In der Gelsenkirchener Innenstadt gibt es am Tag nach der Kommunalwahl in NRW nur ein Thema: das historisch starke Ergebnis der AfD in der Ruhrpott-Stadt. Um ein Haar hätte die Rechtsaußen-Partei die 30-Prozent-Marke geknackt und liegt im Rat nur knapp hinter der SPD (mehr dazu hier >>>).
Überall in NRW konnte die AfD zulegen, verdreifachte vielerorts ihr Ergebnis. Doch nirgendwo war die vom Verfassungsschutz im Laufe des Jahres als rechtsextrem eingestufte Partei erfolgreicher als in Gelsenkirchen. „Leider sehr traurig“, bezeichnet das Melina Lauschus (27), die ihre Stimme der LINKE gegeben hat. „Wir sind froh, dass das so gekommen ist“, hält AfD-Wähler Ralf Becker (54) im Interview mit DER WESTEN dagegen. Ein Stimmungsbild kurz nach der Kommunalwahl aus Gelsenkirchen.
Gelsenkirchener wählen AfD: „Weil die immer nur viel labern“
„Gelsenkirchen ist nicht mehr so, wie es früher war“, findet Ralf Becker, der nach eigenen Angaben seit zwei Jahren in Gelsenkirchen wohnt. Der 54-Jährige prangert den Müll auf den Straßen an, Respektlosigkeiten und Kriminalität. Wer straffällig würde und keinen deutschen Pass hat, der solle Deutschland verlassen müssen, findet der AfD-Wähler.

Das Vertrauen in Politiker der Mitte habe er komplett verloren: „Weil die immer nur viel labern und nichts machen.“
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Sabine, die nach eigenen Angaben seit sieben Jahren in Bahnhofsnähe wohnt, bläst ins gleiche Horn: „Nachts ist immer Theater (…) Es sieht aus wie im Ghetto.“

Andere bekennen sich nicht konkret zur AfD, wundern sich nach eigenen Angaben aber nicht über das Ergebnis. „Ich finde es traurig, was aus Gelsenkirchen geworden ist“, sagt etwa Christine R. (56).
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„Ich lasse mich nicht vertreiben“
So sieht es auch Sarah Hentschke (39), die nach fünf Jahren aus Gelsenkirchen weggezogen ist. „Es hatte sich in den letzten zwei Jahren so zugespitzt, dass wir gesagt haben: ‚Wir lassen die Kinder nicht mehr alleine raus.‘ Obwohl wir in einer guten Gegend gewohnt haben.“ Sie habe sich mit ihrer Familie nicht mehr sicher genug gefühlt, bereut den Schritt auch nicht. Gelsenkirchen brauche ihrer Meinung nach etwa eine höhere Polizeipräsenz.

Auch viele Freunde von Christina R. hätten Gelsenkirchen aus ähnlichen Gründen bereits den Rücken gekehrt. „Mir hat noch keiner was getan“, betont die 56-Jährige aber .“Ich fühle mich jetzt nicht unsicher. Aber es ist nicht schön, weil jeder schlecht redet von Gelsenkirchen.“ Dabei habe Gelsenkirchen auch seine schönen Seiten. Ihr Fazit: „Ich lasse mich nicht vertreiben.“

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Dass die AfD des Rätsels Lösung ist, sehen aber 70 Prozent der Gelsenkirchener nicht. Bei Melina stoßen die rechten Parolen ohnehin auf taube Ohren. „Ich finde das Menschenrechte für alle gelten sollten, unabhängig davon wo sie herkommen.“ Wie es in Gelsenkirchen aussieht, sei aber auch der 27-Jährigen ein Dorn im Auge.

Damit die Menschen in der Ruhrpott-Stadt wieder Vertrauen in demokratische Prozesse gewinnen, rät sie: „Vielleicht einfach mal ein bisschen mehr um die Stadt kümmern. Es ist sehr schmutzig, hier liegt sehr viel Müll. Mann sollte das nicht nur auf die Ausländer schieben. Alle sollten mit anpacken. Das würde schon viel ändern.“ Statt Sozialausgaben zu kürzen, sollte die Politik dringend dort Geld investieren, wo dringend Bedarf besteht. „Konkrete Maßnahmen, die auch wirklich umgesetzt werden, sehe ich hier seit Jahren nicht.“ Und wertvolle Ideen von der AfD? „Überhaupt nicht, nein.“




