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Kanutin Josefa Idem will Olympia-Gold gewinnen

Kanutin Josefa Idem will Olympia-Gold gewinnen

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Foto: imago
Josefa Idem wird in London zum achten Mal um olympische Medaillen paddeln – ein einsamer Rekord, den noch keine andere Sportlerin erreicht hat. Im WAZ-Interview spricht sie über ihre Ziele, das Älterwerden und die Kollegin Birgit Fischer.

London. 

Olympische Spiele sind für Josefa Idem Routine. 1984 startete die in Goch geborene Kanutin als 19-Jährige erstmals bei Olympia. In London wird sie zum achten Mal um olympische Medaillen paddeln. Das hat noch keine andere Sportlerin geschafft. Die Olympiasiegerin von 2000, die außerdem zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen gewonnen hat, plant zum Abschluss ihrer einzigartigen Karriere in London noch einmal das große goldene Ding.

Frau Idem, wie wichtig ist Ihnen Ihr olympischer Teilnahme-Rekord?

Josefa Idem: Ich bin schon sehr stolz darauf. Der Kanu-Sport ist eine Hochleistungs-Disziplin, die sowohl sehr große körperliche als auch enorme mentale Ansprüche an die Athleten stellt. Viele fragen sich, warum macht die Idem das immer noch?

Wie lautet die Antwort?

Josefa Idem: Es liegt wohl an meiner deutschen Herkunft. Ich will meine Arbeit immer so gut wie möglich abliefern. Nachdem ich in Peking um vier Tausendstel Sekunden Gold verpasst habe, bin ich das nächste Projekt angegangen: Ich wollte zum achten Mal bei Olympischen Spielen starten.

Wie hart war es, dieses Ziel zu verwirklichen?

Josefa Idem: Sehr hart. Der Qualifikationsmodus ist extrem brutal. Ich habe es dann im vergangenen Jahr trotz Schulterverletzung geschafft. Im Winter habe ich mich konzentriert auf die Spiele in London vorbereitet. Wir sind für vier Monate nach Spanien gefahren.

Ehemann als Trainer

Was hat Ihre Familie dazu gesagt?

Josefa Idem: Mein italienischer Mann ist mein Trainer, er war natürlich mit. Mein 17-jähriger Sohn ist zuhause in Ravenna geblieben, mein 9-jähriger Sohn ist zwischen Italien und Spanien gependelt.

Mit welchem Ziel fahren Sie nach London?

Josefa Idem: Die Leute wundern sich immer, wenn ich als fast 48-Jährige sage, ich will Gold. Man ist, was man denkt. Und dann sollte man im großen Stil denken.

Acht Mal bei Olympia, das ist ein stolzer Rekord. Legen Sie das Paddel nach London zur Seite oder gibt es noch ein neuntes Mal?

Josefa Idem: Also wenn ich auf meine Kinder schwören müsste, dann würde ich es nicht tun. Nein, schwören würde ich nicht. Aber ich denke schon, dass ich meine Karriere beenden werde. Ich habe so viele andere Dinge vor Augen.

Und die wären?

Josefa Idem: Ich will auf jeden Fall zwei Bücher schreiben. Für ein Projekt habe ich schon jahrelang recherchiert und Interviews mit Ulrike Meyfarth und Heike Drechsler geführt. Mich beschäftigt die Frage, wie es ist, wenn ich als Sportler aufhöre?

Jeder Schnupfen ist ein Thema

Wie ist es denn?

Josefa Idem: Wenn man erfolgreich ist, sind alle Scheinwerfer auf einen gerichtet. Selbst wenn man einen Schnupfen hat, ist es ein Thema. Aber wie geht es einem, wenn die Aufmerksamkeit nicht mehr da ist? War der Sport nur ein toller Teil des Lebens oder mehr? Empfindet man beim Abschied Trauer? Um solche Fragen geht es.

Wie wird es denn bei Ihnen sein?

Josefa Idem: Das werde ich ja bald sehen. 2005 wollte ich schon mal aufhören. Plötzlich traf mich der Hammerschlag. WM ohne mich? Kann es das geben? Dann bin ich wieder zurückgekommen und habe direkt gedacht, später schreibst du ein Buch über das Thema, wie es ist, wenn du nicht mehr so im Fokus stehst.

