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Einige Hundert Betten könnten wegfallen

Einige Hundert Betten könnten wegfallen

Vest. 

Drei Krankenhäuser allein in Recklinghausen, drei Kliniken in Marl und drum herum noch eine Vielzahl von Hospitälern. Insgesamt 17 Krankenhäuser gibt es im Kreisgebiet . Eine üppige Größe. Bei 624 249 Einwohnern (Stand 30. Juni 2012) scheint die Zahl jedoch angemessen zu sein. „Natürlich könnte man auch Krankenhäuser schließen, ohne dass die Versorgung zusammen brechen würde“, sagt Gregor Rüter, Geschäftsführer der Vestischen Caritas Kliniken mit ihren beiden Häusern in Datteln und Waltrop und Vorstandsmitglied der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Aber das habe auch etwas mit Qualität und Versorgungsnähe zu tun.

Allerdings zeigt ein Vergleich im Land und über die Grenzen hinaus, wie üppig die Region offenbar versorgt ist. Auf 1000 Einwohner kommen in Deutschland im Durchschnitt 5,7 Krankenhausbetten, in den OECD-Ländern sind es 3,8; in Schweden gar nur 2,1. Und im Kreis Recklinghausen? Da standen 2012 in allen 17 Häusern insgesamt 5096 Betten zur Verfügung – bei knapp 625 000 Einwohner sind das 8,2 Krankenhausbetten je 1000 Einwohner. Also weit über dem Bundesdurchschnitt. Um in etwa diesen zu erreichen, müssten 1534 Betten gestrichen werden.

Eine ganze Menge. Und womöglich auch einige zu viel. Aber selbst bei einer anderen Rechenweise müssten wohl Kapazitäten abgebaut werden. 10 000 von etwa 124 000 Betten in NRW sollen, so ist die Vorgabe der Landesregierung, bis 2015 wegfallen. Neun Prozent. Auf den Kreis umgerechnet wären das immerhin noch 459 Betten. Umgerechnet ein Haus beinahe von der Größe des Knappschaftskrankenhauses in Recklinghausen.

„Wir sind unverzichtbar“, sagt zwar Knappschafts-Direktor Dr. Georg Greve, ohne die großen Häuser Knappschaft kämen es zu Engpässen in den Region und würde die Versorgung nicht mehr passen. Aber auch grundsätzlich gibt es Kritik am blanken Streichen. „Das Bettenzählen ist quatsch“, sagt Dattelns St.-Vincenz-Chef Gregor Rüter. Die Bettenzahl zu reduzieren, sei zwar nicht falsch, so der 63-Jährige. Es gebe durchaus Überangebote in bestimmten Bereichen. Wirklich Sinn würden aber nur strukturelle Veränderungen machen.

In diese Richtung gehen soll immerhin der neue Krankenhausbedarfsplan für NRW, der bis 2015 die notwendige und wohl auch die ökonomisch tragfähige Bettenkapazität bestimmen soll. Die Gesundheitswirtschaft hat zwar bislang das Problem, keine besseren Parameter als die Bettenzahl gefunden zu haben, um das System zu steuern. Immerhin sollen aber weitere Faktoren berücksichtigt werden. Dazu gehört etwa die Zahl der Betten in geriatrischen Abteilung. Sie in ausreichender Zahl zu haben, dürfte ein wichtiger Faktor für den Fortbestand von Kliniken sein.

Die Spezialisierung schreitet weiter voran

Wie viele Krankenhäuser mit wie vielen Betten braucht Nordrhein-Westfalen? Die Landesregierung hat in ihrem Krankenhausbedarfsplan für 2015 die Prognose aufgestellt, dass von den 106 000 Betten zwischen 10 000 und 12 000 entbehrlich sind.

Was heißt das für den Kreis Recklinghausen, in dem 17 Krankenhäuser von insgesamt mehr als 400 Kliniken in Nordrhein-Westfalen bestehen – zum Teil im Verbund mit anderen Häusern der Region?

