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Der Venloop zeigt, wie Laufveranstaltungen sein müssen

Der Venloop zeigt, wie Laufveranstaltungen sein müssen

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Das Starterfeld beim Venloop 2016. Foto: Ted Boots
Einem Lauf in einer kleinen niederländischen Stadt eilt ein legendärer Ruf voraus: dem Venloop. Unser Laufblogger war im Ziel schwer begeistert.

Venlo. 

Zweimal im Jahr spielen die Laufgruppen auf Facebook verrückt: Erst bei der Anmeldung zum Venloop und dann noch einmal später, wenn die Startunterlagen per Post bei den Teilnehmern eintrudeln. Was für Kleinkinder Weihnachten ist, das ist für Läufer der Venloop, ein Halbmarathon im kleinen Städtchen Venlo. Dieser Faszination konnte ich mich nicht entziehen. Ich wollte herausfinden, was es mit diesem Lauf auf sich hat.

Die Stimmung, heißt es immer, sei etwas Besonderes. Es sei laut und unfassbar viel Publikum feuere die Läufer vom Streckenrand aus an. Wer schon an einigen Läufen teilgenommen hat, stellt sich unter „guter Stimmung“ und „unfassbar viel Publikum“ vor, dass hier und da ein paar mehr Menschen stehen als unbedingt erwartet und die Läufer ein bisschen anfeuern. Vielleicht auch mit Musik. In Venlo ist das anders. Nicht nur entlang der Strecke sind Häuser geschmückt, hängen Transparente aus den Fenstern, werden die Läufer herzlich willkommen geheißen. Schnell wird klar: Hier freut sich eine ganze Stadt auf ein Ereignis.

Perfekte Organisation

Wenn der Vivawest-Marathon über weite, weite Strecken die läuferische Einöde darstellt, ist der Venloop beinahe durchgängig der Himmel. Es beginnt mit der Organisation der Anreise, die mit Fug und Recht als perfekt bezeichnet werden darf. Von Sammelparkplätzen gelangen die Teilnehmer und ihr Anhang kostenlos – bzw. in die erschwingliche Startgebühr von rund 20 Euro eingepreist – zum Start-/Ziel-Beriech. Dort gibt es großzügige Taschenaufbewahrungen und reichlich Toiletten. Als Läufer verlangt man eigentlich nicht mehr.

LaufblogIm Läuferbereich höre ich ein Gewirr aus deutschen und holländischen Stimmen. Kein Wunder, denn die Deutschen stellen nach den Niederländern die zweitgrößte Gruppe im Teilnehmerfeld. Fast 6000 meiner Landsleute haben sich angemeldet. Vor dem Start herrscht das übliche Gewusel. Hier könnte vielleicht nachgebessert werden, denn der „Käfig“ entlang der Strecke wirkt etwas eng. Klaustrophobie sollte man nicht haben. Als es endlich losgeht, bewegt sich das Teilnehmerfeld langsam Richtung Startlinie, dann traben wir los.

Und dann wird mir wirklich klar, was diesen Lauf ausmacht.

Lärm, wie ich ihn noch nicht erlebt habe

Entlang der Strecke stehen Menschen dicht gedrängt und machen einen Lärm, den ich so bei einem Lauf noch nicht erlebt habe. Doch es kommt noch besser, denn nach einer Kurve kommen wir in die Altstadt von Venlo. Dort herrscht Volksfeststimmung. Aus Kneipen und Wohnungen werden wir mit Musik beschallt, die Menschen am Streckenrand feiern die Läufer und sich selbst, puschen uns vorwärts. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, gemütlich zu laufen. Zwei Wochen vor meinem Marathon wollte ich nicht unbedingt Halbmarathon-Bestzeit laufen. Doch es geht gar nicht anders.

Die Venloer verwandeln den Lauf in ein Spektakel. Blaskapellen spielen, woanders schallt Disco-Musik, überall feiernde Menschen am Streckenrand. Erst nach einigen Kilometern dünnt die Stimmung etwas aus, als wir durch wengier dicht bewohnte Gebiete laufen. Doch sobald Wohnhäuser am Streckenrand stehen, ist das Spektakel wieder da. Manche haben ihre Couch-Garnitur an den Straßenrand gestellt und feuern uns mit Schnaps und Bier an. Unterwegs hole ich ein Grüppchen aus meiner Tempo-Trainingsgruppe ein. Wir plaudern, schwärmen von der Stimmung. Ich möchte langsamer werden und bei der Gruppe bleiben. Es geht nicht. Die Beine laufen ihr Tempo, den Rest erledigt die Atmosphäre. Ich ziehe davon.

Wie beim Aufstieg nach Alpe d’Huez

Der Lauf erinnert immer mehr an einen Karnevalszug – mit uns als Attraktion. Wir rennen teilweise durch ein dichtes Spalier aus frenetischen Zuschauern. So muss es Radfahrern beim Aufstieg nach Alpe d’Huez gehen. Doch hier sind keine hochprofessionellen Hochleistungssportler auf der Strecke, sondern Hobbyläufer. Trotzdem rast die Menge und treibt an. Dann folgt wieder eine ruhige Passage, die uns auf einem schmalen Deich und später über eine Autobahnbrücke zurück zur Altstadt und Richtung Ziel bringt.

Dort ist jetzt richtig die Hölle los! Die Geräusche der Laufschuhe, die auf dem Asphalt tapsen, sind nicht zu hören. Ein ohrenbetäubender Mix aus Musik, Applaus und Anfeuerungsrufen trägt uns zum Ziel. Ich applaudiere dem Publikum, strahle und renne. Nicht in meinen kühnsten Träumen hatte ich so ein Spektakel erwartet.

Ich schaue auf die Uhr. Nach 1:52:37 Stunden komme lachend ich ins Ziel – Bestzeit!

Der Venloop ist ein Erlebnis. Und ja, man muss ihn mal gelaufen sein. Gerne auch nochmal. Ich glaube, nächstes Jahr bin ich wieder mit von der Partie.