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Corona im Ruhrgebiet: Erste Stadt impft in sozialem Brennpunkt – „Fühlt sich gut an“

Corona im Ruhrgebiet: Erste Stadt impft in sozialem Brennpunkt – „Fühlt sich gut an“

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Das Impfzelt in Hagen. Foto: Marcel Storch/DER WESTEN

Es ist kurz nach 15 Uhr – und Catalin Tapo macht ihr erstes „Impf“-Selfie.

Ein Foto, ein Piks, noch ein Pflaster drauf. Dann wartet schon die nächste Besucherin auf Impfärztin Dr. Anjali Scholten. Die Leiterin des Gesundheitsamtes in Hagen impft an diesem Mittwoch persönlich im kleinen Zelt auf dem Bodelschwinghplatz im Stadtteil Wehringhausen. Das Licht im kleinen Zelt schimmert rötlich, draußen zeigt sich gerade mal wieder die Sonne an einem verregneten Tag. Als wäre es ein Zeichen der Hoffnung in diesen düsteren Zeiten der Pandemie.

Mit 255 hat Hagen die höchste Corona-Inzidenz im Ruhrgebiet. Im Stadtbezirk Hagen-Mitte, zu dem auch Wehringhausen gehört, ist die Inzidenz sogar bei 335.

Corona im Ruhrgebiet: Als erste Stadt! Hagen impft in sozialem Brennpunkt

Im Kampf gegen Corona im Ruhrgebiet gehen die Städte nun verstärkt mit einer Impfoffensive in die sozialen Brennpunkte. Nach Köln impfte Hagen als zweite NRW-Stadt in einem Hotspot.

Müllberge, heruntergekommene Häuser – die Armut im Hagener Stadtteil Wehringhausen ist vielerorts sichtbar. In der dritten Welle wütet in den sogenannten Problembezirken das Virus besonders. Die Erklärung liegt nahe. Michael Kaub, Sprecher der Stadt, formuliert sie so: „Wir haben es auch in Hagen vor allem mit der britischen Variante zu tun, die nahezu 100 Prozent ansteckend ist. Wenn viele Familienmitglieder auf engstem Raum leben, ist die Ansteckungsrate entsprechend viel höher“.

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Daher entschied sich die Stadt mit einem niedrigschwelligen Angebot zu den Menschen im Stadtteil zu gehen. „Wir sind extra hier gut sichtbar auf einen zentralen Platz gegangen, damit die Menschen sehen, dass geimpft wird.“

Impfangebot für Menschen aus prekären Lebensverhältnissen

Er widerspricht Gerüchten, wonach die Impfaktion ursprünglich nur für Bürger aus Bulgarien oder Rumänien gedacht gewesen sei. „Es war von Anfang an geplant ein Angebot für alle zu bieten, wir können ja keine Bevölkerungsgruppen bevorzugen.“ Es gehe vielmehr darum, Obdachlose oder Menschen mit einer prekären Wohnsituation zu erreichen.

Tatsächlich stehen in der langen Schlange vor dem kleinen Zelt Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Alexander Conrad (41) ist einer der glücklichen Geimpften. Er habe durch seine Frau von der Aktion gehört und gefragt, ob er auch kommen dürfe.

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Nach der Registrierung wird er von Impfärztin Scholten über die Risiken aufgeklärt, dann folgt der kurze Piks. „Fühlt sich gut an. Ich bin erleichtert“, sagt er nach der Spritze und hofft auf ein kleines Stück Rückkehr zur Normalität.

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Ähnlich klingt es bei Ramon Klein. Der obdachlose Mann aus Hagen sagt gegenüber DER WESTEN: „Ich fühle mich wie vorher – nur mit leichterem Gewissen“.

1.000 Dosen Johnson & Johnson-Impfstoff hat die Stadt Hagen für die Impfaktion erhalten. „Etwa 50 habe ich schon nach zwei Stunden verimpft“, sagt Dr. Scholten. Bis in die Abendstunden läuft die Impfaktion. Am Ende des Tages sind es rund 160 Menschen, die eine Impfung erhalten haben. Am Donnerstag geht es in Altenhagen auf dem Friedensplatz weiter.

Auch Duisburg will in Brennpunkten impfen

Auch andere Städte wollen dem Beispiel folgen. Duisburg beispielweise hatte sich mit einem offenen Brief an Gesundheitsminister Laumann gewandt, um in den Quartieren impfen zu dürfen. Am Mittwoch kam das Go, ein entsprechender Erlass des Ministeriums soll noch die Rahmenbedingungen klären. In Duisburg könnte dann schon bald im Petershof oder in der DITIB Merkez-Moschee in Marxloh geimpft werden. Auch Testzentren in Stadtteilen mit besonders hohen Inzidenzen sollen von den mobilen Impfteams genutzt werden.

Wie in Hagen werden auch hier Streetworker Obdachlose und fremdsprachige Communities über das Angebot aufklären. Duisburgs Krisenstabsleiter Martin Murrack begrüßt die Entscheidung des Landes: „Ich bin sehr froh darüber, dass das Land unsere Vorschläge aufgegriffen hat, die Menschen in besonderen Wohnsituationen und in Stadtteilen mit hohen Inzidenzwerten nun planmäßig impfen zu können. Dies wird uns dabei helfen, die Pandemie in der Stadt in den Griff zu bekommen und die Inzidenz auch dauerhaft zu senken.“

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