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Aktuelle Kirchenaustrittszahlen nur i-Tüpfelchen

Aktuelle Kirchenaustrittszahlen nur i-Tüpfelchen

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Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool

Meschede. 

Von der Volkskirche hat sich Dechant Georg Schröder innerlich schon verabschiedet. Da sind die aktuellen Zahlen zum Kirchenaustritt nur noch das i-Tüpfelchen.

Fast verdoppelt haben sie sich – wenn auch nur im kleinen Bereich – von sechs auf elf allein in seiner Pfarrei Bad Fredeburg. „Glauben können wir nicht produzieren“, sagt er im Gespräch mit DerWesten. „Jeder kann und darf heute seine eigene Entscheidung treffen und das ist auch gut so.“

Die Kirchenaustritte evangelischer und katholischer Christen sind im Dekanatsgebiet – also in Bestwig, Eslohe, Schmallenberg und Meschede – um rund ein Drittel gestiegen von 130 auf 186. Wie stellt sich die katholische Kirche dieser Herausforderung?

Dechant Georg Schröder:

Die Glaubensgrundsätze werden deshalb sicher nicht geändert. Doch dort, wo Kirche im vergangenen Jahr schlecht war, wie bei den Missbrauchsfällen, versucht sie sich zu ändern.

Welche Gründe stecken dahinter, wenn Menschen aus der Kirche austreten?

Dechant Schröder: Offiziell erfahren wir diese Gründe ja gar nicht. Die Menschen erklären ihren Austritt beim Amtsgericht und wir werden nur informiert. Manch ein Priester versucht, sie im Anschluss noch zu einem Gespräch einzuladen. Doch das wird kaum angenommen. Ich vermute, für einen Austritt gibt es viele Gründe: Die Menschen wollen Geld sparen, sie haben sich über Vorfälle in der Amtskirche oder auch vor Ort geärgert. Und manch einer denkt auch, er könnte Glauben und Kirche trennen. Ich habe allerdings meine Zweifel, ob das geht: Glauben leben ohne die stützende Struktur der Kirche.

Menschen, die austreten, sind in der Regel wohl keine regelmäßigen Kirchgänger oder Menschen, die die Kirche im Ehrenamt unterstützen. Ist deren Austritt dann vor allem ein finanzielles Problem?

Dechant Schröder:

Regelmäßige Kirchgänger sind im Erzbistum überhaupt nur noch 14 Prozent aller Katholiken. Doch jeder Austritt vermehrt natürlich die finanziellen Probleme. Auf Dauer werden wir deshalb genauer hingucken müssen, welche Einrichtungen wir halten können. Denn auch in die Kindergärten, die Jugendarbeit und in die Kirchenrenovierungen fließen Kirchensteuermittel. Aber wir sind auch von anderen Faktoren abhängig. Interessanterweise sind in diesem Jahr unsere Kirchensteuereinnahmen gestiegen, obwohl wir immer weniger Mitglieder haben. Einfach, weil die Konjunktur angesprungen ist.

Was halten Sie davon, dass Menschen aus der Kirche austreten, die kirchlichen Angebote wie Kindergärten und Schulen in kirchlicher Trägerschaft wie selbstverständlich in Anspruch nehmen oder sich sogar ärgern, wenn ihr Kind nicht angenommen wird?

Dechant Schröder:

Das erscheint mir schon sehr inkonsequent. Man sollte vorher überlegen, was man tut. Ein Kirchenaustritt ist nicht wie der Austritt aus einem x-beliebigen Verein. Und verständlich finde ich es auch, wenn sich Kirchensteuerzahler darüber ärgern, dass sie andere über ihre Zahlungen alimentieren. Andererseits wird es immer karitative Angebote oder beispielsweise Angebote offener Jugendarbeit – wie die Förderbänder – oder Kindergartenplätze geben ohne Rücksicht auf die konfessionelle Bindung – das ist ein christlich-sozialer Grundsatz.

Wer tritt denn wieder ein?

Dechant Schröder:

Eintritte gibt es nur sehr vereinzelt. Das sind dann meist Menschen, die sich schon beim Austritt sehr viele Gedanken gemacht haben und dann gemerkt haben: Ich brauche für meinen Glauben die Gemeinschaft, ich brauche die Gottesdienste.

Was glauben Sie: Wie kann die Kirche den Menschen wieder für den Glauben und für die Institution Kirche begeistern?

Dechant Schröder:

Es gibt viele Ansätze, zum Beispiel Gottesdienste ansprechender zu gestalten, aber letztlich ist die Bilanz ernüchternd. Glauben können wir nicht produzieren und im Gegensatz zu früher, wo vom Elternhaus, von der Schule und der Gesellschaft viel mehr Druck ausgeübt wurde, ist heute jeder Mensch frei in seiner Entscheidung. Und ehrlich gesagt, finde ich das auch gut so. Vom Gedanken der Volkskirche habe ich mich schon längst verabschiedet.