Der 24-jährige Nils D. soll aus dem Dinslakener Bergarbeiter-Stadtteil nach Syrien gereist sein, um für die IS-Terrormiliz zu kämpfen. Nach seiner Rückkehr wurde er an diesem Wochenende verhaftet.
Dinslaken.
Samstagabend, 19.40 Uhr, eine Tankstelle an der Karl-Heinz-Klingen-Straße in Dinslaken: Vermummte Polizisten springen aus einem Wagen, überwältigen und verhaften einen Mann. Zeitgleich wird seine Wohnung in Dinslaken-Lohberg von Spezialkräften durchsucht. Ein Schlag gegen die Dschihadisten-Szene.
Der deutsche Konvertit Nils D. soll Mitglied der Terrormiliz „Islamischer Staat“ sein, wirft ihm der Generalbundesanwalt vor. Der 24-Jährige soll im Oktober 2013 nach Syrien gereist sein, um dort für die Fanatiker zu kämpfen. Im November vorigen Jahres soll er nach Deutschland zurückgekehrt sein.
Aus Kreisen der Sicherheitsbehörden und seines früheren Umfelds heißt es, dass D. Mitglied in der Lohberger Salafistenszene war, aus der ein gutes Dutzend junger Männer nach Syrien oder in den Irak in den „Heiligen Krieg“ gezogen ist. D. wird von Menschen, die ihn kennen, als Mitläufer beschrieben. Einer, der früher gehänselt und deswegen schnell aggressiv wurde. Früh Vater mit 15 Jahren, Drogenerfahrung, arbeitslos. Und seinem Cousin Philip B. verfallen.
Selbstmordattentat in Mossul
B. machte 2014 Schlagzeilen. Der frühere Pizzabote war im Sommer 2013 nach Syrien gereist und hatte sich bei einem Anschlag auf eine Stellung kurdischer Kämpfer nahe der irakischen Stadt Mossul im August in die Luft gesprengt. Mindestens 20 Menschen sollen bei dem Anschlag gestorben sein.
Die Dinslakener Dschihadisten, die nach Syrien gereist sind, zahlten einen großen Blutzoll. Neben Philip B. sollen drei weitere Dinslakener gestorben sein, heißt es in Sicherheitskreisen. Darunter ist Mustafa K., der Anfang 2014 bundesweit bekannt wurde, weil er sich in Syrien mit einem abgeschlagenen Kopf in der Hand ablichten ließ. In Lohberg heißt es, K. sei von den IS-Terroristen getötet worden, weil er nach Deutschland zurückkehren wollte. Bestätigungen dafür gibt es nicht. Auch Marcel L. und Hasan D. sollen nach FAZ-Informationen umgekommen sein.
Längere Haftstrafe droht
Was Nils D. genau in Syrien getan und ob er Kampferfahrungen gesammelt hat, ist unklar. Die Behörden gehen davon aus, dass er in einem Ausbildungslager des IS war. D. selbst bestreitet diesen Vorwurf. Seit seiner Rückkehr im November soll er auf dem Radar der Behörden gewesen sein, er habe sich aber unauffällig verhalten, eine konkrete Bedrohung sei von ihm nicht ausgegangen, heißt es.
Für D., der am Sonntag in Karlsruhe dem Haftrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt wurde, kann seine Reise ins Kriegsgebiet mit einer längeren Haftstrafe enden. In einem ersten, ähnlich gelagerten Verfahren gegen Kreshnik B. hat das Oberlandesgericht Frankfurt eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Weitere Verfahren laufen in Berlin, München und Düsseldorf.
Salafisten nutzen Notlage der Jugendlichen aus
Dinslaken ist neben Aachen, Solingen und Bonn Zentrum des gewaltbereiten Salafismus in NRW. Mit dem Einsatz am Samstag gehen Polizei und Justiz erstmals massiv gegen die islamistische Lohberger Szene vor.
Die hat sich in dem ehemaligen Bergbau-Stadtteil seit Anfang 2013 gebildet. Damals reisten nach Berichten aus der Gruppe salafistische Werber aus Bonn und München in den 6000-Einwohner-Ort. Die Werber nutzen die hoffnungslose Lage der Jugendlichen in Lohberg aus, die dort kaum noch Lehrstellen finden.
Wie „Bild am Sonntag“ berichtet, soll der entscheidende Hinweis vom US-Geheimdienst gekommen sein. Das allerdings wird aus nordrhein-westfälischen Sicherheitskreisen zurückgewiesen: Die Amerikaner hätten keinesfalls eine entscheidende Rolle gespielt. „Wir haben gefährliche Rückkehrer verstärkt im Blick“, sagte gestern NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Die Festnahme von Nils D. sei Beleg, dass „die Behörden wachsam sind und entschlossen handeln“.