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Essen: Extreme Krankheitswelle! Kinderarzt schockiert – „Hat es noch nie gegeben“

In Essen, Dortmund und Co. grassieren aktuell zwei Krankheitswellen bei Kindern. Kinderärzte stehen vor einem Rätsel.

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© IMAGO / teamwork

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Ob Essen, Dortmund, Düsseldorf oder Münster. Die Lage ist ernst. Kinderkrankenhäuser in NRW haben in den letzten Tagen Alarm geschlagen. Gleich zwei Infektionswellen sorgen für eine extreme Überlastung zahlreicher Kinderkliniken. Doch nicht nur hier ist die Lage dramatisch.

Auch Kinderärzte klagen über maximale Auslastung. Ein Mediziner aus Essen spricht im Gespräch mit DER WESTEN Klartext. Wie seine Kollegen stehe er nicht nur vor einem Berg an Arbeit – sondern auch vor einem Rätsel.

Essen: Warum werden so viele Kinder krank?

Viele Eltern fragen sich seit Monaten: Warum ist mein Kind so häufig krank? Machen wir etwas falsch? Doch die aktuelle Situation zeigt: Sie stehen nicht alleine da. Stattdessen grassieren nach Angaben des Düsseldorfer Uniklinik-Sprechers Tobias Pott zwei Erkrankungswellen: „Eine RSV-Infektionswelle, die vor allem die ganz Kleinen im ersten Lebensjahr trifft, sowie eine Grippewelle, die vornehmlich den Kindern bis ins Grundschulalter massiv zu schaffen macht.“ Robert van Hal bestätigt das im Gespräch mit DER WESTEN. Der Kinderarzt aus Essen berichtet von ungewöhnlich vielen Erkrankungen in diesem Jahr. „Die Kinder sind häufiger krank – und vor allem länger.“ Die Gründe dafür seien schwer eindeutig zu bestimmen. „Wir fragen uns natürlich alle, woran es liegen könnte“, so van Hal.

Ein möglichen Grund für die vielen Atemwegsinfekte sieht der Essener Kinderarzt in den Corona-Maßnahmen der vergangenen Jahre. Wir alle haben uns durch Masken und Quarantäne nicht nur vor einer Corona-Infektion geschützt – sondern unbewusst auch vor anderen Keimen. Auch Kinder haben sich deshalb in den vergangenen Jahren seltener angesteckt. „Das könnte ihre Immunsysteme geschwächt haben“, benennt van Hal eine der möglichen Ursachen.

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Robert Michael van Hal hat vor rund zehn Jahren seine Praxis in Altenessen eröffnet (Archivbild). Foto: Klaus Micke / FUNKE Fotoservices

Essen: Gefährliche Entwicklung – „Hat es noch nie gegeben“

Die Folgen im Ernstfall seien dramatisch. In einigen Ruhrgebiets-Kliniken ist wegen der hohen Auslastung schon von einem Aufnahmestopp die Rede (mehr hier). Nach Angaben des Essener Gesundheitsamts sei die Lage so herausfordernd, dass geplante Operationen zum Teil schon verschoben oder wenn möglich ambulant behandelt werden. Noch dramatischer sei die Lage in Münster. Laut Heymut Omran, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Münster, mussten bereits Kinder bis ins Ruhrgebiet verlegt werden. Das könne je nach Gesundheitszustand der Kinder bedrohlich sein.

Auch Robert van Hal berichtet von Problemen, Kinder in Krankenhäusern unterzubringen. „Das hat es noch nie gegeben.“ Der Kinderarzt und sein Team arbeite im Akkord, um gegen die Krankheitswelle anzukommen und berichtet von zahlreichen Überstunden. Normalerweise würden in seiner Praxis bei einer hohen Auslastung am Tag rund 80 Kinder behandelt werden. Aktuell liege die Zahl bei 120. „Am Montag waren es sogar 150 Kinder“, so der Mediziner. Das Gesundheitsamt Essen bestätigt, dass im Vergleich zum Vorjahr in niedergelassenen Praxen und Notfallpraxen aktuell rund 30 Prozent mehr Kinder behandelt werden. In Nachbarstädten sei die Lage seit rund drei Wochen ähnlich.

Ärzte schlagen Alarm: „Versorgung ist für Kinder nicht mehr gesichert“

Wegen der aktuellen Situation schlägt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin Alarm. Sie fordert eine bessere Finanzierung. Durch Sparmaßnahmen und Überlastung hätten insbesondere viele Pflegekräfte die Branche verlassen.


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Auch Kinder- und Jugendarzt Axel Gerschlauer vom BVKJ Nordrhein sieht die Schuld am Bettenmangel bei der Politik. „So unglaublich das für Deutschland ist, aber die ambulante und stationäre Versorgung ist für Kinder nicht mehr gesichert. Kinder haben eben keine Lobby und die Kinderheilkunde dadurch auch nicht.“ Er sei frustriert, dass die Warnungen aus der Branche als typisches Arzt-Gemecker abgetan worden sei. (mit dpa)