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Was sich hinter der „Blue Card“ für Zuwanderer verbirgt

Was sich hinter der „Blue Card“ für Zuwanderer verbirgt

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Foto: Bundesgesetzblatt
Ab dem 1. August werden die Hürden für die Zuwanderung von Akademikern aus dem Ausland gesenkt. Es geht insbesondere um Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieure, Ärzte und IT-Fachkräfte. Doch die Resonanz der Wirtschaft ist durchwachsen.

Bochum/Essen. 

Die Bochumer Firma GData ist der größte deutsche Hersteller von Anti-Viren-Software. Etwa 300 Beschäftigte zählt der Mittelständler. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Mitarbeiterzahl verdoppelt. Die Suche nach Fachkräften ist ein Dauerthema. „Spezialisten werden weltweit umgarnt“, sagt GData-Manager Thorsten Urbanski. „Gerade Mittelständler müssen Flagge zeigen, um wahrgenommen zu werden.“

Künftig soll es Firmen wie GData leichter fallen, Fachkräfte aus dem Ausland einzustellen. Am 1. August wird die „Blue Card“ („Blaue Karte“) eingeführt – gewissermaßen als Eintrittsticket für Deutschland. Ziel ist es, die Hürden für Zuwanderung von Akademikern aus Nicht-EU-Staaten zu senken. Die „Blaue Karte“ erhalten Ausländer, die einen Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation besitzen. Sie müssen ein Arbeitsverhältnis nachweisen, das ihnen ein Bruttogehalt von mindestens 44 800 Euro einbringt. Die bisherige Gehaltsschwelle lag bei 66 000 Euro.

Für sogenannte Mangelberufe ist die Gehaltsgrenze sogar noch niedriger: Für Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieure, Ärzte und IT-Fachkräfte beträgt sie knapp 35 000 Euro pro Jahr. Besteht ein Arbeitsvertrag nach drei Jahren fort, erhalten die Inhaber der „Blauen Karte“ eine unbefristete Niederlassungserlaubnis, bei guten Deutschkenntnissen schon nach zwei Jahren. Ausländische Absolventen deutscher Hochschulen dürfen künftig 18 statt bisher 12 Monate nach einem Job suchen.

Warnung vor Fachkräftemangel

„Wir können es uns angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels nicht weiter erlauben, auf die Fähigkeiten von bei uns ausgebildeten ausländischen Studierenden zu verzichten“, sagt Maria Böhmer, die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. Nach Einschätzung des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn braucht Deutschland pro Jahr zwischen 300 000 und 400 000 Zuwanderer. „Aktuell kommen jährlich rund 220 000 Ausländer zu uns“, sagt IZA-Direktor Klaus Zimmermann. „Diese Zahl reicht aber rechnerisch bei weitem nicht aus, um die wachsende demografische Lücke auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu schließen, da zugleich jährlich auch rund 100 000 Beschäftigte abwandern.“

Große Unternehmen wie der Chemie- und Pharmakonzern Bayer begrüßen die neuen Regeln. „Die Einführung der Blue Card wird die Rekrutierung von ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiter erleichtern“, sagt Elke Ickenstein, die im Konzern für Personal und Sozialpolitik zuständig ist. Allein im vergangenen Jahr haben 155 Fachkräfte bei Bayer in Deutschland einen Job bekommen – das entspricht knapp 16 Prozent der Neueinstellungen.

Kritik an komplizierten Regeln

Doch es gibt auch Kritik an der „Blue Card“. Sie sei „zu kompliziert und daher nur schwer vermittelbar“, sagt IZA-Direktor Zimmermann. Er rät zur Einführung eines Punktesystems, das die Zuwanderung nach Kriterien wie Berufserfahrung, Sprachkenntnissen und Alter steuert. Die Bochumer Firma GData will sich nicht allein auf die „Blue Card“ verlassen. Das Unternehmen setzt vor allem auf Kooperationen mit der benachbarten Ruhr-Uni, um Talente als Mitarbeiter zu gewinnen.