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Diese Weihnachtsalben sollte man hören – oder es lieber lassen

Die schönsten Weihnachtsalben – und die schrecklichsten

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Foto: WR
Alle Jahre wieder schneien Massen von Weihnachtsalben auf unseren Redaktionstisch, von Michael Bublé bis Spongebob, von Heino bis Iggy Pop. Welches sind die schönsten, welches die schrecklichsten Lieder zum Fest? Wir haben uns da mal durchgehört .

Reim und Rhythmus

Essen. 

Rambazamba unterm Christbaum: Heiliger Bimbam, was sind das für Einsichten, die uns Matthias Reim auf dem Album „Die große Weihnachtsparty“ (EMI) mit dem Dampfhammer beschert? Kostprobe gefällig? „Letzte Weihnacht ist ein Jahr her“. Tolle Erkenntnis! Wer das Reibeisen des Schlager-Stehaufmännchens Reim in Verbindung mit Sounds zwischen Scooter, Zuckowski und Flamenco schätzt, findet ein wahres Popschlager-Bethlehem. Bei so viel künstlicher Überdrehtheit bekommt die hier gestellte Frage „Wo bleibt der Schnee?“ eine hübsche, unfreiwillig komische Dimension.

Spatzen unterm Baum

Der Spatz ist zwar ein Singvogel, aber kein guter („monotones, relativ lautes, rhythmisches Tschilpen“). Ob er darum Namenspatron der Kastelruther Volkstümler wurde? Das jüngste von drei Dutzend Alben (darunter „Die weiße Braut der Berge“, „Berg ohne Wiederkehr“ und „Wenn Berge träumen“) heißt „Weihnachten bei uns daheim“ (Koch/Universal). Es reimt sich dort „schneit“ auf „Zeit“, „Schnee“ auf „weh“ und so weiter. Neben Traditionellem gibt es auch Eigengebräu, darunter das Lied „Zwei Euro“ – das scheint uns ein angemessener Kaufpreis.

In Heinos Himmel

Welcher Weihnachtshaushalt der 70er-Jahre kam schon ohne die berühmte Heino-Platte aus? Die Tapete war orange und Heino sang dazu „O du fröhliche“ oder „Die Himmel rühmen“ im weißen Rollkragenpullover. Für seine jüngste CD zum Fest der Liebe trägt er allerdings Schlips und Kragen, er ist halt ruhiger geworden, der Heino. Auch solche, die nicht zu seinen Fans zählen, müssen anerkennen: Für einen 73-Jährigen klingt das noch schön voll. Kein Wunder: Drei Viertel von „Die Himmel rühmen im Advent“ (Ariola/Sony) sind schon vor elf Jahren aufgenommen worden. Festliche Mogelpackung – aber immer noch besser als die meisten volkstümelnden Konkurrenzprodukte.

Die pure Perle

Mit ihrem Wort vom „Jingle-Bells-Terrorismus“ ergreift Hille Perl Partei: für das Pure, das Ursprüngliche westeuropäischer Weihnachtsmusik und gegen das große Betäubungstralala. Wer ihrer Meinung ist und sich Weihnachten als Fest der Stille und Einkehr wünscht, wird „Verleih uns Frieden gnädiglich“ (dhm/Sony) schätzen. Komponisten des 16. und 17.Jahrhunderts treten im neuen Album der Gambistin als Meister klarer, unverstellter Schönheit hervor. Dazu deuten Sopran und Laute ganz rein und schlicht große Klassiker von „In dulci jubilo“ bis „Es ist ein Ros’“.

Drei kleine Italiener

„Volo“ heißen bei uns in der Redaktion junge Begabte, die noch ein bisschen was lernen können. Insofern sind die drei kleinen Italiener, die unter diesem Namen Pop, Schlager und eine klitzekleine Prise Oper vermixen, gar nicht schlecht getauft. In ihrem Doppelalbum „Il Volo“ (Geffen/Universal) findet sich eine CD als „Special Christmas Edition“. Etwas knickrig: Das sind nur fünf Lieder zum Fest. Aber wer easy listening mag, leicht jazzig arrangiert, wird ganz ordentlich bedient. Bizarr: Der Schlusstitel „Stille Nacht“ wird die „German Version of Silent Night“ genannt.

Christmas mit Connie

Als sie sich mit „Schöner fremder Mann“ millionenfach in deutsche Plattenschränke sang, hat Connie Francis wahrscheinlich nicht an den Weihnachtsmann gedacht. Das Zeug zu einer schönen Festtagsplatte im Stil leichten Jazz-Pops der 60er hatte das Mädchen aus New Yersey aber doch: nachzuhören auf der jetzt wieder veröffentlichten CD „Songs for Christmas“ (IMC Music). Das „Ave Maria“ hätte sich die Frau, die die Liebe für ein seltsames Spiel hielt, vielleicht besser verkniffen, der Rest des Albums aber ist ein herrlich lamettriger Spaß mit sachtem Kitschfaktor. Er wird Menschen erfreuen, die wehmütig an die Zeit zurückdenken, in der die Schlagersänger noch Stimmen hatten.

