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Sündige Bilder und Sex in den Akten

Sündige Bilder und Sex in den Akten

Aktaufnahmen Willi Lehmacher.jpg
Foto: WP
  • Neue Folge der Liebesserie
  • Sexy Fotos im Archiv der Stadt Hagen
  • Peepshow in der Düppenbecker Straße

Hagen. 

Ein Profi hat vor mehr als 60 Jahren auf den Auslöser gedrückt. Willi Lehmacher, einer der ersten hauptberuflichen Pressefotografen, der auch für unsere Zeitung in der Stadt unterwegs war. Die Fotoserie zeigt eine junge Frau: So wie der liebe Gott sie schuft, schmiegt sie sich auf grüner Wiese an ein Auto. Wären diese Bilder damals an die Öffentlichkeit gelangt . . . „Das“, sagt Dr. Ralf Blank, „wäre ein handfester Skandal gewesen. Sowohl für den Fotografen als auch für die junge Dame hätte das Konsequenzen gehabt.“

Erotik in einer Zeit, als in Hagen von einer sexuellen Revolution noch Lichtjahre entfernt war: „Der Film ,Die Sünderin’ mit Hildegard Knef sorgte zu dieser Zeit deutschlandweit für Proteste“, so Blank mit dem Blick auf das Werk des Regisseurs Will Forst, in dem die Schauspielerin für Sekunden nackt zu sehen ist. Die Demonstrationen – von den Kirchen initiiert – richteten sich aber vor allem gegen die Thematisierung von Prostitution und Suizid in dem Streifen.

SommerserieDie aus der Foto-Serie sind allerdings nicht die einzigen Erotik-Aufnahmen im Archiv der Stadt Hagen. Weitere Bilder eines nicht bekannten Fotografen zeigen Aufnahmen der ersten (und wohl einzigen) Hagener Peep-Show. Eine Frau räkelt sich mit gespreizten Beinen vor der Kamera. Im Hintergrund sind die Klappen zu sehen, die sich aus den Kabinen heraus öffnen ließen und den Kunden den Blick auf die nackte Weiblichkeit freigaben.

Pornokino wird zur Peepshow

Eingerichtet wurde die Peepshow Ende der 70er-Jahre von den Besitzern des Hauses an der Düppenbecker Straße 12, in der sich auch heute noch zahlreiche Bordelle befinden. Zu dieser Zeit gab es in den Großstädten der Umgebung ähnliche Etablissements. Das erste in Deutschland eröffnete 1976 in München.

Ursprünglich befand sich im Erdgeschoss des Hauses im Hagener Rotlichtviertel eine Pornokino. Die Peepshow in der ersten Etage war über eine Treppe zu erreichen, die eigens dafür eingebaut wurde. 5 Mark kosteten fünf Minuten in der Kabine. Die Damen, die auf der kleinen Bühne ihren Körper präsentierten, kamen in der Regel nicht aus Hagen. Ihre Liebesdienste boten sie als Prostituierte in Zimmern an, die in den Etagen über der Peepshow lagen.

Von Prostitution in der Stadt zeugen auch weitere Berichte und Akten, die im Archiv der Stadt Hagen lagern. So wie der aus dem „Herrmann“, der ersten in Hagen erscheinenden Zeitung: Im Juni 1814 berichtete das Blatt über eine Dame Namens Catharina Engel, „die schon seit Jahren einen höchst unkeuschen Lebenswandel führt“. Weiter heißt es: „Mit dem Fortschritt in ihrem schmutzigen Gewerbe schwand das Ehrgefühl mehr und mehr, seit Monaten macht sie aus demselben kein Geheimnis“.

Liebe in aller Öffentlichkeit

Zu Zeiten der napoleonischen Befreiungskriege muss sich die Frau schwedischen Soldaten hingegeben haben, die durch Herdecke zogen. In aller Öffentlichkeit habe sie es mit einem Soldaten getrieben. Und zwar so, dass selbst Kinder Augenzeugen wurden. Zu einer Zeit, als nach preußischem Landrecht Prostitution mit einer Haftstrafe von drei Monaten geahndet wurde. „Sogar sechs Monate, wenn durch solche Handlungen oder auch nur unzüchtige Reden und Erzählungen unschuldige Kinder zur Ausschweifung der Wolllust gereizt werden.“

Einen Aufschwung erlebte die Prostitution mit der zunehmenden Mobilität – vorzugsweise in der Nähe der Bahnhöfe in Großstädten. „Ob das in Hagen ähnlich gewesen ist, wissen wir nicht genau“, sagt Dr. Ralf Blank, „die Akten geben dazu relativ wenig her.“

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert allerdings mehren sich die Hinweise in den Akten des Oberbürgermeisters auf Syphilis, Krätze und Filzläuse, wie die Historikerin Stephanie Marra schreibt. Prostituierte wurden zu dieser Zeit mehr als einmal pro Woche untersucht. Um dem zu entgehen, zogen sich viele in die Anonymität größerer Städte zurück.

Ein Beispiel dafür ist der Fabrikarbeiter Karl Fischer, der wegen Syphilis am 22. Juli 1897 in der städtischen Klinik untersucht wurde. Er gab an, Geschlechtsverkehr mit dem Dienstmädchen Minna Hudermann gehabt zu haben. Dieses wiederum wurde deshalb am 30. September von der Polizei vernommen. Affären mit drei weiteren Männern räumte die 23-Jährige ein. Allerdings bestritt sie vehement, als Prostituierte zu arbeiten.

Die Sehnsüchte der Soldaten

Von der „ganz normalen“ Liebe zeugen unter anderem die Briefe und Tagebucheinträge der Soldaten an der Front. So wie der eines 19-Jährigen, der seine Freundin in Hannover kennengelernt hatte. „Ob wir uns je wiedersehen?“ fragt er in einem seiner Einträge.

„Davon“, sagt Blank, „gibt es viele. Mit dem Thema Liebe und Sexualität wird man als Archivar immer wieder konfrontiert. Mit den schönen Seiten. Aber wenn man beispielsweise an die Zwangssterilisation einer Frau mit vermeintlichen sado-masochistischen Vorlieben im Dritten Reich denkt, auch mit den dunklen.“