- Bis 40 Prozent der Abrechnungen des EvK werden geprüft
- Hauptsächlich Zweifel an Aufenthaltsdauer im Krankenhaus
- Kasse: Vorabzusage schränkt medizinische Entscheidungsfreiheit ein
Hattingen.
Ein „Riesenärgernis“ ist für Ulrich Froese, Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses und Vorstandsmitglied im Zweckverband der Krankenhäuser des Ruhrkohlenbezirks, das Ausmaß der abgerechneten Fälle, die die Krankenkassen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Überprüfung geben (wir berichteten). Er fordert, dass Patienten über eventuelle Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Kasse und Klinik informiert werden. Er wünscht sich zudem eine Kostenübernahmegarantie vor geplanten Eingriffen.
„Das Gesetz sieht Stichproben der Abrechnungen vor, aber was passiert, hat das Stichprobenausmaß inzwischen weit überschritten“, sagt Froese. 30 bis 40 Prozent der Abrechnungen würden mittlerweile in die Prüfung gehen. „Das überfordert uns.“ Abgerechnet wird nach diagnosebezogenen Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, kurz DRG). „Da geht es auch darum, welche Prozeduren ich codieren kann, es gibt Regeln, die eindeutig bis interpretierbar sind“, zeigt Froese auf.
Andreas Auen, Leiter des Leistungsmanagements der Klinik, verweist auf die obere und untere Grenzverweildauer eines Patienten nach diesen Richtlinien. „Alle hatten sich ja ein objektives Bewertungssystem gewünscht. Aber was dabei herauskommt, hat mit der Realität oft nichts zu tun“, bemängelt Froese. Stetig, sagt Geriater Dr. Thomas Jeromin, zuständig für die Fortbildung der Ärzte des Hauses in diesem Bereich, würden die Ärzte auch in den Änderungen geschult. 50 Prozent der Arbeitszeit würde inzwischen für die Administration benötigt – sowohl seitens der Ärzte, als auch seitens der Pfleger. „Die Ansprüche an die Dokumentation wachsen schneller als die EDV-Systeme dafür“, so Froese.
Der Klageweg dauert zu lange
In 60 Prozent der geprüften Fälle handele es sich um eine Fehlbelegungsüberprüfung, es werde angezweifelt, ob der Patient wirklich so lange im Krankenhaus liegen musste. Eine „sach- und fachgerechte Beurteilung findet nicht statt. Im Grunde hat man nicht die Möglichkeit, ein Heilverfahren so umzusetzen, wie man sich das vorstellt“, sagt Jeromin. Für sinnlos hält er viele Anfragen, für willkürliche Entscheidungen. Jede Überprüfung verursacht Arbeit: Stellungnahmen sind erforderlich, Akten müssen zusammengestellt und verschickt werden. Und das alles nur, so Auen, weil Kassen sparen wollten.
Der Klageweg wäre häufig ein zu langer. „Wir hatten einen Fall, der jetzt abgeschlossen wurde – und im Jahr 2006 zur Anklage gekommen war. Wir mussten zehn Jahre lang auf die Vergütung warten, die Sozialgerichte sind überlastet“, berichtet Froese.
Auen zeigt noch ein Problem an einem konkreten Fall auf: Teilstationäre Dialysen seien nicht mehr gewünscht, alles solle ambulant gemacht werden. „Wir haben aber auch einen Ausbildungsauftrag“, betont Auen. „Haben wir keine Dialysen mehr, wie sollen die Ärzte das dann lernen?“
Nur selten Zweifel an Indikationen
Dr. Peter Dinse vom MDK Westfalen-Lippe erklärt, dass Indikationen selten angezweifelt würden. „Es wird eher geschaut, ob ein Einzelfall in der richtigen Fallgruppe gelandet ist. Die Codierung wird angezweifelt. Oder auch, ob die angegebene Verweildauer in der Klinik notwendig war. Das sind die beiden großen Fragefelder. Wir werden nur im Auftrag der Kassen tätig“, betont er. Bei Auffälligkeiten sei die Kasse gesetzlich zur Überprüfung verpflichtet.
Christian Elspas, Sprecher der TK NRW, sieht die medizinische Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, wenn die Kassen – was nur durch eine Gesetzesänderung möglich wäre – vorab eine Kostenzusage für geplante Eingriffe wie Knie- oder Hüftersatz oder Herzschrittmacher geben würden. „Wenn dann während der Operation noch ein anderes Problem auftaucht, dann gibt es doch dafür keine Zusage.“ Außerdem betont er, dass das EvK bei Prüfungen seiner Kasse unterdurchschnittlich vertreten sei.
Unauffällig sei auch die Menge der Überprüfungen von EvK-Rechnungen bei der Barmer, sagt Barmer-GEK-Landespressesprecherin Sara Rebein. Sie verweist darauf, dass „die Kassen den MDK spätestens sechs Wochen nach Erhalt der Rechnung einschalten müssen. Findet der MDK keine Beanstandung, müssen die Kassen für den Fall 300 Euro ans Krankenhaus zahlen.“