Redakteur Stefan Reinke beim Yoga. Foto: Olaf Fuhrmann
Beim Gedanken an Yoga schleichen sich Vorurteile in den Kopf unseres Laufbloggers. Und doch hat er sich zum Kurs angemeldet – beim Männer-Yoga.
Dortmund.
Räucherstäbchen! Natürlich! Kaum habe ich die Tür zu meinem Dortmunder Yoga-Studio geöffnet, scheinen sich alle Klischees zu bewahrheiten. Yoga – in meinem Kopf ist das Esoterik, Gedöns und nur etwas für gelenkige Frauen. Mit Sicherheit ist Yoga kein Sport. Vor Jahren habe ich mal an einem Kurs für Progressive Muskelentspannung teilgenommen und war angesichts der Art und Weise, wie die Trainerin ihre Anweisungen sprach, die komplette Stunde über schwer damit beschäftigt, einen Lachanfall zu unterdrücken. Entspannend war das jedenfalls nicht. Meine Vorbehalte gegenüber Yoga und ähnlichen Aktivitäten wuchsen.
Doch dann lockte mich das Yoga-Studio, in dem ich nun bin, mit einem Angebot, das ich nicht ablehnen konnte: Männer-Yoga!
Öffnet die Bierflaschen, heizt den Grill an! Es ist Männer-Yoga! Doch ich werde enttäuscht. Nirgends im Raum hängt ein Flatscreen an der Wand, es duftet immer noch nach Räucherstäbchen statt nach Spare Ribs und im Kühlschrank stehen nur Smoothies. Yoga-Hosen und -Klamotten hängen auf Bügeln, fast ausnahmslos Frauenkleidung. Auf einem Tisch liegen Yoga-Zeitschriften, auf deren Titelseiten Frauen Haltungen annehmen, die beim Ansehen schon wehtun. Zum Überfluss liegt gleich daneben noch eine Ausgabe einer „Vegan“-Zeitschrift. Und doch steht der Entschluss: Ich ziehe das hier durch!
Yoga war ursprünglich Männern vorbehalten
Die erste Stunde beginnt. Acht Männer haben sich eingefunden. Unser Yoga-Lehrer Christian erklärt, dass Yoga ursprünglich nur den Männern einer bestimmten indischen Kaste vorbehalten war. Männern! Erst durch die Aerobic-Bewegung kam Yoga in den Mainstream und wurde im Westen eine Frauendomäne. So viel zum historischen Abriss. Jetzt geht’s los.
Christian spricht mit sanfter Stimme. Das ist gewöhnungsbedürftig, weil ich von einem Trainer klare, vielleicht sogar strenge Befehle erwarte. Beim Yoga geht es zunächst darum, sich auf den Körper zu fokussieren und die Bewegungen sehr bewusst auszuführen. Das kommt mir entgegen, weil ich in erster Linie etwas für meinen Körper tun möchte. Für die Seele habe ich lange Läufe, Stadionbesuche und gutes Essen.
Yoga ist harte körperliche Arbeit
Zum Glück hält unser Lehrer seine Anweisungen recht sportlich und spricht wenig davon, was unser Geist machen soll. Schnell stelle ich fest, dass Yoga speziell für Anfänger doch harte körperliche Arbeit ist. Christian verlangt von uns Dinge, auf die ich freiwillig eher nicht kommen würde. Nach dem erfolgreich überwundenen Fluchtreflex kommt für mich persönlich die nächste wirklich hohe Hürde.
LaufblogAuf dem Weg zum „Herabschauenden Hund“ sollen wir aus einer am Boden kauernden Stellung mit angewinkelten Beinen den Hintern nach oben schieben und die Knie durchdrücken, sodass der Körper ein nach oben spitzes Dreieck bildet. Um einen Fußballspruch frei zu zitieren: Die Knie sind seit jeher meine Achillesferse. Ich sehe meine Kniescheiben schon durch den Raum kullern. Ich schnaufe durch, wage einen Versuch. Mit einem lauten Knirschen bringe ich die Knie in die Streckung. Bei den nächsten Durchgängen geht es besser.
Ich bin darin vertieft, die Anweisungen in Bewegung umzusetzen – vollführe meinen ersten Sonnengruß. Geschafft! Die erste Yoga-Stunde ist wie im Flug vergangen. Nach der obligatorischen Schlussentspannung fühle ich mich deutlich besser als vorher. Ich bin äußerst angenehm überrascht. Am nächsten Tag habe ich Muskelkater. Wovon?! Yoga ist tatsächlich anstrengend. Ich bin begeistert.
Yoga ist kein Wettkampf
Aber warum gibt es Männer-Yoga? Der Grund sind Typen wie ich, die Yoga als Weiberkram abtun und/oder sich nicht trauen, in einem Raum voller Frauen zu demonstrieren, wie ungelenkig sie sind. Christian zieht uns allen schnell den Zahn, dass Yoga ein Wettkampf sein könne. Jeder macht die Übungen nur für sich und ich muss gestehen, dass mir bei der Konzentration auf das, was mein Körper machen soll, vollkommen die Zeit fehlt, mich mit den anderen Kursteilnehmern zu vergleichen.
In den folgenden Stunden lernen wir noch mehr Haltungen kennen: die Kobra, die Heuschrecke, den Krieger. Der „Herabschauende Hund“ ist unser ständiger Begleiter. Alle Asanas (so heißen die Positionen auf Sanskrit) fordern volle Konzentration und lenken das Bewusstsein auf die Muskelgruppen, die gerade benötigt werden. Beim „Krieger“ wird es richtig sportlich. Ein Bein wird nach vorne angewinkelt, das andere so weit wie möglich nach hinten weggestreckt. Der Oberkörper steht senkrecht. „Ignoriert das Brennen in euren Oberschenkeln“ sagt Christian. Offenbar weiß er, was wir hier gerade durchleben, denn die Schenkel brennen wirklich wie Feuer. Der Wechsel in die nächste Position ist eine Erlösung.
Ein neues Körpergefühl
Schnell begreife ich, wo der Nutzen für Sportler liegt, wenn sie nebenher noch Yoga machen. Man bekommt ein anderes Bewusstsein für den Körper. Die Körperhaltung ändert sich. Läufer profitieren von den vielen Dehnungen, denn wir haben ja chronisch verkürzte Oberschenkelmuskeln. Und das bewusste Ein- und Ausatmen hilft ebenfalls. Darüber hinaus vermittelt Yoga ein gutes Gefühl.
Nach fünf Wochen Männer-Yoga hält meine Begeisterung an. Nachdem ich schon verschiedene Dinge ausprobiert habe, mit Kumpels Fußball gespielt habe oder beim EMS-Training war, habe ich jetzt tatsächlich meine Zweitsportart gefunden.