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Musik im Blut: Ex-Essener Jonathan Savkin (22) will DJ werden – obwohl er nichts hören kann

Musik im Blut: Ex-Essener Jonathan Savkin (22) will DJ werden – obwohl er nichts hören kann

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Jonathan Savkin ist taub und will Techno-DJ werden. Foto: Jonathan Savkin

Essen. 

„Wenn ich in Techno-Clubs gehe, spüre ich die Musik bis auf die Knochen.“

Jonathan Savkin, gebürtig aus München, war vier Jahre lang in Essen auf einem Internat, reist derzeit durch Australien für sein Work&Travel-Jahr. Er ist 22 Jahre alt.

Und: Er ist gehörlos.

Für Menschen mit Gehör nahezu unvorstellbar: Jonathan will DJ werden. Denn er liebt die Musik, von Kindesbeinen an.

DER WESTEN hat mit ihm über seinen Lebenstraum gesprochen – und darüber, wieso hörenden Menschen aus seiner Sicht vieles entgeht.

DER WESTEN: Du bist gehörlos. Nur wenn du Hörgeräte benutzt, kannst du ein wenig hören?

Jonathan Savkin: Ja das stimmt. Ich kann schon etwas hören mit Hörgeräten, aber ich mag es gar nicht.

Wieso das?

Ich finde es total unnötig, alles mitzukriegen, was so läuft. Zum Beispiel das Quietschen von Autoreifen, das Öffnen von Türen und so. Das lenkt mich total ab und ich sehe die Welt nicht mehr „richtig“. Die anderen Sinne werden beschränkt, wenn ich etwas höre. Wenn man aber ohne Geräusche irgendetwas beobachtet, dann fällt einem viel mehr auf, als mit Geräuschen im Hintergrund.

Okay, aber mal ehrlich, wie funktioniert das denn dann mit Musik? Die ist ja schließlich zum Hören da…

Hahahaha, sorry, dass ich so lache, aber das kann nur von einem Hörenden kommen. Ihr denkt super oft nur an eure eigene Welt und denkt nicht daran, was sein könnte, wenn ihr nicht hören könntet. Ich höre die Musik zwar nicht, aber ich spüre sie. Vor allem in Techno-Clubs, da spürt man die Musik bis auf die Knochen. Zusätzlich sehe ich dort auch, wie die anderen sich bewegen und das zeigt mir auch den Rhythmus. Dort nehme ich auch immer meine Hörgeräte raus, damit alles klarer ist.

Du spürst also die Musik. Ist daher die Liebe zum Techno entstanden, da dort die Bässe ja deutlich spürbarer sind als bei anderen Musikrichtungen?

Also ich habe Musik schon immer geliebt, aber als ich das erste Mal Techno kennengelernt habe, war das überwältigend. Ganz klare Beats und man kann es super verfolgen. Techno liegt mir einfach im Blut.

Wann hast du das erste Mal Techno gespürt?

Im Studio in Essen 2015. Absolut mein Lieblingsclub und ich finde es richtig schade, dass er schließt. Und ich habe wegen meines Aufenthalts in Australien nicht mal die Chance, mich zu verabschieden. Das werde ich wohl nie verarbeiten können.

Du willst DJ werden. Nur: Wie soll das funktionieren, wenn du nichts hören kannst?

Bei jedem Techno-Lied, das ich kennenlerne, analysiere ich es immer irgendwie. Und stelle mir dann vor, wie ich es besser machen könnte. Ein paar Tipps habe ich mir schon von anderen DJs geholt. Ich werde zuerst selbst Tracks entwerfen und dann ein Set und einfach in mich vertrauen. Und dann mal schauen, wo mich das alles hinführt.

Und wie würdest du dann konkret auflegen? Also wenn du die direkte Resonanz des Publikums bekommen würdest?

Da ich die Musik spüre und eigene Tracks habe, schaue ich mir dann an, wie das Publikum reagiert. Und kann dann variieren, je nachdem wie die Menge mit meiner Musik interagiert.

Nach deinem Australien-Jahr soll es losgehen mit der DJ-Karriere. Wie hast du das geplant?

Ich möchte gerne in Berlin studieren. Und da das die Hauptstadt des Technos ist, würde das vielleicht funktionieren. Oder ich pendel immer nach Essen und mache mir dort erstmal einen Namen. Der Techno im Pott ist halt auch einfach echt! Aber egal wie und wo, ich werde es schaffen.

Jonathan Savkin bleibt noch bis Juni in Australien. Danach möchte er Deaf Studies in Berlin und vielleicht Lehramt studieren. Und seinem Lebenstraum nachgehen, Techno-DJ zu werden.