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Briloner Unternehmer hofft auf einen letzten Trumpf vor Gericht

Briloner Unternehmer vor Gericht

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Foto: WP Ted Jones
Vor dem Landgericht Arnsberg hat am Montag der Prozess gegen den Unternehmer Gerhard S. aus Brilon begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 62-Jährigen verschiedene Betrugs- und Insolvenzvergehen im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch seines Firmenimperiums vor. Der Vermögensschaden soll mehr als 140 Millionen DM betragen.

Arnsberg/Brilon. 

Das letzte Kapitel einer fast unendlichen Justiz-Geschichte könnte am kommenden Freitag geschrieben werden. Der Briloner Unternehmer Gerhard S. , der einst eines der größten Firmen-Imperien im Sauerland besaß, könnte, so sieht es nach dem Prozessauftakt am Montag aus, am Ende dieser Woche zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt werden. Ihm werden Betrugs- und Insolvenzvergehen vorgeworfen.

Seit 2004 liegt die 398 Seiten starke Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bielefeld beim Landgericht Arnsberg. Mehrmals fiel der Start der Hauptverhandlung wegen einer ärztlich attestierten Verhandlungsunfähigkeit des heute 62 Jahre alten Kaufmanns aus. Die Anklagebehörde wirft ihm 60 verschiedene Betrugs- und Insolvenzvergehen zwischen Frühjahr 1998 und Frühjahr 2001 vor. Sie hatte in 170 Fällen ermittelt.

„Sie haben gesagt, es geht Ihnen nicht gut“, spricht Richter Klaus-Peter Teipel kurz nach dem Prozessauftakt in Richtung des in einen dunklen Anzug mit rosafarbenem Hemd gekleideten Mannes auf der Anklagebank – und unterbricht die Verhandlung, damit ein vom Gericht bestellter Mediziner sich ein Bild vom Gesundheitszustand des Sauerländers machen kann. Dessen gutachterliche Meinung: S.’s Vernehmungsfähigkeit ist aufgrund einer chronischen Erkrankung eingeschränkt. Er darf nur eine Stunde am Stück dem Geschehen folgen, anschließend benötigt er eine halbstündige Pause.

2008 sollen die angemeldeten Forderungen 100.811.606,76 Euro betragen ­haben.

S. hat sich im Alter von 16 Jahren selbstständig gemacht, erzählt er bei seinen „Angaben zur Person“, beim Zusammenbruch seiner Gruppe im Frühjahr 2001 „habe ich mein gesamtes Vermögen verloren“, so der Oldtimer-Liebhaber. Seine Ehefrau alleine bestreite den „ehelichen Lebensunterhalt“, liest er in Gegenwart seines Verteidigers aus einer Düsseldorfer Kanzlei seinen vorgefertigten Text ab. Seine Verfahren zu seiner Privatinsolvenz seien noch nicht abgeschlossen. Im Jahr 2008 sollen, so heißt es, die angemeldeten Forderungen 100.811.606,76 Euro betragen ­haben.

Ein tiefer Fall des begeisterten Skatspielers, könnten Beobachter meinen. Viele Jahre hatte der Unternehmer, der es vom kleinen Ölhändler bis zu einem geachteten Mitglied der Briloner Gesellschaft gebracht hatte, offenbar gerne volles Risiko gespielt und viele Trümpfe in der Hand gehalten. Doch eines Tages hatte sich der Chef eines Firmen-Geflechts mit bis zu 1000 Mitarbeitern (u.a. Stahlbau, Tankstellen, Immobilien) wohl überreizt. Am Neuen Markt soll er viel Geld verloren haben, erzählt man sich in Brilon, und anschließend, so erzählt man sich in der Anklagebehörde, soll er geschummelt haben. Sein guter Ruf, sein sicheres Auftreten und seine umgängliche Art öffneten ihm offenbar die Türen vieler Kreditinstitute und Versicherungen in Südwestfalen und im ganzen Bundesgebiet – aber auch unwahre Angaben über seine finanzielle Situation, wie Staatsanwalt Lothar Hirschberg beim Verlesen der Anklageschrift über die „beherrschende Person“ der S.-Gruppe mit mehr als 80 Unternehmen erläuterte.

Vermögensschaden soll mehr als 140 Millionen DM betragen

Im Wissen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz habe er unter „Vorspiegelung falscher Tatsachen“, sprich: unzutreffende Vermögens- und Schuldenaufstellungen sowie selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen bei Bankern und Versicherern den „irrigen“ Eindruck erweckt, er „könne für die Rückzahlung von Krediten Sorge tragen“. Zudem soll er Vermögen Familienmitgliedern geschenkt haben. Insgesamt soll der Vermögensschaden mehr als 140 Millionen DM betragen.

Nachdem sich die Prozessbeteiligten im April zu einem Vorgespräch getroffen hatten, blieben aus den 60 Anklagepunkten sieben übrig. Nachdem sich Richter, Anklage und Verteidigung am Montag in einer Pause zurückzogen, kam ein Vorschlag des Gerichts auf den Tisch: Wenn S. in Bezug auf die verbliebenen Taten geständig ist, wird ihm eine Freiheitsstrafe zwischen 2 Jahren und 1 Jahr und 10 Monaten in Aussicht gestellt. Bei den Verfahrensbeteiligten soll grundsätzliche Bereitschaft bestehen, heißt es.

Somit könnte der Prozess am Freitag zu Ende gehen.