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Umstrittener Historiker-Vortrag – Kritische Professoren wurden ausgebuht

Kritische Professoren bei umstrittenem Vortrag ausgebuht

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Foto: Barbara Zabka
Der umstrittene Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser hat vor 500 Zuhörern an der Uni gesprochen. Er nutzte die Bühne und das Publikum war dankbar.

Witten. 

Verschwörungstheoretiker oder kritischer Fragesteller? Mit dem Vortrag des umstrittenen Schweizer Historikers Daniele Ganser wollte die Universität Witten/Herdecke die Freiheit der Lehre und der Forschung hochhalten. Doch nach Ansicht von Beobachtern konnte der 43-Jährige den Anforderungen an wissenschaftliche Vorträge nicht gerecht werden. Seine Kritiker wurden allerdings ausgebuht.

Rund 500 Menschen kamen zu seinem Vortrag „Fakten, Meinungen, Propaganda – Wie mache ich mir selbst ein Bild?“. Ganser präsentierte sich als geschickter Rhetoriker. Der Zeithistoriker wusste genau um die scharfe Gratwanderung zwischen kritischen Fragen, die er stellte, und den in der Wissenschaft als unhaltbar geltenden „Verschwörungstheorien“, denen eine bestimmte politische Weltanschauung oder Ideologie anhaftet.

Zweifelhafte Quellen

Im ersten Teil seines Vortrags trägt Ganser Beispiele von US-Kriegspropaganda seit dem Vietnam-Krieg vor. Das berühmte Bild des unbekleideten vietnamesischen Mädchens führt der 43-Jährige ebenso an wie die Thesen über die vermeintliche Existenz von Atomwaffen im Irak, womit der damalige Präsident Bush seine Intervention begründet hatte. Die USA als Supermacht – ein „modernes Imperium“, wie Ganser sagt – hätten die Emotionen der Betrachter zugunsten der Kriegstreiberei manipuliert. Alles historisch relativ unstrittig.

Doch die Quellen, die der Schweizer anführt, zumeist Blogs wie „MMnews“, die Bewegungen wie Pegida befeuern, sowie sein Plädoyer, weniger Tagesschau zu sehen und statt der „Mainstream-Medien“ mehr „alternative Medien“ wie den deutschen Ableger des russischen Staatsfernsehens „Russia Today“ zu konsumieren, lassen Kritiker an der Wissenschaftlichkeit seiner Thesen zweifeln.

Während Ganser die Kriegspropaganda der USA anprangert, blendet er gleichzeitig Fotos ziviler Opfer von Bombenangriffen ein. Der Schweizer bedient sich derselben Mittel, die er zuvor kritisiert hatte. Dabei hat er die Emotionen der Zuhörer – keineswegs nur Studenten und Professoren – fest im Griff. Er erhält Applaus bei Kritik an den USA und der NATO, erntet Betroffenheit und Entsetzen darüber, dass die Öffentlichkeit von Regierungen fehlinformiert werde.

Andeutung einer Weltverschwörung

Auch der zweite Teil seines Vortrags über den 11. September, den er als Anlass für sämtliche darauffolgende Kriege einstuft, stößt bei der Mehrheit auf Zustimmung. Ganser wirft die These auf, dass ein drittes Gebäude des World Trade Centers nicht in weiterer Folge der Anschläge, sondern etwa auch durch bewusste Sprengung hätte einstürzen können. Wer diese Sprengung hätte veranlassen sollen, dazu sagt der Schweizer nichts. Das Publikum scheint sich die Frage ohnehin nicht zu stellen, weil es die Antwort womöglich schon weiß. Von Weltverschwörung braucht Ganser da gar nicht zu reden. Man ahnt es ja: Die Amerikaner und die Massenmedien haben uns fest in der Hand. Widerstand zwecklos?

Allein ein paar Professoren, die privat aus Interesse kamen, melden sich zu Wort, um die „rhetorische Manipulation“ und die „Unwissenschaftlichkeit des Vortrags“ zu kritisieren. An diesem Punkt aber hatte Ganser längst das Zepter in der Hand. Der wissenschaftliche Dialog ging unter. Die kritischen Professoren wurden vom Publikum ausgebuht. Daniele Ganser gab bei alledem den vordergründig um Deeskalation bemühten Redner. Zum Schluss dankt ihm der scheinbar überrumpelte Kunsthistoriker David Hornemann von Laer, der Ganser eingeladen hatte, für den „interessanten und schönen Vortrag“.

Für zweiten „Alternativen Wissenskongress“ geworben

Stattdessen nutzen andere Initiativen den Vortrag gegen Ende für Werbung: Sie verteilen Flyer für die zweite Ausgabe des „Alternativen Wissenskongresses“. Eben jene Veranstaltung, die im März im Saalbau stattgefunden hatte und von der sich die AfD-Spitze eilig distanziert hatte. Damals protestierten Hunderte vor dem Saalbau. Redner bei der zweiten Veranstaltung im Februar in Iserlohn soll übrigens kein anderer als eben Daniele Ganser sein.