Aber als Kanutin ist die Aufmerksamkeit doch sehr begrenzt.

Josefa Idem: Ich kann mich nicht beklagen. Erst ging es 2008 um meine siebte Olympia-Teilnahme, das war auch schon etwas Besonderes. Dann habe ich nur um vier Tausendstel Sekunden in Peking Gold verpasst. Das hat mich bekannter gemacht, als wenn ich gewonnen hätte. Die Leute haben sich tagelang aufgeregt, warum ich nicht auch eine Goldmedaille bekommen habe.

Gold mit 36 Jahren

Um was geht es bei Ihrem zweiten Buch-Projekt?

Josefa Idem: Es gibt Leute, die kommen mit Flügeln zur Welt. Andere lassen sie sich wachsen.

Wie war es bei Ihnen?

Josefa Idem: Ich habe mit 36 Jahren olympisches Gold gewonnen. Da muss man sagen, ich habe sie mir wachsen lassen.

Sie leben seit über 20 Jahren in Italien und starten seit 1992 für das Land. Wo ist Ihre Heimat?

Josefa Idem: Wie Herbert Grönemeyer sagt, Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl. Am Anfang habe ich gemerkt, man erwartet, dass ich mich auf eine Seite schlage. Aber wenn man sich wohl fühlt, ist man überall zuhause. Wenn ich von Italien nach Deutschland fahre, dann sage ich, jetzt geht es nach Hause. Und wenn ich dann von Deutschland wieder nach Ravenna zurückkehre, klingt es genauso.

Zwei italienische Teamkolleginnen sind 1994 geboren. Damals hatten sie schon drei Olympiateilnahmen hinter sich.

Josefa Idem: Die Mädels fragen schon mal: „Mensch, Josefa, wie schaffst du das?“ Und dann überlegen sie, ob sie das auch mal schaffen könnten. Aber als ich vor gefühlten 100 Jahren angefangen habe, habe ich auch nicht daran geglaubt. Ich sehe mich natürlich auch ein bisschen in ihnen.

Bleibt man durch diesen Kontakt jung?

Josefa Idem: Nein, das Alter geht vorbei. Aber man fühlt sich ein bisschen jugendlicher. Der Sport tut mir einfach gut. Während manche Frauen mit 48 schon vorzeitig in Rente gehen, bin ich immer noch topfit.

Armutszeugnis für die Kinder

Haben Sie gar keine typischen Alterszipperlein?

Josefa Idem: Ich klopfe mal auf Holz. Ich kann es selbst kaum fassen. Obwohl ich mit 14 Jahren mit dem Leistungssport angefangen habe, war ich nur dreimal verletzt. Ich achte auf meine Ernährung und lasse mich regelmäßig untersuchen. Ich will ja nicht, dass mein Herz zerfleddert.

Ist es nicht ein Armutszeugnis für die jungen Kanutinnen, dass Sie immer noch vorne sind?

Josefa Idem: Es ist eher ein Armutszeugnis für die Trainer. Obwohl mein Mann gar nicht aus dem Kanusport kommt, hat er sich immer mit den neuesten Methoden beschäftigt. Es gibt immer noch so viele Trainer mit antiken Methoden, für die mehr immer besser ist. Aber das ist Quatsch, das Wichtige ist besser.

Im Gegensatz zu Ihnen hat es Birgit Fischer nicht geschafft, sich für Olympia zu qualifizieren.

Josefa Idem: Birgit ist eine ganz Große. Viele sagen, wie konnte sie das mit 52 Jahren noch einmal versuchen. Das ist ein Teil ihrer Größe. Es hat bei ihr gekribbelt, sie hat daran geglaubt und hat dann Pech gehabt. Eine Herzmuskelentzündung ist zwar nicht der Super-Gau, doch im Sport ist das absoluter Mist.

Wären Sie in London gerne noch mal gegen sie gefahren?

Josefa Idem: Nee. Das sage ich aus Hochachtung vor ihr als Sportlerin. Ich will doch selbst ganz vorne landen.