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Essener Integrations-Etat wird für Kulturprojekte geplündert

Essener Integrations-Etat wird für Kulturprojekte geplündert

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Foto: WAZ FotoPool
Mit den für Migranten vorgesehenen Finanzmitteln werden in Essen Kulturprojekte gefördert: Kulturdezernent Andreas Bomheuer spricht von einem neuen Arbeitsansatz in der Integrationspolitik, seine Kritiker werfen ihm dagegen Etikettenschwindel vor.

Essen. 

Kultur- und Sportdezernent Andreas Bomheuer steht in der Kritik: Er lasse die Integration, für die er auch zuständig ist, links liegen. Mehr noch: Er plündere den für das Thema reservierten Innovationshaushalt, um Kulturprojekte zu finanzieren, für die die Mittel fehlen. In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Kultur und Integration kam es zum Schlagabtausch.

Es ging um sieben Projekte, die mit insgesamt 340.000 Euro gefördert werden sollen – das entspricht einem Viertel des 1,3 Millionen Euro schweren Innovationshaushaltes. Auf der Liste stehen Titel wie die „Vorindustrielle Geschichte der Essener Region – Stift, Stadt und Kloster Werden“, die „Tonleiter“ oder etwa „638 Schritte Tanz“. Letzteres will eine „kreative Tanzszene“ schaffen und Tänzer aus Essen und Umgebung vernetzen. Darum wird es schon seit Jahren vom Kulturbüro gefördert – von einem integrativen Ansatz war bisher keine Rede. Der grüne Ratsherr Burak Copur kritisiert: „Der Dezernent betreibt mit solchen als Integrationsprojekten getarnten Kulturprojekten Etikettenschwindel.“

Dezernent will Hochkultur für Migranten öffnen

Und SPD-Ratsfrau Daniela Kämper sagt: „Dass mit diesem Tanzprojekt verstärkt Migranten erreicht werden, wage ich zu bezweifeln.“ Auch das Kloster Werden spreche nun nicht in erster Linie junge Leute mit Migrationshintergrund an. „Sollte bei allen Projekten nicht zunächst im Vordergrund stehen, inwieweit sie die Integration fördern?“, fragt Kämper.

Dezernent Bomheuer weist solche Einwände zurück: Bewusst verfolge man in der Integrationspolitik den neuen Ansatz, die Hochkultur und ihre Häuser für Migranten zu öffnen. „Die Geschichte der Äbtissinnen gibt Anlass, über die Rolle der Frau zu sprechen.“ Das Tanzfest mit Akteuren aus aller Welt sei „eine Demonstration für ein friedliches Miteinander“. Kämper erwidert: „Die internationalen Tänzer sollen aber nicht integriert werden, die fahren wieder nach Hause.“

Susanne Asche, die für die CDU im Kulturausschuss sitzt, kann Bomheuers Argumentation dagegen nachvollziehen: „Wir hatten auch Erklärungsbedarf. Doch ich finde es legitim, interkulturelle Kulturprojekte als integrationspolitischen Beitrag zu werten.“ Diese Haltung sei im Ausschuss verbreitet, klagt Copur: „Da haben mehrheitlich Kulturpolitiker das Sagen, die alles durch ihre kulturpolitische Brille sehen.“ Sprich: Für sie zähle, Kulturprojekte fördern zu können – egal aus welchem Topf. Das Geld fehle dann jedoch denen, die wirkliche Intergrationsarbeit machen.

Etwa Kazim Calisgan vom Katakomben-Theater, das vor acht Jahren mit 20.000 Euro Förderung gestartet ist, diese zeitweilig verlor und dadurch nie Planungssicherheit hatte. „Wir fühlen uns als Stiefkind behandelt. Man hat den Eindruck, dass die etablierten Einrichtungen besser mit Politik und Verwaltung vernetzt sind – und wir als Migranten hintenrüberfallen.“

Kulturausschuss hat die Entscheidung vertagt

Zwei der sieben umstrittenen Projekte, die aus dem Innovationshaushalt finanziert werden sollten, hat der Kulturauschuss zurückgestellt. Erst in der Oktobersitzung soll entschieden werden, ob das Projekt zum Kloster Werden mit 15.000 Euro gefördert wird und „638 Schritte Tanz“ mit 45.000 Euro. Das Tanzprojekt wird ohnehin mit 15.000 Euro durch die Stiftung Ruhr2010 gefördert. Auch das hatte den Eindruck verstärkt, dass es sich hier um ein klassisches Kulturprojekt handele.

Der jüngste Zoff im Kultur- und Integrationsausschuss lässt den grünen Ratsherrn Burak Copur ganz allgemein an dem Zuschnitt des Gremiums zweifeln. „Die Gründung war vom Rat gut gemeint, weil man das Thema Integration aufwerten wollte.“ Tatsächlich hätten sich die mehrheitlich dort vertretenen Kulturpolitiker kaum für das neue Themenfeld interessiert, „und es gibt kaum Migrationspolitiker als ständige Mitglieder“. Und so habe sich die Anbindung für die Integrationsarbeit als „eher kontraproduktiv“ erwiesen.

Nach Copurs Einschätzung habe auch Andreas Bomheuer „als Integrationsdezernent versagt“. Nach der Kommunalwahl 2014 solle man die Zuständigkeit für das Zukunftsthema neu vergeben. Der bisherige Geschäftsbereich sei jedenfalls ein „sinkendes Schiff“.