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Tim Sandkaulen – über Abitur und College zum Tennisprofi

Tim Sandkaulen – über Abitur und College zum Tennisprofi

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Foto: imago/Hasenkopf
U-18-Tennis-Meister Tim Sandkaulen will sich in die Top 150 der Weltrangliste spielen. 2016 stehen Abitur und ein College-Stipendium im Vordergrund.

Mönchengladbach. 

Tim Sandkaulens „Wohnzimmerfenster“ gibt den Panoramablick auf vier Tennisfelder frei. Unter dem Runddach fliegen gelbe Filzbälle über mintgrüne Teppiche. In der frontverglasten Cafeteria im zweiten Stock, die zum Tenniszentrum von Sandkaulens Eltern im Mönchengladbacher Ortsteil Giesenkirchen dazugehört, wird parallel zum Training über Tims Zukunft gesprochen. Drei Tage vor Neujahr feierte das Tennistalent 18. Geburtstag. Der deutsche U-18-Meister im Einzel und Doppel, der als zweitbester deutscher Junior hinter dem ATP-Top-10-Aspiranten Alexander Zverev gelistet ist, will sich künftig mit den Großen messen. Gern so leicht und elegant auf Asche, Rasen oder Teppich agieren wie Vorbild Roger Federer. Geld verdienen inklusive. So viele Dollar oder Euro, dass man davon leben kann.

Sechs Stunden Training pro Tag

Dafür hat der Abiturient schon eine Menge auf sich genommen. Fünf bis sechs Stunden tägliches Training etwa. Einheiten im Bundesstützpunkt in Hannover. Bei C-Kader-Bundestrainer Peter Pfannkoch. Oder im Landesleistungszentrum in Essen. Mit Niederrhein-Verbandscoach Björn Jacob. Dazu Fitness bei Stiefvater Axel Niemöller. Hinzu kam ein Schulwechsel. Vom Franz-Meyer-Gymnasium in Mönchengladbach ans Mannheimer Kurpfalz-Gymnasium. Hier gibt es einen Leistungssport-Zweig. Und hier will der Jungprofi im Frühjahr sein Abitur bauen. Seine Vornote von 1,9 deutet auf keine schlechte Ausgangsposition hin. Obwohl Sandkaulen meist nur einmal pro Woche in der Klasse gesessen hat. Und oft lediglich zu den Klausuren in die Quadratestadt gereist ist. „Den Rest muss ich mir zwischen den Trainingseinheiten in meinem Internatszimmer erarbeiten. Es gibt vorgesehene Schullernzeiten.“

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Tim Sandkaulen hat im Jahr 2015 bei den vier Grand-Slam-Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York mitgespielt. Bei den Junioren. Dazu kamen fünf Turniersiege auf der Future-Tour, die vierte Stufe unterhalb von Grand Slam, den ATP-Turnieren und den Challengern. Viele Reisen, ein sehr selbstständiges, aber überaus diszipliniertes Leben haben Tim Sandkaulen selbstbewusst, zielstrebig, klar werden lassen: „Profi sein ist für mich machbar – das wollen fünfhundert andere Jungs allerdings auch.“

Im Rampenlicht stehen gehört dazu. Am Tag nach seinem Sensationssieg über Rafael Nadal in Wimbledon Anfang Juli ging Rasta-Mann Dustin Brown mit Sandkaulen trainieren. Beide kennen sich als Teamspieler des Bundesligisten Gladbacher HTC. „Wir haben Roger Federer auf dem Trainingsplatz abgelöst. Alle Journalisten und Kameraleute wollten allerdings nur Dustin einfangen. Da war der Teufel los“, erinnert sich Sandkaulen.

Flugkosten für Australien

Bis zu solchen Momenten ist der Weg hart, steinig und teuer. Die Reisekosten der Grand-Slam-Starts übernahm der Deutsche Tennis-Bund, die Übernachtungen vor Ort der Gastgeber. „In Australien musste ich aber ins Hauptfeld kommen, sonst wären meine Eltern auf den Flugkosten sitzen geblieben.“ Was via Qualifikation glückte.

Tim Sandkaulens Ziel in den nächsten fünf Jahren ist es, unter die Top 150 der ATP-Tour zu kommen. „Dann kann man vom Tennis gut seinen Lebensunterhalt bestreiten.“ Der Weg dahin führt ihn vermutlich über die Vereinigten Staaten. Womit wir bei der Ausgangsposition wären.

Ein Berater sprach in der Tennis-Cafeteria zu Giesenkirchen über ein mögliches Stipendium eines US-Colleges. Gute Schulen haben sich schon als Financier für Sandkaulen angeboten. Die University of Southern California etwa. Deren Footballteam trägt im Olympiastadion von Los Angeles die Heimspiele aus. Auch „Ole Miss“, die University of Mississippi in Oxford, ist eine gute Adresse. Dort studiert Sandkaulens Doppelpartner Fabian Fallert. Rund 25 000 US-Dollar pro Schuljahr sind drin.

Studium als Plan B

„Man kann leicht auf die Fresse fallen. Deshalb muss ein Plan B für Tennis schon sein“, sagt der 18-Jährige. Denkt dabei an ein Business-Management-Studium. Ab August 2016. Oder Januar 2017. Für das ATP-Tennis müsse er sich körperlich noch nach vorn entwickeln, kräftiger werden. „Daran muss ich arbeiten, auch an der Schnelligkeit meiner Schläge“, sagt Sandkaulen selbstkritisch. Schnelle Vorstöße ans Netz, gern direkt nach dem Aufschlag, dazu die nötige Aggressivität auf dem Spielfeld, das mag der 18-Jährige. Das ist sein jugendlich-dynamischer Stil. Aber eines weiß er genau: „Man braucht einige Jahre, um körperlich und mental aufs Top-Level zu kommen. Viele Spitzenspieler sind nicht von ungefähr 27 Jahre oder älter.“