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„Langeweile in einer Beziehung muss man aushalten können“

„Langeweile in einer Beziehung muss man aushalten können“

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Foto: WP Michael Kleinrensing
  • Paartherapeut Volker Dornheim im Gespräch
  • Männer tun sich schwerer, Dinge anzusprechen
  • Beziehung basiert auf Vertrauen, nicht auf Kontrolle

Vorhalle. 

Volker Dornheim (38) besitzt in Vorhalle eine Praxis für Einzel- und Paarberatung. Der katholische Diplom-Theologe und Ehe-, Familien- und Lebensberater will Menschen in persönlichen Krisen und Beziehungskonflikten auf professionelle Weise unterstützen und begleiten.

Welchem Therapieansatz folgen Sie?

Volker Dornheim:

Ich bin kein Therapeut. Das ist wichtig, denn einer Therapie geht eine Krankheit voraus. Die Menschen, die zu mir kommen, sind aber nicht krank. Vielmehr sind sie in ihrer Beziehung an eine Grenze gekommen, an der sie nicht weiter wissen. Und dann kommen sie zu mir, um sich Rat zu holen. Zugegeben, das führt bisweilen zu Missverständnissen.

Inwiefern?

Dornheim: Manchmal halten mich die Leute wirklich für eine Art Arzt, der eine Diagnose stellt und eine Therapie empfiehlt. Ich höre aber erstmal nur ganz lange zu. Ich kann Beziehungsprobleme nicht beseitigen wie ein Zahnarzt den Zahnschmerz. Ich lasse die Menschen reden, lange reden, und das ist oft schon der erste Schritt, um eine verkrustete Beziehung aufzubrechen. Dann schicke ich sie auf den Weg.

Sie schicken Sie auf den Weg?

Dornheim: Ja, in vielen Beziehungen endet ein Streit oft, bevor er richtig begonnen hat, weil ein Partner zumacht mit den Worten: Ich weiß, was jetzt kommt, das muss ich mir nicht schon wieder anhören. Viele Dinge haben sich eingeschliffen, totgelaufen. In meiner Praxis darf jeder ganz weit ausholen, so dass der Partner oft erstaunt ist über das, was er da zu hören bekommt. Ich rate dem Paar dann zum Beispiel, sich zukünftig mal wieder eine Stunde Zeit für sich selbst zu nehmen und sich vom Alltag zu erzählen.

Klingt banal…

Dornheim: Mag sein, doch es kann helfen. Es gehört zum Innenleben einer Beziehung, die Banalitäten des Alltags zu organisieren und zu bewältigen. Es sollte zwischendurch auch immer wieder die schönen Momente geben, doch Normalität und Langeweile muss man aushalten können. Das überfordert heutzutage viele Paare.

Muss man die schönen Momente auch organisieren?

Dornheim: Man muss es nicht minutiös planen, aber es ist wichtig, dass sich ein Paar als Paar erlebt. Vor allem wenn Kinder da sind, vergessen die Partner das schnell. Das geht so weit, dass Männer ihre Frau, erst in Gegenwart der Kinder und bald gewohnheitsmäßig, als Mama ansprechen.

Wie kann man denn Abwechslung in den Alltag bringen?

Dornheim: Das kann ein Kino- oder Theaterbesuch sein oder ein gemeinsames Essen im Restaurant oder eine Wanderung, das muss jedes Paar für sich selbst herausfinden. Dazu braucht man die Großeltern oder einen Babysitter, aber das ist die Sache allemal wert. Plötzlich merkt man, dass man wieder im Spiel ist, dass da Romantik drin ist, dass das Herz klopft und der Partner noch attraktiv ist für einen.

Und wenn nicht?

Dornheim: Ich würde einem Paar nie von mir aus zur Trennung raten, aber manchmal kommt dieser Wunsch von allein und kann wie eine Befreiung wirken. Dann unterstütze ich das. Paarberatung heißt ja nicht, unter allen Umständen zusammenzubleiben.

Gibt es ein Patentrezept für eine glückliche Beziehung?

Dornheim: Leider nicht. Aber sehr wichtig ist es zu akzeptieren, dass nicht immer alles Sonnenschein ist. Und man darf nicht jeden Streit über den Besuch bei der Tante oder die vier Reifen, die da immer noch herumliegen, dramatisieren, nicht jeden Konflikt aufs Ganze übertragen.

Sind wir Menschen überhaupt für lebenslange Beziehungen geschaffen?

Dornheim: Was heißt das – geschaffen? Das weckt bei mir sogleich theologische Assoziationen. Ich persönlich glaube, dass es schon die Sehnsucht eines jeden Menschen ist, mit einem Partner glücklich zu sein; und das beinhaltet den Wunsch, dieses Glück für immer zu teilen. Auch wenn aus Sicht der Gesellschaft eine Trennung heute durchaus als normal empfunden wird, empfinden die Betroffenen das häufig als persönliches Scheitern.

Ist es nicht schwer, den Richtigen oder die Richtige zu finden?

Dornheim: Jein. Ich würde eher sagen: das Richtige. Es gibt Menschen, die scheitern in jeder Beziehung am gleichen Fehler, etwa an ihrer Eifersucht.

Eifersucht geht gar nicht?

Dornheim: Jein. Einerseits ist es völlig normal eifersüchtig zu sein, weil man den Partner liebt und nicht verlieren will. Aber sobald die Eifersucht wichtiger wird als die Liebe, ist sie nicht in Ordnung. Denn Eifersucht ist kein Zeichen von Liebe, sondern nur deren Begleiterscheinung. Eine Beziehung basiert auf Vertrauen, nicht auf Kontrolle.

Ist ein Seitensprung eigentlich die Regel oder die Ausnahme in einer Beziehung?

Dornheim: Er passiert jedenfalls viel häufiger als man vielleicht annehmen würde. Und er geschieht häufig aus dem Bedürfnis heraus, aus einer Beziehung, die als allzu fest und unveränderlich wahrgenommen wird, auszubrechen und als attraktiv wahrgenommen zu werden und nicht als Mama. Bei Frauen ist das jedenfalls so.

Welche Rolle spielt denn Sex in einer Beziehung?

Dornheim: Wenn ein Partner das Gefühl hat: Ich weiß, was jetzt kommt, es ist ja doch immer das Gleiche, dann sollte er das auch sagen. Der Königsweg ist immer, ein Anliegen auszusprechen. Abwechslung beim Sex ist wichtig, aber nicht um des Neuen willen, sondern um sich als Paar neu zu erleben. Es muss beiden gefallen, das Gespür weist den Weg.

Ticken Männer – als Teil einer Beziehung – anders als Frauen?

Dornheim: Ich kann da leider nicht anders als ein Klischee zu bedienen: Männer tun sich schwerer, Dinge auszusprechen. Wenn ein Paar zu mir in die Praxis kommt, dann fängt fast immer die Frau an zu reden. Bis ein Mann überhaupt zur Paarberatung geht, muss schon viel passiert sein. Möglicherweise folgen wir auch hier stereotypen Beispielen: Reflektiert James Bond jemals über seine Empfindungen? Nein, aber Frauen exponieren sich in Filmen ständig und sprechen über ihre Gefühle. Und all das prägt unsere Erwartungen und Vorstellungen.