Swinging Christmas

Über 30 Millionen verkaufte Tonträger, 161 Platinauszeichnungen weltweit und trotzdem kann Michael Bublé die Weihnachtsmusik nicht neu erfinden. Deshalb hat er fast nur Altbekanntes eingespielt fürs „Christmas“-Album (Warner). Muss das sein? Nein, muss es nicht. Aber wenn einer die Klassiker von „White Christmas“ (mit Shania Twain) über „Jingle Bells“ (mit den Puppini Sisters) und „Feliz Navidad“ bis hin zu „Silent Night“ auf so eigene Weise interpretiert, wie der Kanadier, dann darf es ruhig sein. Und mit „Cold December Night“ hat dann doch eine Eigenkomposition den Weg auf das Album gefunden, die sich nicht verstecken muss.

Die Welten der Kelten

Erst möchte man zum Weihnachtshasser werden, wenn man hört, wie die vier Damen von Celtic Woman Klassiker verpuderzuckern. Auf „A Celtic Christmas“ (EMI) sind anfangs höchstens Spuren irisch-keltischer Arrangements zu orten. Stattdessen „An Angel“ (Kelly Family) oder „There Must Be An Angel“ (Eurythmics). Bei den gregorianschen Chören zu „Little Drummer Boy“ möchte man die CD aus dem Fenster pfeffern. Doch dann versöhnt das Quartett mit zwei prächtigen Aufnahmen (von 18). „Walking In The Air“ und das Clannad-Cover „Harry’s Game“. Die aber sind im Original schon nicht verachtenswert.

Gelbe Weihnachten

Heilige Qualle, auch ein gelber Schwamm tief unten im Meer feiert Weihnachten. Ganze zwei Weihnachtslieder bietet Spongebob auf seinem gelben „Winter-Album“ an. Wer Klassiker wie „Ihr Krabbenlein kommet“ oder „Schneeflöckchen Korallenröckchen“ erwartet, wird enttäuscht. Der Schwamm covert größtenteils Pop-Hits wie „Hummer“ (Culcha Candela) oder „Lecker Lecker“ (Shakira). Echte Fans werden aber belohnt. Bei „Taube Nüsschen“ kann endlich auch jedes Blubberblasen blasende Bubberblasenbaby über dem Meer mitrocken. Zudem liegen der CD zehn Spongebob-Sticker bei.

Frankenstein & Co.

Man freut sich immer, wenn mal ein paar Stimmen auf Weihnachtsplatten erklingen, die man nicht erwartet. Aber auf „Noel! Noel!! Noel!!!“ (Universal) macht Jamie Cullum aus „Let It Snow!“ doch nur wieder hektischen Swing, klingen Teddy Thompson und Rufus Wainwright, als fühlten sie sich bei „White Christmas“ nicht wohl. Bemerkenswert jedoch Iggy Pop, der bei dieser Michel-Legrand-Produktion mit „Little Drummer Boy“ wuchtig wie Frankensteins Monster dreinschlägt. Und die hinreißende Lolita¬erotik, mit der Emilie Simon aus „Santa Baby“ eine Offerte an den Weihnachtsmann macht.

Crooner-Christmas

Wenn der alte Crooner Paul Anka mit „Songs of December“ (Universal) anrückt, dann meint man schon zu wissen, wie sich das anhört. Doch weit gefehlt: Der 70-Jährige zeigt uns, was in ausgelutschten Christmas-Standards noch so alles drinsteckt. Alle Zeit der Welt nimmt er sich, um Titel wie „Winter Wonderland“ oder „White Christmas“ ohne Hast zu zerlegen und ergötzlich neu zu interpretieren.

Bescherung mit Bieber

Wo Justin Bieber singt, ist von „Stille Nacht“ meist wenig zu spüren. Wer seinen Kindern „Under The Mistletoe “, die neue CD des kanadischen Mädchenschwarms, untern Weihnachtsbaum legt, dürfte nach der ersten Kreischattacke allerdings einigermaßen friedvolle Festtage erleben. Elf Songs, vom schmissigen „All I Want For Christmas Is You“ (mit Mariah Carey) bis zum groovenden „Mistletoe“ (mit Mentor Usher), vom swingenden „Santa Claus Is Coming To Town“ bis zum rappenden „Drummer Boy“ vereinen Tradition und Teeniepop und die Weihnachtsklassiker mit Neuschöpfungen im gefällig-glatten Bieber-Sound. Der Nervfaktor dürfte erst am zweiten Weihnachtstag greifen.