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Bandidos-Rocker wegen bandenmäßigen Drogenhandels vor Gericht

„Bandido“ wegen bandenmäßigen Drogenhandels vor Gericht

Bei der Großrazzia am 11. Juli 2012 stellte die Polizei diese Waffen sicher. Einer der Angeklagten soll die Maschinenpistolen und Sturmgewehre in seiner Garage in Oer-Erkenschwick gelagert haben.
Bei der Großrazzia am 11. Juli 2012 stellte die Polizei diese Waffen sicher. Einer der Angeklagten soll die Maschinenpistolen und Sturmgewehre in seiner Garage in Oer-Erkenschwick gelagert haben. Foto: Foto: Polizei
Bei einer Großrazzia im Rocker-Milieu stellte die Polizei im Juli 2012 Waffen und kiloweise Drogen sicher. Wegen des Verdachts des bandenmäßigen Drogenhandels wird drei Frauen und drei Männern nun am Landgericht Kleve der Prozess gemacht. Mehrere von ihnen sind oder waren Mitglied der Bandidos.

Kleve/Oberhausen. 

Morgens um Vier stand Miguel S. (55) auf, holte den Transporter aus der Garage, fuhr zum Bäcker, lud Bleche mit Brötchen ein, die seine Frau mit Rührei oder Wurst belegte. Dann fuhren sie vor Schulen und Werkstore, wo Kunden aufs Frühstück warteten. Am Nachmittag gab „Papa“, so nannten man ihn in Oer-Erkenschwick, seine Brötchen für 50 Cent ab, oder er verschenkte sie. Doch in seiner Garage lagerten Maschinenpistolen und Sturmgewehre, in seinem Keller wuchs Cannabis, stapelten sich die Chemikalien, um tonnenweise synthetische Drogen zu kochen.

Nun stehen Miguel S., seine Frau (54) und seine Tochter (28) wegen Verstrickungen in umfangreiche Drogen- und Waffengeschäfte vor dem Klever Landgericht, ebenso, als mutmaßliche Drahtzieher, ein gebürtiger Syrer (29) aus Waltrop, ein Duisburger „Bandidos“-Mitglied (37) und dessen Ex-Lebensgefährtin (40) aus Rheinberg.

Seit 2008 im großen Stil mit Drogen gehandelt

Ein Brötchenverkäufer, der mit Drogen dealt? Das Paar im Zuschauerraum ist fassungslos. Sie sind extra aus Datteln gekommen, weil sie ihn kennen, den gemütlichen Herrn S., gebürtiger Spanier, Bergmanns-Sohn von Gastarbeitern aus der ersten Generation und „ein sehr netter Kerl“. Wie kann es nur sein, fragen sie sich, dass die unbescholtene Familie aus dem hübschen Zechenhäuschen, die den Opa pflegte, ein Geschäft aufbaute, in ein solches Milieu abgleitet?

In Handschellen werden sie in den Saal geführt, lauschen versteinert den Vorwürfen der Anklage, für die der Staatsanwalt 70 Minuten braucht, um sie vorzulesen.

Bereits seit 2008 soll Mohamed K. in großem Stil mit Drogen, vornehmlich Marihuana, gehandelt haben, es müssen mehrere hundert Kilo und viele zehntausend Euro gewesen sein, um die es geht. Als Kurierin stieg später die Oer-Erkenschwickerin Bärbel S. ein. Seit Sommer 2011 soll auch der Duisburger Alex K., ein Freund des Syrers, mit Hilfe seiner Rheinberger Freundin mit Drogen und Waffen gehandelt haben.

Oberhausener Bandidos lösten Chapter nach Razzia auf

Schließlich beschlossen die beiden Männer, sich von Dealern in Holland unabhängig zu machen und selber Drogen herzustellen. Unmengen Chemikalien wurden per Internet für Strohfirmen gekauft, die zunächst in der Rheinberger Wohnung gelagert wurden. Als diese Adresse zu heiß wurde, stellte das Ehepaar S. Garagen und Keller ihres Erkenschwicker Zechenhäuschens für Cannabispflanzen, Waffen und als Drogenküche gegen Entgelt zur Verfügung. Im Juli 2012 ließ die Polizei die ganze Bande bei einer auffliegen und noch am selben Tag lösten die Bandidos ihr Chapter in Oberhausen auf.

Keine leichte Aufgabe für das Gericht, das Beziehungsgeflecht der sechs Angeklagten zu entwirren. Immerhin sagen alle zu ihren Personen aus, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Mohamed K., ein „moderner Junkie“, ist Flüchtlingskind einer syrischen Großfamilie, hat die Schule abgebrochen, ist früh an Drogen geraten: „Was ich intus habe, reicht für die nächsten 1000 Jahre.“ Schließlich verkauft er sie selber. Verheiratet ist er mit einer Kosmetikerin. Er redet gerne und viel.

Alexander K. soll „Secretary“ der Bandidos gewesen sein

Alexander K., hält sich eher bedeckt. Eigentlich ist er Dachdecker mit vielen Zusatzqualifikationen, doch seit einem Arbeitsunfall ist er arbeitslos. Er geht an Krücken. Von 1131 Euro hätten er und seine Freundin gelebt, 545 Euro hätte allein die Miete gekostet. Das ist nicht viel, wenn man dazu noch eine Harley Davidson und einen Mercedes-Kombi fährt. K. soll „Secretary“ des ehemaligen Bandidos-Chapters Oberhausen gewesen sein, in Rockerkreisen ein hohes Tier. Darüber redet er nicht. Schließlich sitzen seine Kumpels im Publikum. Nur soviel: „Wir haben zusammen Partys gefeiert und Ausflüge gemacht!“

RockerbandenSchließlich das nette Ehepaar S., seit 33 Jahren verheiratet, beide haben immer hart gearbeitet, aber nie viel Geld gehabt für sich und die Töchter. Nur die paar Jahre, als sie den Opa pflegten, war es besser. Der schießt 2600 Euro Rente und Pflegegeld zu. Die fehlen, als der alte Herr stirbt. Die Leasingraten, die Hypothek, alles läuft weiter.

2009 bekommt Bärbel S. einen Sonnenbank-Gutschein geschenkt und landet bei Mohamed K.’s Frau. Sie schließt Freundschaft mit dem Paar, man kommt ins Gespräch: Ob das gefährlich sei mit den Drogentransporten, ob das viel Geld bringe? „Schließlich habe ich die Fahrten gemacht“, schildert Bärbel S.. Der Anfang vom vorläufigen Ende.