Veröffentlicht inwaz-info

Das Revier muss die Kehrtwende schaffen

Das Revier muss die Kehrtwende schaffen

An dieser Stelle kommentieren Professoren aus dem Ruhrgebiet jeden Montag aktuelle ökonomische Themen. Helmut Karl ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Ruhr-Universität Bochum.

Im Unterschied zu den übrigen Kommunen Deutschlands hat im Ruhrgebiet die Verschuldung der öffentlichen Haushalte seit längerem rasant Fahrt aufgenommen. Seit 2003 stieg die Schuldenlast um jährlich acht Prozent. Pro Kopf summiert sich dies im Schnitt auf 3400 Euro. Das sind etwa 1000 Euro mehr als im Landesdurchschnitt. Innerhalb des Reviers ist Oberhausen mit rund 7000 Euro Schuldenlast pro Einwohner Spitzenreiter.

Aktueller Treiber für die wachsende Verschuldung sind insbesondere kommunale Zinszahlungen. Kreditfinanzierte Ausgaben ziehen wachsende Zinszahlungen nach sich, die wiederum nur durch die Aufnahme neuer Schulden geleistet werden können. Besonders bedenklich ist, dass die Kredite nicht für kommunale Investitionen aufgenommen werden, die Wachstum, Einnahmen und Vermögenswerte schaffen. Stattdessen werden Kassenkredite aufgenommen, die eine Art Dispositionskredit der Städte sind, um neben Zinsen Personal- und Sozialausgaben zu finanzieren. Deshalb haben sie an der Ruhr einen Anteil von fast 50 Prozent an den Gesamtschulden.

Was sind die strukturellen Ursachen dieser Entwicklung? Die politisch Verantwortlichen verweisen gern auf Faktoren, die sie nicht zu verantworten haben. So ist es sicherlich richtig, dass Bund und Land den Kommunen zusätzliche Aufgaben etwa im Zuge der Kinderbetreuung auferlegen, ohne dafür zu zahlen oder eine Finanzierung sicherzustellen.

Aber: Die vor der Wirtschaftskrise gestiegenen Einnahmen wurden nicht zur Tilgung von Schulden eingesetzt, sondern flossen in wachsende Ausgaben. Dabei endet der Blick der Verantwortlichen regelmäßig an der Stadtgrenze, obwohl die Kosten für Konzerthäuser und viele andere Einrichtungen durch Zusammenarbeit im Revier ohne Qualitätsverluste gesenkt werden könnten.

Auch der Hinweis auf wachsende Sozialausgaben kann das Schuldenwachstum nicht hinreichend erklären. Zudem ist deren Anstieg auch ein Indiz dafür, dass Leistungsfähigkeit der kommunalen Sozialverwaltung zu wünschen übrig lässt.

Schließlich trennen sich die Kommunen nicht von Unternehmen und Beteiligungen. Ein Verkauf würde bei der Entschuldung helfen und einen rentablen Betrieb durch Private ermöglichen.

Es gibt somit eine Reihe von Ansatzpunkten, um im Revier eine Kehrtwende anzustoßen. Würden die Schulden hingegen weitgehend vom Land übernommen, wie dies die Oberbürgermeister der Städte wünschen, ist eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten.