Duisburger zeigen rechten Aufmärschen die kalte Schulter
Hunderte Gegendemonstranten stellten sich am Donnerstag in Duisburg den Aufmärschen von NPD und Pro NRW in den Weg. Beim Fußmarsch durch die Innenstadt stießen die Rechten auf geballte Ablehung der Bürger. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. Es kam zu einigen kleineren Zwischenfällen.
Duisburg.
Die Duisburger Bürger zeigten den Rechten die kalte Schulter: Bei ihrem Marsch am Donnerstagmittag durch die Innenstadt stießen die exakt 103 Anhänger der NPD auf geballte Ignoranz. Nur hier und da verloren sich ein paar Neugierige in den Fenstern, um ein Blick auf die Gruppe zu werfen, die von einem Großaufgebot der Polizei begleitete wurde. Ansonsten schenkte unterwegs niemand den tumben, ausländerfeindlichen Parolen Gehör oder Aufmerksamkeit. Eine größere Abstrafung als das Desinteresse einer auserkorenen Zielgruppe kann es für eine Partei kaum geben.
Auf massiven Widerstand waren die NPD-Anhänger zuvor am Haupteingang des Hauptbahnhofes getroffen. Dort hatten sich die ersten von später insgesamt 400 Gegendemonstranten bereits ab 9.30 Uhr versammelt. „Wir wollen zeigen, dass für Faschisten in Duisburg kein Platz ist“, sagte Jürgen Aust vom Duisburger Netzwerk gegen Rechts, in dem sich zahlreiche Gruppieren, Parteien und Organisationen zusammengeschlossen haben, um sich geballt mit einer Stimme den Rechtsextremen in den Weg zu stellen. „Haut ab! Haut ab!“ oder „Nazis raus! Nazis raus!“ lauteten die Sprechchöre, mit denen die Gegendemonstranten ihre Widersacher begrüßten.
Anzeigen und Platzverweise
Gegen 11 Uhr kam es zum ersten Zwischenfall des Vormittags: In der Eingangshalle des Hauptbahnhofes gerieten vier Personen in eine Schlägerei. Beteiligt waren laut Polizei jeweils zwei Vertreter aus dem linken und dem rechten Lager. Dabei wurden zwei Beteiligte leicht verletzt. Alle vier wurden vorläufig festgenommen. Die Polizei ermittelte die beiden Linken als Täter. Gegen die Männer wurden Anzeigen erstattet und Platzverweise ausgesprochen.
In der Folge wurde diese Seite des Hauptbahnhofes komplett gesperrt. Eine Polizeikette schob die Gegendemonstranten aus dem Bereich an den Glastüren zurück in Richtung ihres eigentlich vorgesehenen Versammlungsortes auf dem Vorplatz. Die Folge: Wer in den Hauptbahnhof wollte, der musste einmal um den Komplex herumlaufen und kam nur durch den Osteingang hinein. Das sorgte bei vielen Bahnreisenden für Ärger. Und die Geschäfte im Eingangshallenbereich beklagten, dass ihnen so der Strom an potenziellen Kunden abgeschnitten worden sei.
Gegendemonstrant mit Verletzungen im Krankenhaus
Später ereigneten sich weitere Vorfälle: Ein Gegendemonstrant musste mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Er hatte laut Polizeisprecher Ramon van der Maat versucht, eine Straßensperre zu durchbrechen, um zu den NPD-Anhängern zu gelangen. Ein Diensthund der Polizei stoppte dieses Vorhaben mit einem Biss in den linken Unterarm des Mannes. Drei Gegendemonstranten, die sich im Bereich der Straßensperre am Kaufhof auf der Düsseldorfer Straße aufhielten, erhielten Anzeigen und Platzverweise, weil sie sich vermummt hatten. Einige Gegendemonstranten legten sich an der Realschul-/ Ecke Krummacherstraße mit Anwohnern an und warfen Eier gegen Hauswände. Zudem wurde ein Polizist leicht verletzt.
Um 12.35 Uhr setzten sich die Rechten zu ihrem angemeldeten Fußmarsch in Bewegung. Dieser führte zunächst vom Bahnhofsvorplatz in Richtung Friedrich-Wilhelm-Straße. Die Polizei, zu deren Großaufgebot auch eine Reiterstaffel, Diensthundeführer und Kräfte mehrerer Hundertschaften zählten, hatte alle Zugangsstraßen in diesem Bereich seit dem frühen Morgen weiträumig abgesperrt.
