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Die nächsten Gipfel des Ruhrgebiets werden eröffnet

Die nächsten Gipfel des Ruhrgebiets werden eröffnet

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Foto: WAZ FotoPool
Nach 44 Folgen endet die Serie „Haldenkult“. Zum Abschluss geben wir einen Ausblick, welche neuen Halden man bald erwandern und entdecken kann.

Ruhrgebiet. 

Fast ein ganzes Jahr voller Höhen liegt hinter uns: In unserer Serie „Haldenkult“ haben wir Ihnen die Gipfel des Ruhrgebiets vorgestellt. Wir entdeckten die wiedergekehrte Natur mit ihrer Blumen-, Baum- und Kräutervielfalt oder wurden Zeugen von halsbrecherischen Mountainbike-Sprüngen auf Hoppenbruch. Die Halden sind zu einem identitätsstiftenden Element für das Ruhrgebiet geworden – und nicht selten zu weithin sichtbaren Landmarken. Zum Abschluss geben wir einen Ausblick, was die Zukunft den Halden bringt. Und welche Neuzugänge wir vielleicht bald auf der Landkarte begrüßen dürfen.

Das wahrscheinlich größte und umfangreichste Konzept dürfte derzeit die Stadt Gladbeck mit den sogenannten „Braucker Alpen“ verfolgen, für die Ende letzten Jahres in einer Planungswerkstatt große Entwürfe entwickelt wurden. Die vier Halden Mottbruch, Moltke, Kippe 19 und Kippe 22 könnten zu einem Naturerlebnispark umgebaut werden, mit Brücken von Halde zu Halde, vielleicht sogar mit einer Seilbahn dazwischen. Auf 160 Hektar erstreckt sich das Gelände, im Fokus steht die derzeit noch nicht freigegebene Mottbruchhalde mit ihrem Vulkankegel. 15 Jahre lang kann die Umsetzung dieses Projekt dauern, viele kleine Schritte zur Beantragung von Fördergeldern werden notwendig sein – und eine Bewerbung für die Internationale Gartenbauausstellung 2027 ist auf dem Weg.

Andernorts tut man sich etwas schwerer mit dem Industrie-Erbe. Die Dortmunder Deponie Schleswig ist so ein Fall. Millionen hat Thyssen-Krupp-Stahl (TKS) in die Renaturierung der Schlackehalde gesteckt, als deren Fundament das Bergematerial der 1925 stillgelegten Zeche Schleswig dient. Seit Ende 2015 ist die Halde abgedichtet und wäre prinzipiell für die Bevölkerung nutzbar. Vorausgesetzt, es findet sich ein Betreiber. Denn TKS will die Halde nicht behalten – und ist auf der Suche nach einem Investor. Die Stadt Dortmund zeigt sich wenig interessiert. Der Regionalverband Ruhr ebenfalls nicht: „Wir kaufen nur reine Bergehalden“, sagt Sprecher Jens Hapke. Bis sich ein Käufer für die Halde findet, wird sie wohl weiter im Dornröschenschlaf liegen.

Große Pläne hat man einst für die Halde Lohmannsheide in Duisburg-Baerl geschmiedet, eine Pyramide etwa wie im Fürst-Pückler-Park hätte man auf die Spitze setzen können. Stattdessen kam die Natur zurück. Leser Ingo Reiß aus Moers berichtet, dass dort mittlerweile Eidechsen, Molche und Kreuzkröten ihr Zuhause gefunden haben – ein Ansiedlungserfolg. Gerade ist die Laichsaison vorüber, in wenigen Tagen dürften sich die Kaulquappen zu Kröten entwickelt haben. Derweil möchte die RAG mit der Abfallwirtschaft Ruhrgebiet die Halde wieder zur Deponie machen – ein Politikum, denn Grüne und CDU sind gegen diese Nutzung. Etwa 3,5 Millionen Kubikmeter Bauschutt könnten abgeladen werden. Die Halde würde auf ein Niveau wachsen, das vielen Anwohnern die Aussicht auf die benachbarte Halde Rheinpreußen verwehrt.

Ein hübsches Beispiel dafür, wie die Bevölkerung die Gipfel stürmt, liefert die Halde General Blumenthal 8 in Oer-Erkenschwick. Sie ist vom Eigentümer RAG Montan Immobilien noch nicht freigegeben, aber eigentlich schon seit 2013 fertig – und deshalb von Spaziergängern, Radlern und Hundebesitzern längst in Beschlag genommen worden. Kein Wunder: Lediglich Schilder halten die Besucher ab – oder eben nicht.

Neuer Lippepark verbindet Halden

Der spektakulärste Neuzugang und ein gelungener Schlussakkord für unsere Serie „Haldenkult“ findet sich ganz am östlichen Rand des Ruhrgebiets: Im Lippepark in Hamm-Herringen, der vom Essener Planungsbüro dtp gestaltet wurde, sind seit Mai die Lippebrücken freigegeben, die den lückenlosen Übergang zwischen fünf Halden ermöglichen: die Halden Radbod, Humbert, Sundern, Franz und Kissinger Höhe. Die Halden Radbod und Humbert sind allerdings momentan noch nicht offiziell aus der Bergaufsicht entlassen, so dass man hier lediglich am Haldenfuß entlangspazieren darf.

