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Arbeit muss sich lohnen

Arbeit muss sich lohnen

An dieser Stelle kommentieren Professoren aus dem Ruhrgebiet jeden Montag aktuelle ökonomische Themen. Diesmal: Prof. Gerhard Bosch, Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.

Unsere Verfassung schreibt die Sicherung des Existenzminimums für alle, die nicht arbeiten oder keine Arbeit finden können, vor. Gleichzeitig wissen wir, dass sich Arbeit lohnen muss. Denn die Arbeitsmoral einer Volkswirtschaft wird auf Dauer untergraben, wenn die, die nicht arbeiten, mehr Einkommen beziehen, als die, die arbeiten. Durch das sogenannte „Lohnabstandsgebot“ wollte die Politik den Zielkonflikt zwischen Existenzsicherung und Arbeitsanreiz auflösen. Wer Vollzeit arbeitet, sollte soviel verdienen, dass er keine staatliche Hilfe benötigt.

Solange ordentliche Löhne gezahlt wurden, funktionierte das Lohnabstandsgebot. Die weit überwiegende Anzahl der Beschäftigten konnte für sich selbst aufkommen. Nur Beschäftigte mit mehreren Kindern und niedrigem Einkommen hatten weiterhin Unterstützungsbedarf.

In den letzten Jahren hat sich die Politik vom Lohnabstandsgebot verabschiedet. Mit den Hartz-Gesetzen wollte man den Niedriglohnsektor vergrößern. Dieses Ziel hat man erreicht. Mittlerweile sind rund 6,5 Millionen Beschäftigte Geringverdiener. Die Folgen für den Sozialstaat sind gravierend. 1,3 Millionen Beschäftigte sind sogenannte Aufstocker. Ihr Verdienst liegt unterhalb des Existenzminimums und sie beziehen zusätzlich Hartz IV.

Die Aufgabe des Lohnabstandsgebots hat zu massivem Arbeitgebermissbrauch des Sozialsystems geführt. In vielen Niedriglohnbereichen werden Beschäftigte mit Löhnen unterhalb des Existenzminimums zum Arbeitsamt geschickt, um sich dort die Differenz zu holen. Die Subvention von niedrigen Löhnen kostet den Staat rund 9,3 Milliarden Euro im Jahr. Es handelt sich hier um eine lupenreine Unternehmersubvention, die auf eine Streichliste gehört. Denn es ist kein nachvollziehbarer Grund zu erkennen, warum etwa die Leiharbeitsbranche mit mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr gefördert werden soll.

Das Problem liegt heute nicht in zu hohen Hartz-Sätzen, sondern in zu niedrigen Löhnen. Es widerspricht daher jeder Logik, wenn Politiker den unzureichenden Abstand zwischen den Hartz IV-Sätzen und Erwerbseinkommen kritisieren, wenn sie gleichzeitig selber alles tun, um die Löhne im unteren Bereich abzusenken. Durch deutliche Erhöhungen der unteren Löhne sollte man den notwendigen Lohnabstand wieder herstellen. Nur mit Mindestlöhnen und gleicher Bezahlung für Leiharbeitnehmer wird dies gelingen.