Die Gegendemonstranten hatten jedoch an zahlreichen Punkten weitere Versammlungen angemeldet. So wurde die NPD an der Tonhallenstraße von rund 50 Anhängern von Bündnis 90/Die Grünen mit „Nazis raus! Faschisten raus!“-Rufen empfangen. Etwas weiter westlich – an der Friedrich-Wilhelm-Straße/Ecke Düsseldorfer Straße – erklangen dieselben Rufe von Hunderten Gegendemonstranten. Sie hielten ihre Plakate in die Höhe mit Botschaften wie „Stoppt die Hetze gegen Roma“ oder „Keine Stimme für die NPD“.
Die Route der Rechten wurde dann kurzfristig geändert. Statt über die Düsseldorfer Straße und Mercatorstraße zurück zum Hauptbahnhof zu kommen, schlängelte sich die Kolonne ihren Weg durch kleinere Wohn- und Nebenstraßen. Auch hier: Kaum Menschen in den Fenstern. Die Duisburger Innenstadt, sie wirkte wie ausgestorben. Die an Fensterbänken befestigten Transparente mit klar Position beziehenden Botschaften wie „Bunt statt Braun!“ zeigten, wie die Mehrheit der Menschen hier denkt. Gegen 14.15 Uhr hatte der Spuk dann sein Ende. Die Versammlungen lösten sich recht zügig auf. Und die einzigen braunen Spuren, die an diesem Tag der Demonstrationen zurückblieben, war ein dicker, dampfender Haufen Pferdeäpfel auf dem Bahnhofsvorplatz.
Bündnis für Toleranz und Zivilcourage zeigt am König-Heinrich-Platz Flagge gegen Rechts
Abseits des Kundgebungsgetöses des NPD-Trosses und der Polizeikordons zeigte das Bündnis für Toleranz und Zivilcourage am König-Heinrich-Platz Flagge gegen die ungebetenen Gäste. „Wir sind Duisburg und nicht die Krawalltouristen von Rechtsaußen“, sagte Oberbürgermeister Sören Link zur Begrüßung bei der Gegen-Kundgebung, die über den Tag verteilt etliche Hundert Teilnehmer zählte.
Klare Worte gegen Nazis und Neo-Nazis, dazu hausgemachte Musik von Klassik der Philharmoniker bis Legenden-Rock von Peter Burschs „Bröselmaschine“ und Bratwurst vom Stand oder Café Latte im angrenzenden Eiscafé: Als politisch engagiertes Kulturfest verstand sich der Aktionstag in der Innenstadt. „Natürlich stellt sich die Frage, ob wir über jedes Stöckchen der Rechtspopulisten springen müssen“ erklärte Bündnis-Sprecher Superintendent Armin Schneider, „aber es war klar, dass wir angesichts der bundesweiten NPD-Aktion hier in Duisburg Flagge zeigen müssen. Wir stehen für ein tolerantes und weltoffenes Duisburg.“
„NPD will unsere Demokratie abschaffen“
Wäre die NPD verboten, wie es die Bundesländer nun fordern, wäre solch eine Gegen-Veranstaltung erst gar nicht notwendig. „Die NPD will unsere Demokratie abschaffen, deshalb gehört sie verboten“, begründete NRW-Innenminister Ralf Jäger den Verbotsantrag. Dann gebe es auch kein Geld mehr aus der Wahlkampfpauschale: „Das ist so, als ob der Schuster der Besohlen der Springerstiefel der Nazis bezahlt“, meinte Jäger. Als „unerträglich“ bezeichnete es auch der katholische Stadtdechant Bernhard Lücking, dass die NPD als Partei weiter zugelassen ist: „Unser Frieden wird gestört.“
Zu steter Wachsamkeit rief Alt-Oberbürgermeister Josef Krings auf und erinnerte dann, wie vor 81 Jahren, am 2. Mai 1933, an fast gleicher Stelle nahe des Stadttheaters Nazis einen Rabbiner bedrohten und quälten. „Wir müssen uns auch jedem alltäglichen Rassismus entgegen stellen“, forderte Duisburgs Kulturdezernent Thomas Krützberg.
