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Bahn-Managerin plädiert für gesetzliche Frauenquoten

Bahn-Managerin plädiert für gesetzliche Frauenquoten

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Foto: Funke Foto Services
Silke Vandersee ist gelernte Elektrikerin und stieg zur NRW-Regionalleiterin auf. Sie macht Frauen Mut, eine Karriere bei der von Männern dominierten Bahn zu starten.

Essen. 

Rund eine Million Menschen sind täglich auf einer zurückgelegten Strecke von 70 Millionen Zugkilometern der Deutschen Bahn in NRW unterwegs. Silke Vandersee und ihr 3200-köpfiges Team sorgen dafür, dass die roten Nahverkehrszüge möglichst reibungslos rollen können. Die 48-Jährige ist eine der wenigen Frauen, die beim Staatsunternehmen zur Top-Führungsebene gehören.

„Regionalleiterin Produktion DB Regio AG“ heißt der spröde Titel, der auf Silke Vandersees Visitenkarte steht. Dahinter verbirgt sich ein ganzer Strauß von Aufgaben. Sie und ihre Leute warten und reparieren die 1200 Schienenfahrzeuge, die in NRW im Regionalverkehr unterwegs sind. Vandersee unterstehen sieben Werkstätten, das Zugpersonal, die zentrale Transportleitung sowie Planung und Disposition. Dabei trägt sie nicht nur die unternehmerische Verantwortung, dass bei den S-Bahnen alles rund läuft. Die Diplom-Ingenieurin kann eine Lok zur Not auch selbst reparieren. Denn Vandersee hat im besten Wortsinn eine Ochsentour im Bahngeschäft hinter sich gebracht.

Neben Ausbesserungswerk aufgewachsen

„Ich bin in eine Bahnerfamilie hineingeboren worden“, sagt die Managerin. Aufgewachsen neben dem Ausbesserungswerk in Dessau trat sie in die Fußstapfen von Mutter, Vater und Schwester und machte – noch zu DDR-Zeiten – bei der Deutschen Reichsbahn eine Elektriker-Lehre und sattelte danach ein Verkehrselektrotechniker-Studium drauf.

Ihr Wissen, wie es „unter und in Zügen aussieht“, konnte Vandersee dann 20 Jahre lang bei Siemens anwenden. Als Ingenieurin, Projektleiterin und Strategiechefin beschäftigte sie sich mit Bau und Vertrieb von Straßenbahnen, Computern und Lokomotiven.

Von Siemens zur Bahn

2011 entschied sich die Managerin, auf die Kundenseite zu wechseln und stieg bei der Deutschen Bahn ein – zunächst im Fernverkehr, bevor sie vor zwei Jahren zur Regionalleiterin in NRW aufstieg. Viele Frauen sind Vandersee auf dem sehr Technik-gepägten Karriereweg nicht begegnet: „Ich war eigentlich immer allein“, erzählt die 48-Jährige. Ob in der Lehre, beim Studium oder im Job – in der von Männern dominierten Bahn-Welt hat sie nie gelitten. „Ich war schon als Kind nie der Barbie-Typ und habe Wecker repariert“, erinnert sich Vandersee, die schon in ihrem Elternhaus in Dessau nicht das klassische Rollenverständnis antraf: Die Mutter war und die Schwester ist immer noch als Elektrikerin bei der Bahn tätig.

Ortstermin in der Essener Regionalbahn-Werkstatt. Vandersee fühlt sich sichtlich wohl in der riesigen Halle, in der die roten Züge gewaschen, gewartet und für den nächsten Einsatz vorbereitet werden. „Ich will eine Chefin zum Anfassen sein“, sagt die Regionalleiterin und meint das nicht nur als Lippenbekenntnis. Mit dem Werkleiter ist sie per Du, des öfteren sucht sie das Gespräch mit Beschäftigten. „Ich erlebe selten Ablehnung.“

Gesetzgeber soll „Fakten schaffen“

Auch wenn sich Vandersee mit ihrer Rolle unter vielen Männern arrangiert hat, wirbt sie um mehr Frauen in technischen Berufen und auf Führungspositionen. Bislang sind bundesweit nur rund 16 Prozent der Belegschaft von DB Regio weiblich. „Frauen muss man manchmal einen bisschen Mut machen, damit sie sich etwas trauen“, hat die Regionalleiterin beobachtet. Die Bahn biete ihnen Chancen, ihren Weg zu gehen und Lösungen für die jeweilige familiäre Situation zu finden. Nach den Übergriffen von Köln in der Silvesternacht arbeite die Bahn auch an Konzepten, insbesondere weibliche Bedienstete in den Zügen besser zu schützen.

18 Prozent der Führungskräfte bei der Bahn sind inzwischen weiblich. Der Konzern hat sich zunächst die Marke 20 Prozent zum Ziel gesetzt. Damit mehr Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte von Unternehmen einziehen können, hält Vandersee gesetzliche Quoten für sinnvoll. Das war nicht immer so: „Bis vor zehn Jahren war ich noch der Meinung, dass sich Leistung durchsetzt und keine Gesetze nötig sind“, blickt sie zurück. Inzwischen ist sie aber davon überzeugt, dass nur mit Quoten „Fakten geschaffen“ werden könnten, dass auf den Führungsetagen „vernünftige Mischungen“ der Geschlechter zu erreichen seien. „Wir müssen dem System zeigen, dass es Sinn macht, Frauen zu fördern“, sagt Silke Vandersee. Schließlich sei inzwischen durch Studien bewiesen, dass Unternehmen mit vielen Frauen eine höhere Produktivität aufweisen.