Brilon.
Die gestrige Verhandlung in der Strafsache wegen falscher Verdächtigung gegen den Kommunalpolitiker Reinhard Loos vor dem Amtsgericht Brilon hatte schon was von Kleists Michael Kohlhaas.
Aus einem nahezu unbedeutenden Autounfall vor über einem Jahr hatte sich inzwischen ein handfester Prozess ergeben, in dessen Verlauf der Mandatsträger der Briloner bzw. der Sauerländer Bürgerliste die Staatsanwaltschaft mit juristischen Spitzfindigkeiten beharkte.
„Sie inszenieren hier einen politischen Schauprozess“, raunte der sichtlich genervte Vorsitzende Richter Hans-Werner Schwens, nachdem Loos, der sich selbst verteidigte, einen gut einstündigen Vortrag über die Befangenheit der Staatsanwaltschaft gehalten hatte.
Auslöser für das Verfahren war ein Autounfall an einer Tankstelle in Brilon im Februar 2012, in den der Sohn des Angeklagten verwickelt war. Loos war zum Unfallort gekommen, wo es offenbar zu einer Diskussion mit zwei Polizeibeamten – einer Polizistin und ihrem männlichen Kollegen – kam. Der Polizist habe dabei den deutlich schlankeren Reinhard Loos umgestoßen – so die Version des Angeklagten, der nach dem Vorfall Anzeige wegen Körperverletzung gegen den Beamten erstattete. Der wiederum stritt alle Vorwürfe ab. Er habe nur schützend seinen Arm zwischen Loos, der sich bedrohlich verhalten habe, und seine Kollegin gehalten, worauf sich Loos zu Boden habe fallen lassen. Die Kreispolizeibehörde zeigte ihrerseits Reinhard Loos an – wegen falscher Verdächtigung.
Zur gestrigen Hauptverhandlung erschien der Angeklagte Loos mit einem Wäschekorb voller Akten und stellte nach weitschweifigen Ausführungen den Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens. Grund: Der anwesende Staatsanwalt sei „der verlängerte Arm“ von Oberstaatsanwalt Werner Wolff. Wolff, als CDU-Mann politischer Gegner von Loos im Kreistag, sei „offenkundig aufgrund seiner politischen Tätigkeit befangen“, so Loos: „Ein faires Verfahren ist nicht möglich.“ Der Staatsanwalt konterte: „Ich verwahre mich gegen solche Äußerungen.“ Schwens lehnte den Antrag ab.
Loos indes holte immer wieder aus und wies auf „unfassbare Ermittlungsfehler“ seitens der Polizei und Staatsanwaltschaft hin. So habe er dem Polizisten keinen Vorsatz vorgeworfen, wie es in der Anzeige gegen ihn heiße. „Der Polizeidirektor sollte den Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit kennen“, bemerkte er.
Derlei Geplänkel wäre letztlich unnötig gewesen, denn die Wende im Prozess brachte ein Überwachungsvideo der Tankstelle, an der besagter Unfall passiert war, und das dem Gericht vorgeführt wurde. Darauf ist zu erkennen, wie der Polizeibeamte mit ausgestreckten Armen auf Loos, der keinen bedrohlichen Eindruck macht, zugeht und ihn offenbar umstößt. Und zwar so eindeutig, dass selbst der Staatsanwalt auf Freispruch plädierte – zu dem es letztlich auch kam.
Merkwürdig: In den Ermittlungen hatte der Videoausschnitt keine Rolle gespielt. „Es tut mir sehr leid, dass bei der Polizei nicht richtig ermittelt worden ist“, sagte Richter Schwens in seinem Schlusswort – und in Richtung Loos: „Sie sind ein schwieriger Zeitgenosse, was ja nicht schlecht sein muss.“ Der wiederum stellte abschließend die offene Frage: „Welche Folge hat das alles für die Akzeptanz der Polizei?“