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Unternehmen Waldfriedhof

Unternehmen Waldfriedhof

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Foto: WAZ FotoPool

Hagen/Bochum. 

Die Bestattungskultur ist im Wandel. Immer mehr Menschen entscheiden sich für einen Baum als letzte Ruhestätte. Die Zahl der Friedhöfe im Wald nimmt stetig zu.

Am 21. No­vember ist Totensonntag – ei­ne feste Größe im Kalender von Horst Heicappell. „Fast 300 Menschen kamen im letzten Jahr und gedachten ihrer Angehörigen“, sagt der Leiter des Hagener Forstamtes. Mitten im Wald, unter Ahorn, Buche und Eiche. Dieses Jahr soll es wieder so werden. Ha­gen war 2006 die erste Stadt in NRW, die einen „Ruheforst“ im Stadtwald an­legte. Mittlerweile gibt es bundesweit 50 Standorte. Ein Geschäft mit Zu­kunft. Auch die Friedwald GmbH wächst rasant. 34 Standorte zählt das Unternehmen in Deutschland – und machte damit 2009 rund zehn Millionen Euro Umsatz.

Horst Heicappell weiß, wo sein Baum steht. „Das ist meiner“, sagt er und zeigt nicht ohne Stolz auf eine stattliche Eiche. Gleich neben einem im­posanten Ensemble aus zwei mächtigen Bäumen. „Die hat ein Rechtsanwalt für seine Familie gekauft. Der Baum da­hinter gehört einem Arzt“, sagt der Forstamtschef. „Sollte ich irgendwann hier liegen, bin ich bestens versorgt.“ Auch der Exmann der Ehefrau soll einmal mit unter seinem Baum liegen. „Aber nicht neben ihr“, scherzt Heicappell.

Nur mit Feuerbestattung

Der Förster hat sich für ei­n Familienbiotop – so heißen die Grabstätten an der Baumwurzel – entschieden. Kostenpunkt: 4200 Euro – mit Platz für zehn Urnengräber. Wer im Wald bestattet werden will, muss eine Feuerbestattung akzeptieren. Die Ur­ne ist biologisch abbaubar. Sie vergeht nach einem halben Jahr. Die richtige Investition, findet Ha­gens erster Forstmann trotzdem. „Ich habe 45 Jahre im Wald gearbeitet. Wa­rum sollte ich hier nicht auch meine letzte Ruhe finden?“

So denken immer mehr Deutsche. Aus Verbundenheit zur Natur wählen sie den Wald als letzte Ruhestätte, auch wenn die Bestattung auf normalen Friedhöfen in städtischer oder kirchlicher Trägerschaft noch immer die Regel ist. 840 000 Begräbnisse hat es im vergangenen Jahr in Deutschland gegeben. „Die Waldbestattungen kommen auf 10 000 bis 15 000“, schätzt Rolf Lichtner, Ge­schäftsführer des Bundesverbands Deutscher Bestatter. „Doch der Wunsch nach mehr Individualität ist ungebrochen.“ Dem trage die Waldbestattung Rechnung.

Ein Franchise-System wie bei McDonald’s

„Die Leute entscheiden sich für uns, weil sie den Wald als Ruhepol schon zu Lebzeiten geschätzt haben“, sagt Corinna Brod von der Friedwald GmbH. „Gerade die Deutschen haben eine besondere Beziehung zum Wald.“ Viele Menschen wählten aber auch diese Form der Beerdigung, weil die Grabpflege entfalle. „Das übernimmt der Wald für Sie.“

Die Friedwald GmbH be­treibt die Waldfriedhöfe in Ko­operation mit der jeweiligen Kommune. Die Verwaltung läuft über die Zentrale in Griesheim. Beim Konkurrenten Ruheforst ist das anders. Die Gesellschaft verkauft die Idee des Waldfriedhofs, inklusive Marketing und Werbung für den Standort – ein Franchise-System wie bei McDonald’s. Auch private Waldbesitzer können so zu Friedhofsbetreibern werden, wenn eine Kommune, so will es das Ge­setz, die Gewährleistung übernimmt und im Falle einer Pleite einspringt.

In Hagen ist die Stadt selbst der Betreiber. Und sorgt für den reibungslosen Betrieb. „Anfangs hatten viele Bedenken gegen diese Form des Friedhofs“, erinnert sich Horst Heicappell. In vielen Gesprächen überzeugte er auch Kirchenvertreter vom Sinn einer solchen Einrichtung. Mittlerweile gibt es in Hagen zwei Andachtsplätze – mitten im Wald, inklusive großer Holzkreuze, 670 Beerdigungen haben bereits stattgefunden.

Der Markt wird transparenter

Das Geschäft mit der Waldbestattung macht den Markt auch transparenter. Paul Pupkiewicz von Be­stattungen Lichtblick in Bo­chum wirbt offensiv mit einem Komplettangebot – für 999 Euro inklusive Einäscherung und Überführung. Hinzu kommen noch die Kosten für den Baum und die Beisetzungsgebühr, die knapp 200 Euro ausmacht. „Man muss mit dem Markt gehen“, sagt Pupkiewicz.

Die Waldbestattung, da ist Hagens Forstamtschef Heicappell sicher, verändert die Trauerkultur in Deutschland: „Erst kürzlich traf ich im Wald eine Frau, die auf einem Klappstuhl an einem Baum saß. Als ich sie fragte, was sie dort tue, antwortete sie: Ich lese meinem Vater eine Ge­schichte vor.“