Zwei Faktoren sind dabei von großer Bedeutung: Nur Kliniken mit einer gewissen Größe haben eine Chance zu bestehen, Verbünde (Grafik) werden damit noch wichtiger. Und: Nicht alle Krankenhäuser bieten mehr alle Leistungen an.

Im Kreis ist beides auf den Weg gebracht. Viele Häuser arbeiten bereits intensiv zusammen oder sind unter ein Dach geschlüpft. Und die Spezialisierungen haben auch bereits begonnen, zum Beispiel auf den Gebiet Geburtshilfe und Gynäkologie. In den Verbünden Klinik Vest und Klinik Verbund Vest wird beides nur noch an einem Ort geboten, das Knappschafts-Krankenhaus in Recklinghausen und das St. Elisabeth-Hospital in Herten haben ihre entsprechenden Abteilung geschlossen. Nur noch die jeweiligen Partner-Häuser, Paracelsus und Prosper, bieten sie jeweils an.

Jedes Haus ist zum Wachstum verdammt

Dr. Georg Greve macht sich und der Branche nichts vor. „Es wird Korrekturen bei der Bettenanzahl geben“, sagt der Knappschafts-Direktor und Aufsichtsrat der Vestischen Klinik GmbH mit ihren Häusern in Marl (Paracelsus) und Recklinghausen (Knappschaft). Wer am Markt bestehen will, müsse größer werden. Greve ist überzeugt: „Jedes Krankenhaus ist zum Wachstum verdammt.“.

Angesichts von stetig steigenden Kosten sei ein Haus nur dann wirtschaftlich zu führen, wenn die Fallzahlen hoch sind und womöglich noch höher geschraubt werden können. Die Knappschafts-Häuser sieht er dabei in einer guten Ausgangslage. Sie hätten alle eine Größenordnung von etwa 500 Betten oder mehr. „Wir sind systemrelevant“, so Greve. Es sei nicht vorstellbar, dass eines der Knappschafts-Kliniken oder Verbundpartner Opfer von der Landkarte verschwinden würden.

Positiv sei auch die aktuelle wirtschaftliche Ausgangsbasis des Klinikums Vest. Es habe im Vorjahr eine schwarze Null geschrieben. In diesen Zeiten ist das ein geradezu respektables Ergebnis, wie auch Gregor Rüter von Vincenz-Hospital Datteln weiß („Eine schwarze Null ist nicht schlecht“) und wenn man bedenkt, was Johannes Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, unlängst voraussagte: „2013 wird voraussichtlich jedes zweite Krankenhaus in NRW rote Zahlen schreiben. Damit würden 200 der 401 Hospitäler an Rhein und Ruhr Verluste einfahren. „Wir brauchen so schnell wie möglich Hilfen von der Bundesregierung“, sagte Brink weiter. Andernfalls sei der Personalabbau „unabwendbar“.

3 Fragen an: Gregor Rüter, Geschäftsführer Vincenz-Krankenhaus Datteln

Herr Rüter, machen Sie sich und Ihre Geschäftsführer-Kollegen im Kreis Sorgen um Ihre Häuser?

Rüter: Die Sorgen sind schon da, aber nicht über Bettenzahlen. Fakt ist, dass wir, gerade weil wir so eng beieinander liegen, einen Kampf jeder gegen jeden austragen. Es ist ein harter Wettbewerb.

2 Bei dem Häuser aufgegeben werden müssen?

Nein, das sehe ich nicht so. Wenn ich mir die Struktur anschaue, dann hat jedes Haus seine Berechtigung. Es kann aber schon sein, dass einzelne Abteilungen aufgegeben werden müssen. Allerdings hat die Sache aus meiner Sicht einen Haken. Ich bin zwar Diplom-Kaufmann, glaube aber dass Gesundheit nicht wie jedes andere Gut handelbar ist. Ein Stück planerisches Eingreifen sollte schon sein.

3 Wie geht das?

Man muss schon gucken, was benötigt wird oder zumutbar ist. Aus meiner Sicht muss es nicht so sein, dass jedes Krankenhaus eine Geburtsabteilung hat. Andererseits sollte es schon so sein, dass überall ein Innere Abteilung und eine Chirurgie vorgehalten wird