Gladbachs Ibrahima Traoré: „Bin nicht mal in Robbens Nähe“
Hertha BSC - Borussia Mönchengladbach Foto: dpa
Ibrahima Traoré ist der Spaßvogel im Team von Borussia Mönchengladbach. Der 27-Jährige kann aber auch anders. Ein Interview über Philosophie, Rassismus und Fußballergehälter.
Mönchengladbach.
Ibrahima Traoré ist fix. Auf dem Platz und unter der Dusche. Zwischen den beiden Trainingseinheiten im Schatten des Borussia-Parks hat unsere Redaktion einen Interviewtermin mit dem ehemaligen Nationalspieler Guineas. Eigentlich hat er nicht viel Zeit. Der führerscheinlose Fußballer wird von seiner Mutter abgeholt. Am Ende lässt er sie doch warten. Es sollte ein etwas anderes Gespräch werden. Fußballprofis stehen zwangsläufig im Scheinwerferlicht. Die Fans gieren nach Neuigkeiten, wollen wissen, was ihre Idole abseits des Platzes machen. Wenn Traoré (27), Offensivspieler des Bundesligisten Borussia Mönchengladbach, nach Hause kommt, dreht sich bei ihm allerdings nichts mehr um Fußball.
Herr Traoré, finden Sie, man spricht zu selten mit Fußballern über andere Dinge, als über Fußball?
Ibrahima Traoré: Ja, das ist tatsächlich so. In erster Linie geht es um Fußball, dann geht es um Fußball und zuletzt geht es um Fußball (lacht). Die Leute müssen tatsächlich denken, unser Leben dreht sich ausschließlich um Fußball.
Wollen wir über Fußball sprechen oder über andere Dinge, die Sie interessieren?
Traoré: Wir können auch gerne mal über etwas anderes sprechen. Ich denke, jeder Profi hat auch eine andere Seite, andere Hobbys.
Vielleicht das noch: Ist die Fußballwelt eventuell zu oberflächlich?
Traoré: Weiß ich nicht. Die Fans wollen wissen, wie es uns als Fußballer geht. So kennen sie uns. Was nach dem Spiel oder dem Training passiert, ist wahrscheinlich einfach nicht interessant genug. Letztlich sind wir ja nur ganz normale Menschen, die ganz normale Dinge tun. Fußball-Profi zu sein ist auch nur ein Beruf.
Wovon aber jedes Kind auf der Welt träumt…
Traoré: Klar, unser Beruf ist auch unsere Leidenschaft.
Für Gladbachs Traoré gibt es nicht nur Fußball im Leben
Wie wichtig ist es dennoch, als Sportler über den Tellerrand zu schauen und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen?
Traoré: Das ist sehr wichtig. Es gibt nicht nur Fußball im Leben, auch wenn das ab und zu so den Eindruck erweckt. Ich persönlich beschäftige mich kaum noch mit Fußball, wenn ich nach Hause komme.
Warum?
Traoré: Als ich noch jünger war, hat es mich zermürbt, wenn ich mal ein schlechtes Spiel gemacht habe. Ich konnte nächtelang nicht schlafen. Das ist jetzt nicht mehr so. Wenn ich ein schlechtes Spiel gemacht habe, kann ich es am nächsten Wochenende wieder gut machen.
Ist das Abschalten eine Art Regeneration für den Kopf?
Traoré: Als ich damals beim VfB Stuttgart um den Klassenerhalt gespielt habe, wurde mir bewusst, dass wir Profis es in der Hand haben, dass die Menschen auf der Geschäftsstelle nicht ihren Job verlieren. Das war enorm großer Druck. Wenn man damit nicht umgehen kann und diese Verantwortung mit sich rumschleppt, kann man keine gute Leistung bringen.
Nicht wenige Spieler arbeiten deshalb mit einem Mentalcoach oder einem Psychologen zusammen.
Traoré: Das muss jeder für sich entscheiden. Ich habe meine Familie und Freunde um mich herum. Wir reden über alles, lachen sehr viel und versuchen die Sache nicht so dramatisch anzugehen. Man muss einfach locker sein.
Sie betonen immer wieder, dass bei Ihnen zu Hause viel los sein muss, um sich wohl zu fühlen.
Traoré: So bin ich aufgewachsen. Wir waren mit meinem Bruder, Cousins und Cousinen immer mindestens zu zehnt oder zwölft zuhause. Ich bin es nicht gewohnt, alleine zu sein und kenne das nicht anders. Das gibt mir Kraft. Natürlich habe ich auch zwischendurch meine Ruhe.
Playstation zocken ist eigentlich geselliger als lesen – aber lesen Sie immer noch so viel?
Traoré: Playstation spiele ich seit zwei, drei Jahren nicht mehr, ich habe nicht einmal die neue zuhause. Das nimmt mir einfach viel zu viel Zeit in Anspruch. Ich habe jetzt wieder angefangen zu lesen, das macht mir mindestens genauso viel Spaß.
Was lesen Sie gerade?
Traoré: Ich lese das Buch vom französischen Rapper Abd al-Malik. Er hat Philosophie studiert und er schreibt über die Toleranz dem Islam gegenüber. Er ist Muslim und er vergleicht, wie es früher in Frankreich war, Muslim zu sein mit der Gegenwart.
Toleranz ist ein wichtiges Thema auch in Deutschland. Hierzulande wird zum Beispiel viel über Alltags-Rassismus diskutiert. Haben Sie damit Erfahrungen machen müssen seit Sie in Deutschland sind?
Traoré: Nein, ich kann mich an nichts Konkretes erinnern. Vielleicht das: Letztens saß ich mit meiner Freundn im Flugzeug und wurde angesprochen. Auf Englisch. Ich habe auf Deutsch geantwortet. Mehrfach. Kurioserweise saß in unserer Reihe ein Weißer, der kein Wort Deutsch sprach, aber auf Deutsch angesprochen wurde (lacht). Das passiert vielleicht unbewusst und ist nicht unbedingt rassistisch. In Frankreich denkt man, Deutschland ist in diesem Punkt sehr schwierig, dabei hat man dort genug eigene Probleme mit diesem Thema.
Fußballer sind Entertainer – wie Schauspieler
Sie haben Literatur in Frankreich studiert und schätzen die Philosophen Jean-Paul Sartre und Albert Camus. Gibt es Leitsätze, die Sie sich daraus für Ihr Leben zurecht legen?
Traoré: Das Schöne an Philosophie ist, dass es so vielschichtig ist. Es gibt viele Meinungen, die vielleicht konträr sind, aber in einer Diskussion geht es nicht um Recht oder Unrecht. Es gibt eine Mitte und man versucht sein Gegenüber mit Argumenten von seiner Meinung zu überzeugen. Und wenn das nicht gelingt, ist es auch nicht schlimm. Es geht darum, sich mit Themen auseinanderzusetzen, sie in Worte zu fassen – wie in der Literatur.
Wie wichtig ist es für Sie, als privilegierter Mensch, der ein gutes Einkommen hat, Gutes zu tun und darüber zu sprechen?
Traoré: Ich bin so erzogen worden. Ich bin zwar in Frankreich in einer schwierigen Gegend, aber in guten Verhältnissen aufgewachsen. Es wäre respektlos gegenüber meinen Eltern, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Wir hatten immer genug Geld, um über die Runden zu kommen. Das Geld, was meine Mutter hätte sparen können, hat sie für die Kinder ihrer Schwester oder Cousine ausgegeben. Wir haben immer geteilt und es ging uns gut. Gott sei dank verdiene ich gutes Geld und dann muss ich natürlich den anderen Menschen helfen. Das ist ganz normal.
Es wird immer gesagt, Fußballer verdienen zu viel Geld.
Traoré: Das lese ich immer wieder. Nie lese ich, dass ein Hollywood-Schauspieler zu viel Geld verdient. Die bekommen pro Film zwischen fünf und 20 Millionen Dollar. Es sind doch auch nur Entertainer. So wie wir.
Erklären Sie das mal.
Traoré: Man geht ins Kino und wird zwei Stunden lang unterhalten. Dann kann man diesen Film immer wieder und wieder sehen, weiß aber, wie er endet. Wenn die Fans ins Stadion gehen, sehen sie jede Woche ein anderes Spiel. Niemand kann vorher sagen, wie es ausgeht. Wir unterhalten die Leute. Genauso wie es Schauspieler oder Sänger tun.
Und die Verhältnismäßigkeit?
Traoré: Klar, ein Lehrer oder ein Arzt ist gesellschaftlich viel wichtiger als ein Fußballer. Es ist ein schwieriges Thema. Aber wir geben den Menschen Freude. Sie vergessen für 90 Minuten ihre Sorgen und Probleme und sind glücklich, wenn sie mit anderen Fans ins Stadion gehen.
Sie sind auch ein Schauspieler auf dem Platz – auf jeden Fall jubeln Sie wie einer.
Traoré: Wenn man in Frankreich in einer schwierigen Gegend aufwächst, muss man sich Respekt verschaffen. In dem Film „Usual Suspects“ mit Kevin Spacey steht er immer so da, mit den verschränkten Armen und lässt sich von nichts beeindrucken. Das ist seine Art, Stärke zu zeigen. Das fanden mein Bruder und ich toll, deshalb jubel ich so. Es soll zeigen: Ich habe keine Angst vor niemandem.
Traoré: Es wird schwer für Gladbach, Kruse und Kramer zu ersetzen
Traoré: Im Großen und Ganzen haben wir eine fantastische Saison gespielt. Persönlich muss ich gestehen, dass ich natürlich gerne mehr gespielt hätte – auch von Beginn an.
Die Konkurrenz ist in Gladbach aber überdurchschnittlich gut.
Traoré: Alle haben ihre Sache gut gemacht. Thorgan Hazard, Branimir Hrgota und ich haben etwas mehr Einsätze in der Europa League bekommen und dort die Tore gemacht. Allgemein war es für die Offensivspieler eine gute Saison.
In der Liga sind aber seit einiger Zeit Patrick Herrmann und Fabian Johnson gesetzt.
Traoré: Der Trainer hat sich dafür entschieden und wir müssen das akzeptieren. Aber sie machen ihre Sache auch sehr gut. Deshalb verstehe ich die Entscheidung. In diesem Fall ist es meine Aufgabe, den Unterschied zu machen, wenn ich eingewechselt werde. Ich kann den Coach nur dann überzeugen, wenn ich spiele.
Und wenn Sie als Joker treffen. Wie in Berlin und gegen Leverkusen.
Traoré: Ich mag dieses Etikett des „Jokers“ nicht. Ich habe auch getroffen, wenn ich in der Startelf stand. Ich will ganz klar Stammspieler sein und auch so wahrgenommen werden. Natürlich freut es mich, dass ich Tore schieße, wenn ich von der Bank komme.
Wie kommen Sie denn mit dem Etikett „Arjen Robben“ klar? In Guinea werden Sie als „Messi“ bezeichnet.
Traoré: Ich werde mit den besten Spielern der Welt verglichen. Das ist schön, ich kann das aber nicht ernst nehmen. Ich bin nicht Arjen Robben und fußballerisch nicht mal in seiner Nähe. Er ist ein ganz anderes Kaliber. Auch Messi. Er ist der beste Fußballer, den es jemals gab. In Guinea ist man einfach sehr schnell euphorisch.
Nerven Sie diese Vergleiche?
Traoré: Selbst wenn ich sagen würde, dass es mich nervt, was kann ich dagegen machen? (lacht) Damit der Vergleich mit Arjen Robben Stand halten würde, müsste ich viel effektiver sein. Er macht diesen Move 15 Mal erfolgreich und variiert zudem noch sein Spiel. Ich bin Traoré und werde nicht überheblich, weil wir einfach nicht in der gleichen Kategorie sind.
Wie wichtig sind Sie für Thorgan Hazard in der Mannschaft? Und er für Sie?
Traoré: Wie wichtig ich für ihn bin, müssen Sie ihn fragen (lacht). Aber er ist schon sehr wichtig für mich.
Warum?
Traoré: Er ist auch in Frankreich aufgewachsen und weiß, wie ich denke. Wir verstehen uns sehr gut. Er ist ein Spaßvogel wie ich und auf dem Platz haben wir eine ähnliche Spielidee. Vielleicht bin ich ein bisschen wichtiger für ihn (lacht). Es ist gut, dass er da ist und bleibt. Die Leute mögen ihn hier.
Hazard bleibt, für Max Kruse und Christoph Kramer war die Zeit bei der Borussia eine Durchgangsstation. Wie schwer wiegen diese Abgänge?
Traoré: Bei Chris Kramer war es schon länger klar, jetzt wissen wir es auch bei Max. Beide sind deutsche Nationalspieler, die regelmäßig das Deutschlandtrikot tragen. Das spricht schon für ihre Qualität. Beide sind enorm wichtig für uns und es wird sehr schwer sie zu ersetzen. Aber es ist der Job von Lucien Favre und Max Eberl und sie machen jedes Jahr gute Transfers.
Haben Sie eigentlich schon Ihren Champions-League-Rap fertig getextet?
Traoré: Ich habe das mal in einem Interview gesagt, weil ich ja im Sommer beim Mannschaftsabend als Neuzugang was singen musste. Damals habe ich gerappt. Aber nur mitgesungen. Vielleicht rappe ich irgendwann mal – aber nicht öffentlich (lacht).
Was bedeutet es für Sie, bald in der Champions League zu spielen?
Traoré: Wir träumen davon, in der Champions League zu spielen und das nicht mehr nur im Fernsehen zu gucken. Wir sind ganz nah dran und wenn wir es schaffen, dann ist das auch sehr verdient und keine Überraschung. Aber wir haben noch zwei Spiele gegen Mannschaften, die in der kommenden Saison auch in Europa spielen wollen.