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Abschied von „Mister Sportstudio“

Abschied von „Mister Sportstudio“

Selbst der unsportlichste Zuschauer kam bei Harry Valérien stets auf seine Kosten. „Sie sollten vielleicht ein bisschen mehr – darf ich das Ihnen sagen – gelassener sein. Geht das?“, hatte der Reporter zur Freude des TV-Publikums 1982 Paul Breitner geraten, als der Nationalspieler einen Tag vor dem Fußball-WM-Finale gegen kritische Journalisten wetterte.

Berlin (dapd). Selbst der unsportlichste Zuschauer kam bei Harry Valérien stets auf seine Kosten. „Sie sollten vielleicht ein bisschen mehr – darf ich das Ihnen sagen – gelassener sein. Geht das?“, hatte der Reporter zur Freude des TV-Publikums 1982 Paul Breitner geraten, als der Nationalspieler einen Tag vor dem Fußball-WM-Finale gegen kritische Journalisten wetterte. Bei aller Fachkompetenz vergaß der Mitbegründer und langjährige Moderator der ZDF-Sendung „Das aktuelle Sportstudio“ nie, dass er Fernsehen für die ganze Familie machte. Auch diese Bodenhaftung machte den gebürtigen Münchner zu Lebzeiten zu einer Reporterlegende. Am Freitagabend starb Valérien im Alter von 88 Jahren an Herzversagen.

Leidenschaft für sein Metier bei Wahrung der journalistischen Distanz war die Devise des Moderators, der von 1963 bis 1988 durch das „Sportstudio“ führte. „Du sollst die Sache lieben, doch in der Liebe Distanz halten“, hat Valérien sein Motto beschrieben. Der Elfenbeinturm des Sportexperten war nicht seine Sache. Das „Sportstudio“ sei eine Sendung, „die Männer sehen wollen und Frauen sehen müssen. Also muss ich mir vor Augen halten, dass die ganze Familie vor dem Bildschirm sitzen könnte“.

„Unerbittlich in der Sache“

„Formvollendet im Ton, doch unerbittlich in der Sache“, hat Dieter Kürten den Interviewstil seines Wegbegleiters beschrieben. Dabei blieb Valérien, der mit 283 Folgen nach Kürten die meisten Ausgaben des „Sportstudios“ moderierte, stets fair und wollte nie Reportagen auf Kosten Anderer machen. Lockere Sprüche und ein Arsenal an bunten Pullovern taten ein Übriges, um ihm die Zuneigung des Publikums und die Bezeichnung „Fachmann mit Herz“ zu sichern. „Wo sammer?“ fragte der Bayern gern mal, wenn er im Studio die Kamera suchte, „Sappradi!“ entfuhr es ihm bei einem überraschenden Ereignis.

Seine große Karriere musste sich der Sohn eines Pressefotografen gegen allerlei Widerstände erarbeiten. Mit 14 Jahren war seine Mutter bei einem Autounfall gestorben, ein Jahr darauf erlag sein Vater einem Herzleiden. Neben Kollegen mit Hochschulabschluss fühlte sich der Reporter ohne Abitur oft klein, wie er in einem Fernsehinterview zugab.

Valériens Berufsweg begann beim „Münchner Merkur“. Nach dem Wechsel zum Bayerischen Rundfunk durfte er 1952 erstmals von Olympischen Spielen berichten – mit Ausnahme des Jahres 1956 sollte er dem Großereignis bis 1996 treu bleiben. Spezialgebiet des begeisterten Skifahrers war außerdem der Wintersport. 1962 wechselte der Journalist zum ZDF, wo er acht Jahre lang die Abteilung Sportfilm/Dokumentation leitete. Vielseitigkeit bewies Valérien als Gastgeber der Verkehrssendung „Telemotor“, gegen Ende seiner Laufbahn moderierte er auch kurz an der Seite von Amelie Fried die ZDF-Talkshow „Live“.

Nur einmal dürfte Valérien seinen Arbeitgeber so richtig enttäuscht haben. 1983 schlug er das Angebot aus, Sportchef des ZDF zu werden. Reporter zu sein sage ihm mehr zu als Verwaltungsarbeit, hat Valérien seine Entscheidung begründet. Eine Rückkehr zum Bayerischen Rundfunk lehnte er mit Verweis auf den „Intrigenstadl“ ebenfalls ab.

Kein Vorbild für Jauch

Geschadet haben ihm die Absagen nicht: Valérien wurde je dreimal mit der Goldenen Kamera und dem Bambi geehrt. „Man hat nur das gemacht, was einem Spaß gemacht hatte“, sagte „Mister Sportstudio“ 2004, als ihm der Ehrenpreis des Bayerischen Fernsehpreises überreicht wurde. „Soll man dafür auch noch einen Preis bekommen?“ Selbst für jüngere Kollegen sah sich Valérien nicht als Vorbild. „Schauen Sie bloß nicht auf mich. Gehen Sie Ihren eigenen Weg“, riet er Günther Jauch zu dessen Einstieg beim „Aktuellen Sportstudio“.

Nach seinem Abschied vom ZDF kommentierte Valérien bis 1997 noch bei Sat.1 und Premiere Golf-Turniere. Für den Sport hatte er übrigens vor 30 Jahren seinen guten Freund Franz Beckenbauer begeistert.

Im Privatleben musste der Bayer nach dem frühen Tod der Eltern noch weitere Schicksalsschläge verkraften. 2007 war seine jüngere Tochter Laila im Alter von 42 Jahren an Brustkrebs gestorben. 1986 erlitt der begeisterte Skifahrer und Schwimmer einen Herzinfarkt. Mit seiner norwegischen Frau Randi lebte er bis zuletzt am Starnberger See. Seine Ehefrau war auch bei ihm, als Valérien auf der Heimfahrt von einem Treffen mit ehemaligen Kollegen und Skirennläufern im Auto starb. „Er ist ganz friedlich eingeschlafen“, sagte der Extremkletterer Stefan Glowacz, der mit Valériens Tochter Tanja verheiratet ist.

dapd