Ein besonderer Tag war die Kundgebung für einen der Organisatoren, für den ehemaligen Duisburger DGB-Vorsitzenden Rainer Bischoff: „Seit 1978 habe ich keine 1. Mai-Kundgebung versäumt, aber bei Nazis gibt es keine Kompromisse, deshalb bin ich heute hier.“
Claudia Roth bezeichnet rechte Ideologien als „zerstörerisch und widerwärtig“
Auch die bündnisgrüne Spitzenpolitikerin Claudia Roth, die zuvor auf der Gegenkundgebung der Grünen an der Tonhallenstraße gesprochen hatte, stattete dem Kulturtag ein Besuch ab. Dass sie auf der überparteilichen Veranstaltung nicht sprechen sollte, ärgerte manch Grünen. „Ich bin bewusst auch als Bundestagsvizepräsidentin nach Duisburg gekommen“, hatte Roth zuvor erklärt und ein „klares Contra“ gegen Pro NRW und NPD gefordert; „zerstörerisch und widerwärtig“ seien deren Ideologien. Ob Kommunalwahl oder Europawahl am 25. Mai: Eine hohe Wahlbeteiligung der Demokraten verhindere einen befürchteten Rechtsruck.
Als Roth zum König-Heinrich-Platz kam, traf sie auf einen Gesinnungs- und Generationsbegleiter: Peter Bursch mit seiner Bröselmaschine, der wie alle Künstler, ohne Gage aufgetreten war. „Wir sind hier, um Flagge zu zeigen und ein bisschen aufzurütteln“, sagte Bursch, der schon vor 20 Jahren die Ostermärsche musikalisch begleitete.
Nach einem Lichtermarsch von Pro NRW am Abend ist der rechte Spuk vorbei
Nach einigen ruhigen 1. Mai-Stunden stand Duisburg am Abend dann der nächste rechte Aufmarsch bevor: Um 19.30 Uhr kamen rund 80 Pro NRW-Anhänger mit zwei Reisebussen auf der Düsseldorfer Straße an. Vorher waren sie bereits auf Kundgebungen in Dortmund und Essen gewesen.
Während die Rechten Deutschlandfahnen schwenkten und ihre üblichen Parolen brüllten, standen ihnen etwa 150 Gegendemonstranten mit bunten Transparenten gegenüber. „Frieden und Freiheit für Roma und Romni in Rheinhausen“ war einer ihrer Slogans. Anders als am Nachmittag waren auch viele Anwohner rundherum in ihren Fenstern zu sehen – und auch zu hören. Mit den Rufen „Nazis raus!“ machten sie sehr deutlich, was sie von dem Aufmarsch vor ihrer Haustür hielten.
Rechte attackieren verbal Innenminister Jäger
Pro NRW wollte nach ursprünglichen Planungen auf dem Marktplatz in Rheinhausen demonstrieren. Vor einigen Tagen entschieden sich die Rechtspopulisten dann aber für einen Lichtermarsch im Dellviertel. Dieser setzte sich um 20.50 Uhr in Bewegung und erreichte zehn Minuten später sein Ziel: Die SPD-Zentrale an der Krummacherstraße. Dort attackierten die Teilnehmer – jeder ein neonfarbenes Knicklicht in der Hand – in Sprechchören Innenminister Jäger, ehe es begleitet von Polizei und Gegendemonstranten zurück zum Ausgangspunkt ging. Dort kam der Marsch um 21.28 Uhr zum Stillstand. Mit Abfahrt der Busse war der rechte Spuk des 1. Mai dann wenige Minuten später endgültig aus Duisburg verschwunden.
Forderung nach Demo-Verbot
Kaum waren die beiden rechten Demos am 1. Mai bekannt geworden, hatte es Forderungen nach einem Verbot von neonazistischen Aufmärschen gegeben, vor allem am Tag der Arbeit, am Antikriegstag und am Gedenktag der Reichspogromnacht. Doch die Duisburger Behörde nahm von einem Verbotsversuch Abstand.
„Es gibt in Duisburg keine Anhaltspunkte für ein Verbot“, hieß es aus dem Präsidium. Eine vernünftige Möglichkeit, den Rechtsextremen einen juristisch haltbaren Riegel vorzuschieben, sei die Demo am 9. November gewesen. Zwei Instanzen hielt das Verbot stand, bevor es am späten Vorabend bekanntlich doch noch durch das Bundesverfassungsgericht gekippt wurde.