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Dada im Klassenraum

Dada im Klassenraum

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Foto: NRZ
Zehn Schüler verwandelten das Konrad-Adenauer-Gymnasium Kellen in ein dadaistisches Laboratorium

Kleve. 

Die Kinder haben kein Problem. Zwei hocken gerade am Maltisch und sind so richtig neugierig. Echte Farben sind das nicht, diese Flüssigkeiten in den Bechern, in die man die Pinsel tauchen soll. „Das riecht nach Kaffee, und das ist Kaffee“, sagt das eine Kind. Das andere beäugt den Orangensaft. Am besten mal probieren, denkt es sich, und – schwupps – hat es auch schon einen Schluck gekostet. Ja, das ist Orangensaft, eindeutig. Aber das Rote? Was ist das?

Stimme aus dem Lautsprecher

Ja – was ist das? Was ist überhaupt und warum und wie fühlt es sich an? „Gehen Sie in die Tiefe Ihres Lebens, und Sie müssen Ihrer eigenen Oberflächlichkeit begegnen“, sagt eine Stimme aus dem Lautsprecher. Nein, da redetet weder ein Außerirdischer noch ein tibetanischer Mönch. Wir befinden uns stattdessen in einer öffentlichen Lehranstalt, dem Konrad-Adenauer-Gymnasium in Kleve. Zehn Schüler haben sich mit dem Dadaismus und seinen Nachkommen beschäftigt, und weil nichts langweiliger ist, als eine fast hundert Jahre alte künstlerische Abrissbirne nur zu beschreiben, sind sie selbst zu Dadaisten geworden. Zumindest vorübergehend, für einen Nachmittag. Unter Leitung der Lehrer Beate Reinemuth und Sebastian Thimm haben sie ein sinnliches Panoptikum angelegt, wohltuend abstrus in unserer stets zielorientierten, evaluationssüchtigen Postmoderne.

Das Vorhaben ist allein schon atmosphärisch gelungen. Dunkle Gänge, beleuchtet von wenigen Kerzen. Verwandelte Klassenräume, in denen schon mal alle Interieurs um neunzig Grad gedreht sind – Schule in Hochkant sozusagen. Oder ein Film, der sich selbst erklärt, ohne dass er einen Sinn hätte außer sich selbst. Der ständig anhält und neu in Gang gebracht werden muss. Oder drei verkleidete Typen, die aus 250 Gramm Familie, zwei Teelöffeln Realität, einer Prise Freunde und ganz vielen Chats, Likes und Posts die oder das Lebensgraus zusammenkochen. Bis zuletzt gar ein Plüschherz in die Suppe kommen soll – da zerplatzt dann schlussendlich einem Luftballon die Hülle. „Es ist möglich, dass Sie die Aussage des Kunstwerks komplett verfehlen“, droht ein Schüler schriftlich an. Tja. Dieses Risiko muss man wohl in Kauf nehmen. Mehr noch: Handelt es sich überhaupt um ein Kunstwerk?

Bemerkenswerte Ausstellung

Was sehe ich? Sehe ich? Ich? Die Welt mit Fragezeichen zu versehen, ohne die Auflösung zu kennen – für einen Moment stellt der Spaziergang durch diese bemerkenswerte Ausstellung dieses irre Gefühl her, dass doch alles irgendwie anders ist, als man es sich in der lebenslangen Übung, alles so zu tun wie die anderen, eingeredet hat. Ja, warum sollte eine Farbe nur eine Farbe sein und nicht Orangensaft? In den nächsten van Gogh, den ich sehe, beiße ich hinein. Mal schauen, wie seine Sonnenblumen so schmecken. Den Dadaisten würd’s gefallen.