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Kampf um Stahl-Jobs im Revier

Kampf um Stahl-Jobs im Revier

Bochum/Duisburg. 

Bei einer Fahrt über die A40 vorbei an Bochum ist das Werk kaum zu übersehen. Zwischen Wattenscheid und Stahlhausen ragen riesige Fabrikhallen in den Himmel. Seit Jahrzehnten wird in den Anlagen Stahl gewalzt, vor allem für die Autoindustrie. Früher stand „Bochumer Verein“ am Werkstor, später Krupp, nun Thyssen-Krupp. Mehr als 2000 Beschäftigte zählt das Walzwerk an der Essener Straße, zusammen mit einem Standort an der Castroper Straße sind es rund 2600 Mitarbeiter, die Thyssen-Krupp in Bochum beschäftigt. „Wir sind der letzte große Industriearbeitgeber in Bochum“, sagt Betriebsratschef Harald Pfennig und erinnert an die Werksschließungen von Opel, Outokumpu und Nokia.

„Grönemeyer müsste umschreiben“

Nun bangen auch die Stahlarbeiter von Thyssen-Krupp um ihre Jobs. Selbst eine Schließung des Werks gilt bei ihnen als Option. „Herbert Grönemeyer müsste dann sein Bochum-Lied umschreiben“, sagt Betriebsrat Heinz Gerhardt. „Der Pulsschlag aus Stahl wäre dann weg.“

Bochum ist nach Duisburg-Beeckerwerth das zweitgrößte Werk von Thyssen-Krupp im Ruhrgebiet. Auch am drittgrößten Standort, in Duisburg-Hüttenheim, sind die Sorgen groß. „Wir sind alle in Alarmbereitschaft“, sagt der örtliche Betriebsratschef Werner von Häfen. In Hüttenheim stellt Thyssen-Krupp mit rund 1300 Beschäftigten Stahl für Maschinenbauer her – Werkstoffe für Bagger, Kessel oder Kräne. Auch der Betriebsrat in Hüttenheim befürchtet das Aus für den Standort.

Günter Back, der Gesamtbetriebsratschef der Stahlsparte, berichtete unlängst, nach einem Gespräch mit Vorstandschef Heinrich Hiesinger sei ihm klar geworden, dass in jedem Fall Anlagen oder Standorte geschlossen werden sollen – mit oder ohne eine Stahlfusion, die Thyssen-Krupp anstrebt.

„Die Fehler der Vergangenheit holen uns jetzt ein“, sagt Werner von Häfen und erinnert an das Desaster bei der Expansion von Thyssen-Krupp in Brasilien und im US-Bundesstaat Alabama. „Die Gewinne sind in Brasilien und Alabama verbrannt worden“, schimpft er. Das Geld habe für Investitionen in Hüttenheim gefehlt. Dadurch sei man ins Hintertreffen geraten. Die Werke von Thyssen-Krupp in NRW sind eng miteinander verbunden. Der Stahl, der in den Duisburger Hochöfen gekocht wird, hält eine Reihe von Standorten am Leben – in Bochum, Dortmund und Hohenlimburg, im Siegerland oder in Finnentrop im Kreis Olpe.

Günter Back sagte, es gebe Versuche der Konzernführung, einen Keil zwischen die Belegschaften an den verschiedenen Standorten zu treiben. So sei ihm signalisiert worden, dass am starken Standort Duisburg-Beeckerwerth die Zahl der Beschäftigten sogar steigen könnte – anders als in kleineren Werken.

„Eine politische Entscheidung“

Derzeit ist das Bochumer Werk vergleichsweise schlecht ausgelastet, was auch eine Folge der Schließung des benachbarten Edelstahlwerks von Outokumpu ist. Der finnische Konzern, der die Anlage von Thyssen-Krupp gekauft hatte, beendete vor einem Jahr die Produktion in der Ruhrgebietsstadt.

Die Bochumer Thyssen-Krupp-Betriebsräte wollen nun für die verbliebenen Arbeitsplätze am Standort kämpfen. Technisch sei das Walzwerk exzellent, sagt Heinz Gerhardt. „Eine Schließung wäre wirtschaftlicher Blödsinn.“

Ob und wenn ja welche Anlage geschlossen werde, sei „letztendlich eine politische Entscheidung“, sagt Betriebsratschef Pfennig. Daher hoffe er auch auf Unterstützung der Politik. Eine Stadt wie Bochum, in der seit dem Jahr 2000 knapp 20 000 Arbeitsplätze in der Industrie verschwunden seien, könne einen weiteren Verlust kaum verkraften, warnt er und zieht Vergleiche zu Arbeiterstädten wie Liverpool oder Detroit.

Mit zehn Bussen wollen die Bochumer heute nach Duisburg zur Thyssen-Krupp-Verwaltung fahren, um für ihre Jobs zu demonstrieren. Pfennig ist jetzt 61 Jahre alt. Seit 42 Jahren ist er im Betrieb. Als er anfing, habe man ihm gesagt: „Junge, geh’ nach Krupp. Da wirste nicht arbeitslos.“ Das Unternehmen habe viele Familien in Bochum geprägt. „Mein Vater war hier, mein Bruder war hier, mein Schwager auch“, sagt Pfennig. „Und ich bin immer noch hier.“