot und Ocker.
Außerdem gibt es noch die supermodernen New Yorker Lofts im kreativen „Industrie-Chic“, bei dem rohe Backsteinwände, alte Holzdielen und angerostete Stahlregale auf schicke Designer-Stücke treffen. „Die USA stehen für technologischen Fortschritt und Innovationskraft“, fasst Sylvia Leydecker zusammen. „Ein Gegengewicht dazu bildet die Rückbesinnung auf die traditionelle Handwerkskunst. Die Arts and Crafts-Bewegung erlebt eine Renaissance.“
Die Öko-Bewegung ist auf dem Vormarsch
So stehen für gutes amerikanisches Design auch die Shaker-Möbel aus dem 19. Jahrhundert – laut der Expertin „wahnsinnig schöne Arbeiten, schlicht und funktional, ohne überflüssigen Schnick-Schnack“. Sie wurden gefertigt von den Shakern, Anhängern einer protestantischen Freikirche. Zu den populärsten amerikanischen Möbelstücken zählt deren „Salem Rocker“, ein Schaukelstuhl aus Kirschholz, der heute noch nachgebaut wird. Die Shaker verkörpern auch ein zeitloses und langlebiges Design, das die Ressourcen schont.
Überhaupt ist Nachhaltigkeit in den USA ein großes Thema. Das Stichwort heißt: Organic Lifestyle. Anstatt etwas Neues zu kaufen, werden alte Möbel vom Flohmarkt wieder aufgearbeitet. Sylvia Leydecker: „Die Leute haben die industrielle Massenproduktion satt. Diese Do-it-yourself-Schiene ist sehr gefragt und als so genannter Shabby Chic auch in Europa gefragt.“
Deutschland exportiert über den Atlantik
Ursula Geismann, Trendexpertin des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie, sieht noch einen anderen Aspekt als typisch amerikanisch an: den Hang zu Größe. „Amerikaner lieben es gern groß. Solche XXL-Formate verkaufen sich in Deutschland allerdings nicht besonders gut“, sagt sie. Höchstens einen Riesenkühlschrank mit Eismaschine im Retro-Look schafft sich mancher deutsche Kunde an. Davon abgesehen aber sprengen amerikanische Möbel wohl die Dimensionen einer durchschnittlichen deutschen Wohnung.
Was den Handel zwischen den USA und Deutschland betrifft, gehen aus diesem Grund deutlich mehr Möbel über den Atlantik als nach Deutschland kommen. Exportiert werden vorrangig deutsche Markenküchen und Polstermöbel. Im Gegenzug nach Deutschland importiert: Fast ausschließlich Büromöbel. (dpa)