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Private Bau-Finanzierung treibt Städte in die Schulden

Private Bau-Finanzierung treibt Städte in die Schulden

Öffentliche Bau-Projekte, die gemeinsam mit privaten Investoren abgewickelt werden, geraten in die Kritik. „Public-Private-Partnership“-Projekte (PPP) stürzen Bund, Länder und Gemeinden in die Schuldenfalle und belasten die nächste Generation, warnen Verdi und Steuerzahler-Bund.

Essen. 

Erstmals wird Kritik an diesen so genannten PPP-Projekten (Public Private Partnership) auf breiter Front vorgetragen. Es sind Unterschriftenaktionen zur Vorlage bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplant. Beim PPP-System finanzieren, bauen und betreiben zum Beispiel Kommunen Rathäuser und Sporthallen nicht mehr in eigener Regie, sondern vergeben das als „Paket“ an private Konzerne. Diese kassieren über eine Zeit von 25 Jahren Nutzungsgebühren oder verkaufen die Zahlungsansprüche an Banken weiter.

Alleine in NRW geht es um 70 Vorhaben mit einer Bausumme von knapp einer Milliarde Euro – neben Verwaltungsbauten in Gladbeck, Moers und Unna sind das unter anderem das Zentrum für Krebstherapie der Uni Essen, Schulen, Straßen und Sportanlagen und Uni-Gebäude in Bochum, Münster und Köln.

Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler sagte dieser Redaktion: „PPP-Projekte sind langfristig teurer als die klassische Finanzierung über den öffentlichen Haushalt.“ Klamme Kommunen müssten zur Begleichung der Nutzungsgebühren teure Liquiditätskredite abzahlen. Er empfiehlt den Ausstieg aus den Verträgen und Rückkauf – so, wie es der BVB beim Dortmunder Westfalenstadion schon getan habe. Kanski glaubt: Mit PPP-Modellen, die oft in „Geheimverträgen“ abgesichert seien, würden auch die Grenzen bei der Schuldenaufnahme umgangen.

Verdi fordert die Offenlegung langfristiger Schulden

Renate Sternatz von Verdi fordert die „Offenlegung“ der langfristigen Schulden, die durch PPP-Projekte angehäuft werden. Für den Bundesrechnungshof sind die Projekte meist zum Nachteil der Steuerzahler. Von sechs realisierten Straßenbauten des Bundes seien fünf kostspieliger gewesen als bei einem Bau in Eigenregie des Staates. So sei die A1 bei Bremen nicht 40 Prozent günstiger, sondern 28 Prozent teurer geworden.

Rund 70 PPP-Projekte in NRW 

Peter Breßer-Barnebeck von der Stadt Gladbeck verteidigt PPP im Fall des heimischen Rathaus-Baus: „Wir haben einen Effizienzgewinn von 13,5 Prozent.“ Im roten Ziegel-Outfit sieht das Gladbecker „Neue Rathaus“ richtig gut aus. Schöner als die asbestverseuchten Büroklötze, die hier vorher standen. Der Neubau hat 2008 den Architekturpreis Philippe Rotthier erhalten. Die Stadt zeigt das Stück gerne her.

Der 16 Millionen Euro Baukosten schwere Komplex am Willy- Brandt-Platz macht den regierenden Stadtvätern der hoch verschuldeten Kommune kein finanzielles Bauchweh. Jeden Monat überweisen sie 157.000 Euro. Bis Vertragsende nach 25 Jahren sind, einschließlich Betriebsausgaben, 47 Millionen Euro vereinbart.

Dieses Rathaus ist ein PPP-Projekt (Public Private Partnership), der erste Verwaltungsbau in NRW, der in Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit privaten Baukonzernen – hier: Hochtief – in oft komplizierten Vertragskonstruktionen erstellt wurde. Doch das früher gelobte Bau-Modell kommt in Verruf. Jetzt warnen zahlreiche Organisationen davor – von Verdi über den Bund der Steuerzahler bis zu den Rechnungshöfen.

Eine Verlockung – aber lohnt sich das?

Dabei ist die Methode für Gladbeck und 236 ähnliche Projekte bundesweit verlockend. Der Staat baut so gerne Feuerwehrwachen wie in Dinslaken, Marl und Dortmund, Schulen wie in Witten und Mülheim, Sportanlagen und Straßen wie in Bochum, Siegen, Olpe. Die Bauherrn müssen weder kurzfristig Geld für Baukredite lockern noch planen, nicht komplizierte Aufträge vergeben, keine Putzkolonnen zum Aufräumen schicken und keine Strom- und Wasser- und Abwasserrechnungen bezahlen. Das macht alles der Partner – gegen zu zahlende Pauschale.

Doch rechnet sich das? Der Gladbecker Architekt Alfred Luggenhölscher listet aus der Sicht aller Kritiker die Nachteile auf. Er kämpft gegen „Geheimverträge“ bei PPP, weil viele Unterlagen der privaten Baukonzerne dem Betriebsgeheimnis unterliegen. Er unterstellt den Kommunen, so von den Ländern verordnete Schuldengrenzen auszuhebeln. Vor allem glaubt er, dass zum Beispiel seine Heimatstadt beim Rathausbau in Eigenregie besser da gestanden hätte.

Umdenken bei den Bürgermeistern

Sie hätte weder Mehrwertsteuer noch die Ausgaben für die Liquiditätskredite aufbringen müssen, mit denen das Nutzungsentgelt finanziert wird. Mehr noch: Luggenhölscher fürchtet die „Schuldenfalle“, den „Riesenkredit mit riesigen Zinslasten“. Am Ende könne das Rathaus Gladbeck 225 Millionen Euro kosten.

„Nein“. Peter Bresser-Barnebeck von der Stadt bestreitet die Hochrechnung. Der PPP-Vertrag sei um 13,5 Prozent effizienter als der Eigenbau, sagt er, aber nennt keine Abschlusssumme und räumt ein: „Da Gladbeck keinen ausgeglichenen Haushalt hat, werden die Ausgaben teilweise über Liquiditätskredite finanziert.“ Gladbecks Debatte ist überall.

Einst waren oft über Berater vermittelte Verträge zwischen öffentlicher Hand und Privatkonzernen das Nonplusultra. Jetzt habe „ein Umdenken bei den Bürgermeistern eingesetzt“, glaubt Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler. Vielleicht, weil sie die Kontrolle verlieren? Beim Vertrag über den PPP-Bau des Kreishauses Soest durften Kommunalpolitiker „sogar keine Fotos machen und keine Kopien ziehen“.