Am 25. Juni 2016, ab 19 Uhr, wird auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks Ost, also im Schatten der Herringer Halden, erstmals die Extraschicht zu Gast sein. Mit Projektionen auf der Fassade des Hammerkopf-Turms, mit einer Lasershow zur Geschichte des Bergbaus. Und mit einer Live-Aufführung von Igor Strawinskys „Feuervogel“-Suite. Zum Abschluss wird es ein großes Feuerwerk geben – um die Vergangenheit des Bergbaus und die Zukunft der Region zu feiern.

Zu der Serie Haldenkult wird im Herbst 2016 ein Buch im Klartext-Verlag erscheinen.

RVR will Halden in touristische Höhepunkte verwandeln  

Wer während eines Ausflugs auf einer Halde durstig wird, muss bereits mit einer Flasche in der Tasche vorgesorgt haben. Denn ein Café oder ein Restaurant sucht man auf den Hügeln vergeblich. Der Regionalverband Ruhr (RVR), der Eigentümer von 36 Halden, denkt nun darüber nach, manche der Halden auch gastronomisch zu erschließen. Und nicht nur das: „Wie müssen wir solche Halden ausstatten, damit die Menschen sie als touristisches Ziel wahrnehmen?“, fragt Ulrich Carow, Bereichsleiter Umwelt beim RVR.

Er möchte die Halden auch für die Menschen attraktiv machen, die nicht in dieser Region leben. Dazu zählten etwa ausreichend Parkplätze und eine gute öffentliche Verkehrsanbindung. Aber auch die Beschilderung von Spazierwegen und Rastplätze mit Bänken wären eine Bereicherung. Barrierefreie Zugänge, Toiletten und Spielmöglichkeiten seien weitere wichtige Punkte.

Carow schwebt zudem eine Wochenend-Reise vor, bei der man mehrere Haldenausflüge miteinander verbindet: „Als eine Art Städtetour über Hochpunkte.“ Das Angebot könnte man ergänzen, durch einen Theaterbesuch oder eine Radtour.

Im Fokus stehen dabei große Halden, die bereits heute zu den attraktiven Ausflugszielen in der Region zählen und Teil der „Route der Industriekultur“ sind: Großes Holz in Bergkamen, Hoheward in Herten, Halde Rheinelbe in Gelsenkirchen, Schurenbachhalde in Essen, Halde Beckstraße mit Tetraeder in Bottrop und schließlich Rheinpreußen in Moers.

Das Ganze sind noch Gedankenspiele. Das Konzept mit dem Namen „Halden.Erlebnis“ wird derzeit erstellt. Der RVR will sich damit um Fördermittel von Land und Bund bemühen im Rahmen des „Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramms NRW“ – in Höhe von 1,8 Millionen Euro. Das Geld soll ab 2017 in die Halden investiert werden.

Der fliegender Holländer auf der Halde Haniel

Für Großveranstaltungen sind die Halden bereits heute gefragt, wie etwa Halde Haniel in Bottrop für die Wagner-Oper „Der fliegende Holländer“. Technisch ist solch ein Ereignis aber ein Kraftakt, da die Anschlüsse fehlen. Das müsste man ändern, so der RVR. Und auch Sportbegeisterte entdecken die Halden für sich, wie unsere Serie Haldenkult gezeigt hat: Da trainieren Kung-Fu-Schüler ebenso wie Mountainbiker. Anfragen gehen beim RVR ein: Die Menschen wünschen sich Strecken auf den Hügeln des Reviers, die offiziell für Trendsportarten geöffnet werden. Darunter sind auch Kite-Skater und Drachenflieger.

Jetzt erschienen – Der Haldenführer 

Der Haldenführer „Über alle Berge“ von Wolfgang Berke ist in einer komplett überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe im Klartext-Verlag erschienen.

Der Autor stellt 47 Halden im Ruhrgebiet vor. Er hat die Hügel zwischen Hamm und Moers erneut besucht, beschreibt Entstehung, Aussichtstürme und Landmarken.

Das Besondere: Wolfgang Berke stellt zu jeder Halde ein Test-Ergebnis. Die „Bergprüfung“ verrät, welche Halden wozu am besten geeignet sind und den meisten Spaß bieten.

Er erklärt etwa, wie hoch der Fitnessfaktor auf der Halde ist. Aber auch, ob sie Kindern gefällt oder – ganz praktisch – wie gut man am Fuß der Halde parken kann. Übersichtskarten zeigen Anfahrts- und Spazierwege. Berke fasst Events auf den Halden zusammen und nennt auch die besten Fahrradhalden.

Wolfgang Berke: Über alle Berge. Klartext-Verlag, 160 Seiten, 13,95 Euro.