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Pflanzenzüchter Dümmen soll Plantagen-Arbeiter ausbeuten

Pflanzenzüchter Dümmen soll Plantagen-Arbeiter ausbeuten

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Voerder Geranienmarkt, am Mittwoch, 05.05.2010, auf dem Rathausplatz in Voerde. Foto: Lars Fröhlich/WAZ FotoPool
Der Pflanzenzüchter Dümmen aus Rheinberg soll Hunderten Arbeiterinnen auf seiner Blumenplantage im mittelamerikanischen El Salvador umgerechtet nur 30 Cent pro Stunde bezahlen – deutlich weniger als der örtliche Mindestlohn. Dümmen weist die Kritik zurück und versucht aufzuklären.

Rheinberg. 

Wer jetzt im Frühling Geranien pflanzt, hat gute Chancen, Produkte der Firma Dümmen in Balkonkasten oder Gartenbeet zu setzen. Der Familienbetrieb vom Niederrhein ist einer der größten Blumenzüchter in Europa und hat gerade erst die Fusion mit der niederländischen Agribio-Gruppe angekündigt. Seine Pflanzen zieht Dümmen in Gewächshäusern in Äthiopien, Costa Rica oder El Salvador heran. Globalisierung gehört in dieser Branche zum Geschäft – schon des Klimas in südlichen Ländern wegen, in dem tropische Pflanzen wie Geranien oder Weihnachtssterne besonders gut gedeihen.

Doch wegen seiner Farm in El Salvador steht das Unternehmen, das auf dem Weltmarkt unter Red Fox firmiert, seit Monaten in der Kritik. Die Arbeiterinnen in der Blumenfabrik verdienten nur Hungerlöhne, kritisiert die Christliche Initiative Romero (CIR), die sich für einen fairen Handel zwischen Mittelamerika und Europa einsetzt. Die Arbeitsbedingungen in der Blumenfabrik im Westen El Salvadors seien „noch schlimmer als in den Weltmarktfabriken für Bekleidung“, sagt Maik Pflaum, CIR-Länderreferent für El Salvador. Er berichtet von häufigen Arbeitsunfällen und einer Begrenzung der Toilettenbesuche auf maximal zwei mal fünf Minuten täglich.

Eine Kritik, die Günter Dümmen hart getroffen haben dürfte. Zumal sich der 71-Jährige und seine Firma ebenfalls der christlichen Sache verbunden fühlen. „In Verantwortung vor Gott und in gegenseitiger Achtung untereinander“, heißt es in der Firmen-Vision. Seniorchef Dümmen selbst ist Mitglied einer evangelischen Freikirchengemeinde. Nachdem Pflaum kurz vor Weihnachten die ersten Vorwürfe gegen die Produktion in El Salvador erhoben hat, hat Dümmen sich auf den Weg zu ihm gemacht, um mit Rechercheur Pflaum eine Verständigung zu erzielen – doch ohne Erfolg.

Ist der Blumenzüchter Dümmen also ein weiteres Beispiel dafür, wie deutsche Unternehmen mit gnadenlos schlechten Arbeitsverhältnissen in Entwicklungsländern einen guten Schnitt machen? Pflaum sagt: „Ja, so ist es.“ Doch bei Dümmen in Rheinberg weist man die Vorwürfe weit von sich.

Geranien und Weihnachtssterne

Was stimmt? Maik Pflaum (43) spricht bestens Spanisch. In Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen war er schon häufig in Lateinamerika. Lange habe er persönlich mit Arbeiterinnen der Dümmen-Plantage Las Mercedes geredet. Für das deutsche Unternehmen pflegen, beschneiden und verpacken die Frauen kleine Pflanzen, die unter anderem von hiesigen Gärtnereien und Baumärkten an die Kunden verkauft werden. Derzeit sind es Geranien – im Winter ist das Unternehmen europaweit mit Weihnachtssternen im Handel präsent.

Millionen Stecklinge produzieren die rund 1000 Beschäftigten in Las Mercedes pro Jahr. Pflaums Angaben zufolge erhalten viele 3,50 US-Dollar am Tag, was auf etwa 40 US-Cent pro Stunde hinausläuft (umgerechnet 30 Euro-Cent). Der Monatslohn summiere sich auf 105 Dollar brutto, bei hoher Akkord-Leistung auf maximal 150 Dollar.

El Salvador ist ein armes Land, doch auch dort kostet das Leben Geld. Den Grundbedarf einer vierköpfigen Familie bezifferte die staatliche Statistikbehörde für 2009 mit 762 Dollar pro Monat. So stellt sich die Frage, wie eine Familie überleben soll, wenn die Mutter mit Vollzeitarbeit bei Dümmen höchstens ein Fünftel dieses Betrages erwirtschaftet. Um dieses Manko auszugleichen, müsste der Vater einen sehr gut bezahlten Job haben – in vielen Fällen unrealistisch.

Dümmen stellt die Angelegenheit mit Hilfe einer Kommunikationsfirma so dar: In der Tat betrage „das Basisgehalt 105 Dollar“. Mit Zuschlägen würden die Beschäftigten jedoch „durchschnittlich 140 Dollar“ erhalten. Und durch Bonuszahlungen steige der Bruttoverdienst „in den drei Saisonmonaten auf durchschnittlich 170 Dollar im Monat“. Im Übrigen, so argumentiert die Firma, verwende Kritiker Pflaum den falschen Maßstab. Das offizielle „Existenzminimum in El Salvador“ betrage gegenwärtig „pro Familie 126 Dollar“. Der Lohn der Arbeiterinnen würde also deutlich über dieser Grenze liegen.

Unabhängige Gutachterin

„Falsch“, entgegnet Pflaum. Der Warenkorb, den Dümmen heranziehe, beschreibe kein Existenzminimum, sondern nur die notwendigen Kosten für wenige Grundnahrungsmittel. Der erweiterte Warenkorb von mehr als 750 Dollar hingegen, auf den der Kritiker verweist, enthalte demgegenüber auch nötige Ausgaben für Unterkunft, Gesundheit, Kleidung und Bildung. Schützenhilfe erhielt Pflaum zudem vom grünen Bundestagsabgeordneten und Entwicklungshilfe-Experten Uwe Kekeritz. Für Las Mercedes müsse „eigentlich der industrielle Mindestlohn von 200 Dollar gelten“, sagte Kekeritz dem „Spiegel“.

In seiner Argumentation bleibt Dümmen klar, dementiert zudem einige Vorwürfe von Pflaum entschieden – wie den bezüglich der Toilettenzeiten. In der Sache geben sich die Rheinberger indes aufgeschlossen: Man habe mittlerweile eine unabhängige Gutachterin nach Las Mercedes geschickt, um die Verhältnisse vor Ort zu recherchieren, erklärt Dümmens Kommunikationsfirma. Die Ergebnisse würden „zurzeit intern ausgewertet“.